Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §69;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des Dr. J in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 11. Juni 1991, Zl. MA 1-314/91, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Magistratsrat im Ruhestand in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien und ist rechtskundig im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGG.
Mit Erkenntnis vom 15. Jänner 1990, Zl. 88/12/0069, wurde die seinerzeitige Beschwerde des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 28. März 1988, betreffend die Berufungsentscheidung über "Zuerkennung einer Personalzulage ... gemäß § 30 der Besoldungsordnung 1967" abgewiesen. Im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGG wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Erkenntnis verwiesen.
Mit Schreiben vom 18. Februar 1991 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens "auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen und Beweismittel, auf Grund Unterdrückung wichtiger Urkunden im Verfahren vor der ersten und zweiten Instanz zur Erschleichung einer gegen den Antrag auf Personalzulage gerichteten Bescheides (§ 69 Abs. 1 lit. a und lit. b AVG 1950)". Er begründete diesen Antrag - soweit dem im vorliegenden Verfahren Bedeutung zukommt - im wesentlichen damit, er habe bei Einsicht in den beim Landesgericht für Strafsachen befindlichen "Beilageakt der MD-Verwaltungsrevision, Zl. MVR 38/86" davon Kenntnis erlangt, daß in diesem Akt nicht nur die Vorgänge über seine rechtswidrige Dienstbeurteilung, sondern auch die Vorgeschichte über die Personalzulagensache enthalten sei. Es sei aus diesem Akt hervorgegangen, daß die seinerzeitigen Vorgesetzten des Beschwerdeführers Dr. X und Dr. U die Notwendigkeit von Mehrdienstleistungen nicht bestritten, sondern das Erfordernis regelmäßiger Mehrdienstleistungen bescheinigt hätten. Der Beschwerdeführer nannte als maßgebende Unterlagen, die ihm zur Kenntnis gelangt seien, die Antragstellung Dris. U vom 9. Oktober 1987, die dagegen vorbrachte Kritik Dris. G und die abschlägige Erklärung Dris. E im Akt MVR 38/86, weiters den Bericht Dris. F vom 28. Oktober 1986, den Amtsvermerk Dris. S vom 12. März 1986, den Bericht Dris. X vom 29. September 1986 und neuerlich den bereits genannten Antrag vom 9. Oktober 1987. Als Datum der Kenntnisnahme hievon bezeichnete der Beschwerdeführer den 12. Februar 1991 und beantragte als Nachweis hiefür die Vernehmung der "Beamtin der Kopierstelle des Landesgerichtes für Strafsachen Wien" und seine eigene Einvernahme.
Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens teilte der Beschwerdeführer der Behörde mit Schreiben vom 23. Mai 1991 ergänzend mit, er habe zwar bereits am 19. bzw. 20. Dezember 1990 Einsicht in den Akt MVR 38/86 genommen, dies aber unter einem anderen Aspekt. Erst ein genaues Studium der am 12. Februar 1991 ausgefolgten Kopien habe ihm gezeigt, daß ihm insbesondere die "so wesentliche Urkunde vom 9. Oktober 1987" vorenthalten worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 69 Abs. 2 AVG zurück.
Zur Begründung wurde über das bereits Dargestellte hinaus noch weiter ausgeführt:
Die belangte Behörde halte die vom Beschwerdeführer beantragte Parteienvernehmung für nicht zielführend, weil dieser nicht einmal andeutungsweise dargelegt habe, welche für die Rechtzeitigkeit seines Antrages auf Wiederaufnahme entscheidenden Tatsachen der belangten Behörde durch seine Parteienvernehmung zur Kenntnis gelangen sollten. Gleiches gelte in bezug auf die vom Beschwerdeführer nicht spezifizierten "vorzulegenden Urkunden". Schließlich könnte auch durch die beantragte Vernehmung der Beamtin der Kopierstelle des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Zeugin allenfalls bewiesen werden, daß der Beschwerdeführer am 12. Februar 1991 bestimmte Schriftstücke kopiert erhalten habe. Durch die Zeugenvernehmung könne jedoch kein Nachweis erbracht werden, daß der Beschwerdeführer vom Inhalt dieser Urkunden erst am 12. Februar 1991 Kenntnis erlangt habe. Der Beschwerdeführer habe nämlich in einem weiteren an die belangte Behörde gerichteten Schriftsatz vom 28. Dezember 1990 mitgeteilt, daß das Landesgericht für Strafsachen Wien ihm umfassende Einsicht in den Akt der MD-Verwaltungsrevision, Zl. MVR 38/86, habe gewähren müssen und er am 20. Dezember 1990 Einsicht genommen habe. Weiters habe er in einem an den Stadtsenat gerichteten Antrag vom 31. Dezember 1990 mitgeteilt, daß er auch am 19. Dezember 1990 in den Akt MVR 38/86 Einsicht genommen habe. Schließlich seien Kopien des Berichtes von Dr. X vom 29. September 1986, des Antrages von Dr. U vom 9. Oktober 1987 und der abschlägigen Entscheidung durch Dr. E vom 1. Dezember 1987 in den Verwaltungsakten des Verfahrens enthalten gewesen, dessen Wiederaufnahme nunmehr vom Beschwerdeführer begehrt werde. Der Beschwerdeführer habe seinerzeit gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 22. März 1988 Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben. Im Zuge des Verfahrens über diese Beschwerde habe er in einer Äußerung, die beim Verwaltungsgerichtshof am 23. November 1988 eingelangt sei, bekanntgegeben, daß er in die Verwaltungsakten Einsicht genommen habe. Gleichzeitig habe er gerügt, daß ihm die oben genannten Schriftstücke im Verwaltungsverfahren nicht vorgehalten worden wären. Der Beschwerdeführer habe somit nicht den Nachweis erbringen können, daß ihm der Inhalt der Urkunden, die er als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht habe, erst in den letzten zwei Wochen vor Einbringung des Wiederaufnahmeantrages am 18. Februar 1991 zur Kenntnis gelangt wären. Sein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei daher gemäß § 69 Abs. 2 AVG zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Unaufgefordert legte der Beschwerdeführer eine Äußerung zur Gegenschrift vom 16. September 1991 vor, in der er nur mehr auf das Schreiben Dris. U vom 9. Oktober 1987 eingeht. Am 18. Oktober 1991 erstattete der Beschwerdeführer schließlich eine "abschließende Äußerung zur Stellungnahme der Behörde vom 26. August 1991" (= Gegenschrift).
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, einzubringen. Den Nachweis, daß der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig gestellt wurde, hat der Antragsteller, und zwar gleichzeitig mit der Antragstellung, zu erbringen (vgl. dazu zB VwSlg. 7158/A).
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen, weil er nicht den Nachweis erbrachte, daß ihm der Inhalt der Urkunden, die er als Wiederaufnahmegrund geltend machte, erst zwei Wochen vor Einbringung des Wiederaufnahmeantrages vom 18. Februar 1991 zur Kenntnis gelangt sei.
Nur diese Frage ist Gegenstand des Verfahrens. Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem sonstigen Vorbringen des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer beschränkt seine Beschwerde auf die Urkunde Dris. U vom 9. Oktober 1987 und bringt im wesentlichen vor, ihm sei vom Gericht im Dezember 1990 zunächst nur ein unvollständiger Kopienband des Aktes MVR 38/86 zur Verfügung gestanden. Er habe deshalb auf die Vorlage des vollständigen Originalaktes gedrungen und am 11. Februar 1991 die Kopien bestellt, die ihm nach Erlag des Kostenvorschusses und Genehmigung durch das Gericht am 12. Februar 1991 ausgefolgt worden seien. Unter diesen Kopien habe sich die "Urkunde Dris. U vom 9. Oktober 1987" befunden.
Die vom Beschwerdeführer zeugenschaftlich beantragte Einvernahme der Beamtin der Geschäftsstelle des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hätte somit nicht bloß darüber Auskunft geben können, daß tatsächlich Kopien angefertigt worden wären, sondern daß der Beschwerdeführer auf Grund einer Akteneinsicht vom 7. Februar 1991 einen Teil der Kopien aus dem Originalband erhielt und daß er am 11. Februar 1991 auf Grund der unvollständigen Kopien des Teilbandes A aus Akt MVR 38/86 die Nachbestellung von Kopien getätigt habe, ohne zunächst zu wissen, daß sich darunter die Urkunde vom 9. Oktober 1987 befinden würde und er die nachbestellten Kopien erst am 12. Februar 1991 erhalten habe. Dieselbe Beamtin hätte auch aussagen können, daß sie am 11. Februar 1991 über telefonischen Rückruf mit der zuständigen Richterin die Genehmigung erhalten habe, auch den Teilband A des Aktes MVR 38/86 (darunter auch die verfahrensgegenständliche Urkunde Dris. U vom 9. Oktober 1987) kopieren zu lassen.
Zu diesem Vorbringen ist festzustellen, daß der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 18. Februar 1991 die Vernehmung einer "Beamtin der Kopierstelle" verlangt hatte, sein nunmehriges Vorbringen also nicht zutreffend ist. Weiters hatte der Beschwerdeführer mit undatiertem Schreiben (eingelangt beim Verwaltungsgerichtshof am 18. Februar 1991) die Wiederaufnahme des in derselben Sache geführten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Zl. 88/12/0069 vom 27. März 1990 unter dem Gesichtspunkt der Unterdrückung entscheidungswesentlicher Aktenteile aus dem Akt MVR 38/86 verlangt (vgl. Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 91/12/0042). In diesem Verfahren gab der Beschwerdeführer als Zeitpunkt der KENNTNISNAHME der Urkunden den 7. Februar 1991 an und bezog sich dabei ausdrücklich auf die Antragstellung Dris. U, aber auch auf die in seinem Wiederaufnahmeantrag an die Verwaltungsbehörde genannten sonstigen Unterlagen. In einem weiteren Antrag auf Wiederaufnahme vom 21. Jänner 1991 hatte der Beschwerdeführer behauptet, er habe am 19. Dezember 1990 im Rahmen eines Verfahrens beim Landesgericht für Strafsachen Wien Einsicht in den genannten Akt der Verwaltungsrevision erhalten.
Wenn nun der Beschwerdeführer sein Vorbringen nur mehr auf das Schreiben Dris. U vom 9. Oktober 1987 beschränkt und behauptet, bloß von diesem Schreiben erst am 12. Feber 1991 Kenntnis erlangt zu haben, so erscheint dies schon aus den vorher dargelegten Gründen widersprüchlich.
Desweiteren ist zu bedenken, daß das vom Beschwerdeführer "problematisierte" Schreiben Dris. U, wenn auch nicht ausdrücklich zitiert, so doch im seinerzeitigen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde behandelt wurde und diese Auseinandersetzung auch im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Jänner 1990, Zl. 88/12/0069, ihren Niederschlag gefunden hat.
Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren am 22. November 1988 Akteneinsicht in den Verwaltungsakt genommen und dann in einer "Äußerung zur Gegenschrift" ausdrücklich mehrere Schriftstücke angegeben, von denen er in seinem dem Verwaltungsverfahren zugrundeliegenden Antrag vom 18. Februar 1991 behauptet hatte, erst am 12. Februar 1991 Kenntnis erlangt zu haben. Im Zusammenhang mit einem anderen Schreiben wird in der vorher genannten "Äußerung" ausgeführt, daß trotz Bestrebungen des Abteilungsleiters Dr. U auf Zuerkennung der Personalzulage als Folge der ihm bekannten Tatsachen, daß der Beschwerdeführer die gleichen Aktenleistungen zu erbringen habe, wie jene Beamten, die eine Personalzulage erhalten, die Entscheidung darüber verweigert werde.
Auch der Vergleich dieses Schreibens mit dem Antrag Dris. U vom 9. Oktober 1987 ("Es darf festgehalten werden, daß der Einlauf im Referat von Herrn Dr. J dem der übrigen Juristenreferate entspricht; alle rechtskundigen Referenten der Magistratsabteilung 70, die eine gleichwertige Tätigkeit ausüben, mit Ausnahme der der Magistratsabteilung 70 relativ kurz zugeteilten Referenten Dr. K und Mag. T haben eine Personalzulage im Ausmaß von 15 Stunden.") läßt den Schluß zu, daß der Beschwerdeführer bereits damals Kenntnis von diesem Antrag gehabt hat. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Februar 1992, Zl. 91/12/0296, im Zusammenhang mit einem anderen Wiederaufnahmeverfahren des Beschwerdeführers ausgeführt, daß sich die belangte Behörde schon in der Begründung ihres seinerzeitigen angefochtenen Bescheides (vgl. Zl 88/12/0069) mit dem vom Beschwerdeführer nun neuerlich problematisierten Schreiben vom 9. Oktober 1987 inhaltlich auseinandergesetzt hat.
Die vorstehenden Überlegungen zeigen, daß die Beschwerde unbegründet ist; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991120150.X00Im RIS seit
16.12.1992