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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. März 1992, Zl. I/7-St-P-9165, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. März 1992 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, als Fahrzeuglenker zu einer bestimmten Zeit an einem näher bestimmten Ort mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der Freilandstraße schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gefahren zu sein. Laut Radarmessung habe die gefahrene Geschwindigkeit 153 km/h betragen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe in seiner Berufung vorgebracht, nicht er, sondern sein Sohn habe zur Tatzeit das in Rede stehende Kraftfahrzeug gelenkt. Die belangte Behörde habe dieses Vorbringen als unglaubwürdig abgetan, ohne vorher, obwohl dies vom Beschwerdeführer beantragt worden sei, seinen Sohn als Zeugen zu hören.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, setzt die Wertung eines Beweises auf seine Glaubwürdigkeit hin die Aufnahme des Beweises voraus. Eine antizipative Beweiswürdigung ist den Verwaltungsverfahrensgesetzen fremd. Nur dann, wenn ein Beweismittel objektiv gesehen nicht geeignet ist, über den maßgebenden Sachverhalt einen Beweis zu liefern, darf die Behörde die Durchführung dieses Beweises von vornherein ablehnen (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 311, Nr. 72 bis 74 abgedruckte hg. Judikatur). Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde, als sie unter Ablehnung der Vernehmung des vom Beschwerdeführer zu diesem Beweisthema beantragten Zeugen das Vorbringen des Beschwerdeführers, nicht er, sondern sein Sohn sei zum Tatzeitpunkt Lenker des fraglichen Kraftfahrzeuges gewesen, als unglaubwürdig abtat, obwohl die Vernehmung seines Sohnes nicht von vornherein als zum Beweis dieses Vorbringens ungeeignet angesehen werden konnte.
Die belangte Behörde belastete damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Ablehnung eines Beweismittels Beweiswürdigung antizipative vorweggenommene freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020257.X00Im RIS seit
12.06.2001