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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §66 Abs4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 91/12/0222Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der wahlwerbenden Gruppe "Hier Ankreuzen" vertreten durch Mag. M in W, dieser vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 11. September 1990, Zl. 64.552/5-15/90, betreffend
1.) Ungültigerklärung des Wahlvorschlages der Beschwerdeführerin und 2.) Verletzung der Entscheidungspflicht über den Einspruch gegen die Wahl des Zentralausschusses der österreichischen Hochschülerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Spruchabschnitt 2) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
2. Die Säumnisbeschwerde (Art. 132 B-VG, § 27 VwGG) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über den Einspruch gegen die Wahl des Zentralausschusses der österreichischen Hochschülerschaft wird zurückgewiesen.
3. Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren an Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin brachte am 21. April 1987 einen Wahlvorschlag zu den Hochschülerschaftswahlen 1987 an die Wahlkommission bei der österreichischen Hochschülerschaft ein, der die Bezeichnung der wahlwerbenden Gruppe "HIER ANKREUZEN" trug. Als zustellungsbevollmächtigter Vertreter wurde M namhaft gemacht. Mit Beschluß der Wahlkommission vom 27. April 1987 wurde der Wahlvorschlag dieser wahlwerbenden Gruppe zugelassen. In ihrer Sitzung vom 7. Mai 1987 beschloß die genannte Wahlkommission, vor die Worte "Hier Ankreuzen", das Wort "Liste" zu setzen.
Für den Zentralausschuß der Österreichischen Hochschülerschaft hat die wahlwerbende Gruppe in ganz Österreich 325 Stimmen erhalten, sodaß bei einer Wahlzahl von 838 das Ergebnis zu keinem Mandatsgewinn führte.
Bei der Wiederholungswahl 1989 wurde von der Wahlkommission mit Schreiben vom 2. Mai 1989 ein Wahlvorschlag wieder mit der Bezeichnung "Liste "Hier Ankreuzen"" zugelassen.
Wegen Verletzungen der Bestimmungen über das Wahlverfahren bei der Hochschülerschaftswahl vom 9. bis 11. Mai 1989 erhob M namens der beschwerdeführenden Partei mit Eingabe vom 22. Mai 1989 Einspruch gemäß § 42 Abs. 1 der Hochschülerschaftswahlordnung, BGBl. Nr. 609/1982 (in Hinkunft HSWO). Darin brachte er vor, die Wahlkommission habe durch ihre Zulassung eines Wahlvorschlages mit der Bezeichnung "Liste "Hier Ankreuzen"", der von keiner wahlwerbenden Gruppe eingebracht worden sei, wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens der Hochschülerschaftswahlordnung verletzt.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde erging folgender Spruch:
"1. Die Entscheidung der Wahlkommission bei der Österreichischen Hochschülerschaft, die wahlwerbende Gruppe "Liste hier ankreuzen" zur Wahl zum Zentralausschuß der Österreichischen Hochschülerschaft 1989 zuzulassen, wird gemäß § 42 Abs. 1 in Verbindung mit § 11 der Hochschülerschaftswahlordnung, BGBl. Nr. 609/1983, aufgehoben.
2. Der Wahlvorschlag der wahlwerbenden Gruppe "hier ankreuzen", für die Hochschülerschaftswahl 1989, ist gemäß § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 3 lit. a der Hochschülerschaftswahlordnung, BGBl. Nr. 609/1983, ungültig."
Begründend wird ausgeführt, die Wahlkommission habe ohne gesetzliche Grundlage den Wahlvorschlag "HIER ANKREUZEN" auf "Liste hier ankreuzen" geändert, ohne die Erfordernisse des § 11 HSWO zu beachten. Diese Entscheidung der Wahlkommission bei der Österreichischen Hochschülerschaft habe daher aufgehoben werden müssen. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG habe die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden und sei berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß die angefochtene Entscheidung in jede Richtung abzuändern. Gemäß § 10 Abs. 3 lit. a HSWO habe jeder Wahlvorschlag die Bezeichnung der wahlwerbenden Gruppe zu enthalten. "Hier Ankreuzen" könne aber nicht als Unterscheidungsmerkmal, sondern vielmehr als eine Handlungsanleitung aufgefaßt werden, die an die Erfüllung des Tatbestandes des § 263 StGB heranreiche, wonach, wer durch Täuschung über Tatsachen bewirke oder zu bewirken versuche, daß ein anderer bei der Stimmabgabe über den Inhalt seiner Erklärung irre oder gegen seinen Willen eine ungültige Stimme abgebe, zu bestrafen sei. Die Worte "Hier Ankreuzen" könnten zu einer Täuschung oder Verunsicherung der Wähler führen und seien keineswegs als Bezeichnung im Sinne des § 10 Abs. 3 lit. a HSWO anzusehen. Sie bedeuteten ihrem Wortlaut nach, daß der betreffende Wahlberechtigte den amtlichen Stimmzettel an einer bestimmten Stelle ausfüllen solle. Der eingebrachte Wahlvorschlag sei daher gemäß § 19 Abs. 1 HSWO ungültig. Nach § 42 Abs. 3 HSWO sei im Fall der Stattgebung eines Einspruches nach Abs. 1 und 2 leg. cit. eine Neuzuweisung von Mandaten vorzunehmen, was im vorliegenden Fall nicht notwendig sei, weil die wahlwerbende Gruppe "Liste hier ankreuzen" keine Mandate erlangt habe. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Verletzung der Art. 18 Abs. 1 und 83 Abs. 2 B-VG liege nicht vor.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführenden Partei Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 10. Juni 1991 die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragte die Beschwerdeführerin Spruchabschnitt 2 des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und gemäß Art. 132 B-VG über den Einspruch der beschwerdeführenden Partei vom "22. September in der Sache selbst zu entscheiden und auf Grund der in Punkt 1. des oben genannten Bescheides festgestellten Verletzungen der Bestimmungen über das Wahlverfahren bei der Hochschülerschaftswahl 1989 diese für ungültig zu erklären". Weiters wird Kostenersatz angesprochen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Hochschülerschaftsgesetz 1973 - HSG, BGBl. Nr. 309, in der Fassung BGBl. Nr. 390/1986 enthält im § 15, der die Wahl von Organen der Österreichischen Hochschülerschaft regelt folgende Bestimmung:
"(9) Ist auf Grund eines Einspruches wegen Verletzung der Bestimmungen über das Wahlverfahren die Wiederholung einer Wahl notwendig, so ist diese Wahl unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Abs. 8 innerhalb von zwei Monaten anzuberaumen und durchzuführen. Ferien und die ordentliche Inskriptionsfrist (§ 19 Abs. 1 und 3 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes) sind in diesen Zeitraum nicht einzurechnen. Die Abhaltung von Wahlen während der Ferien und innerhalb der ordentlichen Inskriptionsfrist ist unzulässig. Bei der Berechnung von Fristen ist ein Monat mit 30 Tagen zu berechnen. Wird die die Wiederholung einer Wahl notwendigmachende Entscheidung nicht im Semester der aufgehobenen Wahl oder in den beiden folgenden Semestern rechtswirksam, so sind die zu wiederholenden Wahlen als Wahlen gemäß Abs. 1 durchzuführen. Solchen Wahlen liegen die zur aufgehobenen Wahl zugelassenen Wahlvorschläge zugrunde, soweit diese nicht spätestens am 9. Tage vor der Wahl zurückgezogen werden. ..."
Auf Grund der zitierten Bestimmung kommt dem verfahrensgegenständlichen Einspruch der beschwerdeführenden Partei auch nach Ablauf der Funktionsperiode des gewählten Organes der Hochschülerschaft rechtlich aktuelle Bedeutung zu.
Gemäß § 16 Abs. 12 HSG können Einsprüche wegen Verletzungen der Bestimmungen über das Wahlverfahren binnen zwei Wochen nach der Kundmachung des Wahlergebnisses von jeder wahlwerbenden Gruppe beim Vorsitzenden der betreffenden Wahlkommission eingebracht werden. Einsprüche wegen Verletzungen der Bestimmungen über das Wahlverfahren für den Zentralausschuß sowie Berufungen gegen Entscheidungen der Wahlkommission bei der Österreichischen Hochschülerschaft sind von dieser dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung zur Entscheidung vorzulegen. Die Berufungsfrist beträgt zwei Wochen. Einem Einspruch (einer Berufung) ist stattzugeben und die Wahl für ungültig zu erklären, wenn wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens verletzt wurden und hiedurch die Mandatsverteilung beeinflußt werden konnte. Auch die Wahlkommissionen unterstehen der Aufsicht des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung gemäß § 23 Abs. 1 HSG (vgl. in diesem Sinn Langeder-Strasser, Österreichisches Hochschulrecht, S 1.891, Anm. 3 zu § 22 HSG.
Gemäß § 23 Abs. 2 HSG hat der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung in Ausübung seines Aufsichtsrechtes durch Bescheid insbesondere die Genehmigung einer Geschäftsordnung zu verweigern und den Beschluß eines Organs aufzuheben oder seine Durchführung zu untersagen, wenn die Geschäftsordnung oder der Beschluß
a)
von einem unzuständigen Organ beschlossen wurde;
b)
unter erheblicher Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist;
c) im Widerspruch zu bestehenden Gesetzen und Verordnungen steht;
oder wenn der Beschluß wegen seiner finanziellen Auswirkungen nicht durchführbar ist. Im Bescheid ist den Organen aufzutragen, den der Rechtsanschauung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung entsprechenden Rechtszustand mit den rechtlich zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich herzustellen.
Im Beschwerdefall ist auf Grund der dargestellten Rechtslage zunächst zu prüfen, ob die belangte Behörde zur Erlassung des von der Anfechtung durch die Beschwerdeführerin erfaßten Punktes 2 des angefochtenen Bescheides zuständig war. Die belangte Behörde hat sich dazu in der Bescheidbegründung auf § 66 Abs. 4 AVG gestützt. Diese Norm ist jedoch, wie sich aus der dargestellten Rechtslage ergibt, auf das Wahlverfahren nicht anwendbar. Vielmehr unterscheidet das Gesetz im § 22 HSG ausdrücklich zwischen den Verfahren zur Erlassung von Bescheiden über die Rechte und Pflichten der Mitglieder und anderen Verfahren. Auch im § 16 Abs. 12 HSG wird zwischen dem Berufungsverfahren und dem Verfahren über einen Einspruch wegen Verletzungen der Bestimmungen über das Wahlverfahren klar unterschieden. Nach dem letzten Satz der zitierten Bestimmung ist einem Einspruch stattzugeben und die Wahl für ungültig zu erklären, wenn wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens verletzt wurden und hiedurch die Mandatsverteilung beeinflußt werden konnte. Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde demnach nicht als Berufungsbehörde eingeschritten. Danach hätte die belangte Behörde zu prüfen gehabt, ob wegen der von ihr ausgesprochenen Verletzung von Bestimmungen des Wahlverfahrens die Wahl für ungültig zu erklären war oder nicht.
Eine Zuständigkeit der belangten Behörde im Verfahren über den Einspruch wegen Verletzungen der Bestimmungen über das Wahlverfahren den Wahlvorschlag der Beschwerdeführerin für ungültig zu erklären, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Die von der belangten Behörde dazu in der Bescheidbegründung genannte Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG ist im Einspruchsverfahren - wie bereits ausgeführt - nicht anzuwenden. Durch den Spruchpunkt 1 wurde der Beschluß der Wahlkommission über die Zulassung einer Wahlwerbung unter einer von der beschwerdeführenden Partei abweichenden Bezeichnung rechtswirksam aufgehoben. Über die Zulassung der beschwerdeführenden Partei zur Wahl war demnach von der belangten Behörde nicht abzusprechen. Eine solche Entscheidung fiel allein in die Kompetenz der Wahlkommission.
Auch das Aufsichtsrecht der belangten Behörde gemäß § 23 Abs. 2 HSG kann nicht als Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit der belangten Behörde zu dem gegenständliche Abspruch herangezogen werden. Denn auf Grund dieser Bestimmung steht es dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung nur zu, den Beschluß eines Organs aufzuheben oder seine Durchführung zu untersagen, nicht aber an dessen Stelle selbst zu entscheiden.
Der angefochtene Bescheid (Spruchabschnitt 2) mußte daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufgehoben werden.
Die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung stellt sich aber als solche dar, die über den Einspruch der beschwerdeführenden Partei ergangen ist und durch ihren Abspruch zu Spruchabschnitt 2 eine Entscheidung getroffen hat, die einen weiteren Abspruch im Sinn des § 12 letzter Satz (Erklärung der Wahl für ungültig) zunächst ausschloß. Da somit eine bescheidmäßige Absprache über den Einspruch der beschwerdeführenden Partei vorlag, ist eine Säumnis der belangten Behörde nicht eingetreten. Die von der Beschwerdeführerin wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 132 B-VG (§ 27 VwGG) mit der Bescheidbeschwerde gleichzeitig eingebrachte Säumnisbeschwerde mußte daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen werden. Voraussetzung für eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich, daß nicht entschiedene Sache vorliegt (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 44, Anm. 5).
Der Zuspruch von Aufwandersatz an die beschwerdeführende Partei stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren, das über das in der genannten Verordnung festgesetzte Pauschale hinausgeht, mußte hingegen abgewiesen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes deckt der Pauschalbetrag auch die Umsatzsteuer ab.
Schlagworte
Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Rechtsverletzung sonstige Fälle Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991120186.X00Im RIS seit
13.02.2002