TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/16 92/01/0763

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Veröffentlicht am 16.12.1992
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Index

25/01 Strafprozess;
27/01 Rechtsanwälte;

Norm

GO RAK Tir §19 Abs3;
GO RAK Tir §23;
RAO 1868 §46 Abs1;
StPO 1975 §221 Abs1;
StPO 1975 §41 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des Dr. J in L, gegen den Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 5. Mai 1992, Zl. VS 307/92, betreffend Bestellung zum beigegebenen Verteidiger, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Tiroler Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit ihrem Bescheid vom 5. Mai 1992 gab die belangte Behörde der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Abteilung I des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 12. März 1992, mit dem der Beschwerdeführer zum, dem J.B. gemäß § 41 Abs. 2 StPO beigegebenen Verteidiger, in einer beim Landesgericht Innsbruck abzuführenden Strafsache bestellt worden war, keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten dadurch verletzt, daß er mit dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht verpflichtet werde, im angeführten Strafverfahren "als Verfahrenshelfer bzw. als Verteidiger gem. § 41 Abs. 2 StPO einzuschreiten".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt, daß gemäß den auf § 46 Abs. 1 RAO basierenden, festen Regeln für die möglichst gleichmäßige Heranziehung und Belastung der Rechtsanwälte zur Verfahrenshilfe und Amtsverteidigung - diese Regeln sind in den §§ 19 ff der Geschäftsordnung für die Tiroler Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuß (GO) festgelegt - Rechtsanwälte, die ihren Sitz in den Bezirken Lienz und Matrei in Osttirol haben, für jede vierte anfallende Vertretung in alphabetischer Reihenfolge zu bestellen seien (§ 19 Abs. 3 GO). Da der Beschwerdeführer nach der alphabetischen Reihenfolge der nächste zu bestellende Anwalt gewesen sei, habe er für das gegenständliche Strafverfahren bestellt werden müssen. Im Falle seiner Verhinderung sei es gemäß § 19 Abs. 5 GO Aufgabe des Beschwerdeführers, für seine Vertretung selbst vorzusorgen. Dem Beschwerdeführer stehe es aber - soweit er als 67-jähriger seine mangelnde physische Spannkraft ins Spiel bringe - frei, einen auf § 23 GO gestützten, wohlbegründeten Antrag auf Befreiung in Härtefällen bei der Tiroler Rechtsanwaltskammer einzubringen.

Der gegen diesen Bescheid unter Hinweis auf die durch die geographische Situation bedingten Schwierigkeiten, von Lienz nach Innsbruck zu gelangen, vorgetragenen Argumentation des Beschwerdeführers, die in der GO enthaltenen Regeln entsprächen nicht dem Gebot des § 46 Abs. 1 RAO, weshalb die Tiroler Rechtsanwaltskammer veranlaßt sein müßte, die GO dahin abzuändern, daß "Lienzer" Rechtsanwälte (also offenbar solche mit Kanzleisitz in Lienz) von der "Verrichtung von Verhandlungen als Verfahrenshelfer oder als Zwangsverteidiger" gänzlich zu befreien seien, ist entgegenzuhalten, daß Gegenstand des der Beschwerde zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens nicht die Abänderung der GO war, sondern daß es in diesem Verfahren ausschließlich um die Frage der Bestellung des Beschwerdeführers zum beigegebenen Verteidiger ging. Insoweit gehen die Beschwerdeausführungen daher ins Leere. Im übrigen hat der Beschwerdeführer auch gar nicht dargetan, in welcher Hinsicht die in der GO getroffenen Regelungen dem § 46 Abs. 1 RAO nicht entsprechen sollten. Durch diese Regelungen werden die Ausschüsse der Rechtsanwaltskammern verpflichtet, bei der Bestellung (in Angelegenheiten der Verfahrenshilfe) nach festen Regeln vorzugehen und derartige Regeln, die eine möglichst gleichmäßige Heranziehung und Belastung der Rechtsanwälte unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse gewährleisten sollen, in den Geschäftsordnungen der Ausschüsse festzulegen. Eine solche Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse in ausreichendem Maß ergibt sich aus der oben zitierten Regelung des § 19 Abs. 3 GO. Daß aber die Bestellung des Beschwerdeführers zum beigegebenen Verteidiger nicht den in der GO für die Bestellung im Rahmen der Verfahrenshilfe normierten Regeln entsprochen hätte, hat er selbst nicht behauptet.

Desgleichen verkennt der Beschwerdeführer den Regelungsinhalt des § 46 Abs. 2 RAO, wenn er aus dieser Bestimmung, derzufolge die Geschäftsordnungen allgemeine Gesichtspunkte festlegen können, nach denen Rechtsanwälte aus wichtigen Gründen von der Heranziehung (als Verfahrenshelfer) ganz oder teilweise befreit sind, einen Rechtsanspruch auf Berücksichtigung der gegen seine Bestellung zum beigegebenen Verteidiger vorgebrachten Gründe abzuleiten versucht. Auch soweit der Beschwerdeführer die Nichtübereinstimmung des § 23 GO, in welchem dem Ausschuß die Möglichkeit eröffnet wird, in Härtefällen über begründeten Antrag einzelne Rechtsanwälte, insbesondere solche, die das 68. Lebensjahr überschritten haben, von der Bestellung im Rahmen der Verfahrenshilfe für bestimmte Zeit zur Gänze oder zum Teil zu befreien, mit § 46 Abs. 2 RAO rügt, macht er keine den angefochtenen Bescheid betreffenden Gründe geltend, weil die durch § 23 GO eröffnete Möglichkeit der Befreiung von Bestellungen im Rahmen der Verfahrenshilfe - der Beschwerdeführer hat auch gar nicht behauptet, einen auf diese Norm gestützten Antrag gestellt zu haben - nicht Gegenstand des der Beschwerde zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens war. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Darlegungen, in denen die Schwierigkeiten beschrieben werden, die sich für Rechtsanwälte aus Lienz - und für den Beschwerdeführer insbesondere wegen seines fortgeschrittenen Alters - im Fall einer Prozeßführung in Innsbruck ergeben, sind daher nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Soweit der Beschwerdeführer den Zeitpunkt der Zustellung des ihn zum beigegebenen Verteidiger bestellenden erstinstanzlichen Bescheides als zeitlich zu knapp vor dem Termin der Hauptverhandlung gerügt hat, ist festzuhalten, daß der vom Beschwerdeführer angegebene Zeitraum von elf Tagen im Hinblick auf § 221 Abs. 1 StPO, der dem Angeklagten eine Frist von wenigstens drei Tagen und, falls es sich um eine dem Geschwornengericht zur Aburteilung zugewiesene strafbare Handlung handelt, eine Frist von wenigstens acht Tagen für die Vorbereitung seiner Verteidigung einräumt, für eine Vorbereitung zur Verhandlung vor einem Schöffengericht nicht als zu knapp bemessen erscheint. Daß aber der Zeitraum zwischen der Bestellung und einer vom Verfahrenshelfer zu setzenden Prozeßhandlungen so bemessen sein müßte, daß auch zur Durchführung eines gemäß § 23 GO beantragten Verfahrens zur Befreiung von Bestellungen im Rahmen der Verfahrenshilfe - wobei ein solcher Antrag vom Beschwerdeführer nach Ausweis der Verwaltungsakten nicht gestellt wurde - hinreichend Zeit zur Verfügung stünde, kann weder der RAO noch der GO entnommen werden. Eine derartige Bestimmung entspräche insbesondere auch im Hinblick auf die angeführten Fristen der StPO, nicht den Erfordernissen einer effizienten Verfahrenshilfe.

Der Beschwerdeführer hat auch geltend gemacht, die Regelung des § 19 Abs. 5 GO, derzufolge jeder im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellte Rechtsanwalt im Falle seiner Verhinderung für seine Vertretung selbst vorzusorgen hat, erweise sich als gesetzwidrig. Diesem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, worin der Beschwerdeführer eine Gesetzwidrigkeit dieser Bestimmung erblickt. Auch aus dem in diesem Zusammenhang ins Spiel gebrachten, aus der Verpflichtung zur Tragung der Kosten einer solchen Vertretung erwachsenden vermeintlichen Eingriff in das Eigentumsrecht kann eine Gesetzwidrigkeit nicht abgeleitet werden, weil alle Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer und somit auch der Beschwerdeführer im Wege des durch § 48 RAO normierten Verfahrens in den Genuß der gemäß § 47 RAO vom Bund für die von den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern zu erbringende Verfahrenshilfe zu leistenden Pauschalvergütung kommen und somit den Kosten solcher allenfalls vertretungsweise erbrachter Leistungen die angeführte Pauschalvergütung gegenübersteht.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Aus diesem Grund konnte auch eine Entscheidung des Berichters über den (zur hg. Zl. AW 92/01/0120 protokollierten) Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, unterbleiben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Begehren auf Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, weil die belangte Behörde im Beschwerdeverfahren als öffentlich-rechtliche Körperschaft gemäß § 2 Z. 3 Gebührengesetz 1957 von der Verpflichtung zur Entrichtung von Stempelgebühren befreit ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010763.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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