TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/16 91/12/0147

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Veröffentlicht am 16.12.1992
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Index

63/02 Gehaltsgesetz;
63/05 Reisegebührenvorschrift;

Norm

GehG 1956 §15 Abs5;
RGV 1955 §39 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des A in D, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. April 1991, Zl. 8119/38-II/4/91, betreffend Ruhen pauschalierter Nebengebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird infolge Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Abteilungsinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Bezirksgendarmeriekommando X, dessen Leiter er ist.

Nach dem Beschwerdevorbringen und den Akten des Verwaltungsverfahrens beauftragte das Landesgendarmeriekommando für Kärnten den Gendarmeriesportverein Kärnten mit der Durchführung der 30. Gendarmerielandesschimeisterschaften, die am 21. und 22. Februar 1990 in Weißbriach, Bezirk Hermagor, stattfanden. Der Beschwerdeführer meldete sich freiwillig zur aktiven Teilnahme am Riesentorlauf (22. Februar 1990) in der seinem Lebensalter entsprechenden Altersklasse (III). Beim Rennen "fädelte" der Beschwerdeführer vor dem Ziel bei einer Torstange ein, kam zu Sturz und erlitt einen Seitenbandriß und eine Kreuzbandzerrung am linken Knie, welche Verletzung operiert werden mußte. Auf Grund dieser Verletzung war er in der Zeit vom 23. Februar bis 16. Mai 1990 dienstunfähig.

Mit Bescheid des Landesgendarmeriekommandos für Kärnten vom 29. November 1990 wurde über diesbezüglichen Antrag des Beschwerdeführers festgestellt, daß ihm für die Monate April und Mai 1990 die pauschalierte Aufwandsentschädigung, die Gefahrenzulage und die monatliche Pauschalvergütung nach § 39 RGV 1955 nicht gebührten, weil es sich bei dem Sportunfall vom 22. Februar 1990 um keinen Dienstunfall gehandelt habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der vom Beschwerdeführer dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung keine Folge gegeben. Nach seiner Begründung ist strittig und entscheidend lediglich die Frage, ob der vom Beschwerdeführer erlittene Unfall als Dienstunfall im Sinne des § 15 Abs. 5 des Gehaltsgesetzes 1956 zu werten sei oder nicht. Der Begriff des Dienstunfalles werde im Gehaltsgesetz öfter verwendet, doch nicht näher erläutert. Die Durchführungsbestimmungen (der ersten Gehaltsgesetznovelle) verwiesen diesbezüglich auf den (mittlerweile nicht mehr in Kraft stehenden) § 62 Abs. 2 der Dienstpragmatik. Danach sei ein Dienstunfall dann als solcher anzunehmen, wenn sich der Unfall in Ausübung einer bestimmten Dienstverrichtung ereignet habe und zwischen dem Unfall und dem Mangel der Dienstfähigkeit ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Den gleichen Sinn enthalte auch die Begriffsbestimmung des § 90 B-KUVG wonach Dienstunfälle Unfälle seien, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion ereigneten. Im vorliegenden Falle sei entscheidend, daß die Teilnahme an dem sportlichen Wettbewerb mit den dienstlichen Aufgaben des Beschwerdeführers in keinerlei Zusammenhang gestanden sei, die Teilnahme daran freiwillig gewesen sei, dieser Wettbewerb ein Wettkampf und kein Ausgleichssport gewesen sei und der Beschwerdeführer auch keinen Dienst (in der Funktion als Bezirksgendarmeriekommandant) geleistet habe, sondern ihm lediglich für den Wettbewerb die Dienstzeit zur Verfügung gestellt worden sei, der vorgeschriebene Dienst also als erbracht anzusehen gewesen sei. Der Unfall habe sich daher nicht in Ausübung einer bestimmten Dienstverrichtung im Sinn der oben genannten Durchführungsbestimmungen ereignet bzw. sei nicht in einem örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der dienstlichen Funktion des Beschwerdeführers gestanden. Daher sei der anläßlich der Teilnahme an den Landesschimeisterschaften erlittene Unfall nicht als Dienstunfall im Sinn des § 15 Abs. 5 des Gehaltsgesetzes 1956 anzusehen, woraus sich zwingend ergebe, daß in Anwendung der genannten Bestimmung für die Monate April und Mai 1990 kein Anspruch auf pauschalierte Aufwandsentschädigung, Gefahrenzulage und Pauschalvergütung an Reisegebühren bestanden habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 39 Abs. 4 letzter Satz Reisegebührenvorschrift 1955, die auf Grund des § 92 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 für die Beamten auf der Stufe eines Bundesgesetzes steht, ist auf den Anspruch und das Ruhen der Pauschalvergütung nach Abs. 1 leg. cit. der § 15 Abs. 5 des Gehaltsgesetzes 1956 sinngemäß anzuwenden.

§ 15 Abs. 5 des Gehaltsgesetzes 1956 lautet:

"Der Anspruch auf pauschalierte Nebengebühren wird durch einen Urlaub, währenddessen der Beamte den Anspruch auf Monatsbezüge behält, oder eine Dienstverhinderung auf Grund eines Dienstunfalles nicht berührt. Ist der Beamte aus einem anderen Grund länger als einen Monat vom Dienst abwesend, so ruht die pauschalierte Nebengebühr von dem auf den Ablauf dieser Frist folgenden Monatsersten bis zu letzten des Monats, in dem der Beamte den Dienst wieder antritt."

Für das Ruhen der pauschalierten Nebengebühren ist daher - von dem hier nicht vorliegenden Fall eines Anspruchsurlaubs abgesehen - ausschlaggebend, ob die Dienstverhinderung auf einen Dienstunfall zurückzuführen ist oder nicht.

Der Beschwerdeführer bringt nun zunächst unter dem Anfechtungsgrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die belangte Behörde habe sich mit den im Beschwerdefall wesentlichen Erlässen, insbesondere dem Erlaß des Landesgendarmeriekommandos für Kärnten vom 2. März 1990, Zl. 5410/8-2/90, nicht auseinandergesetzt, in der Beschwerde im einzelnen auszugsweise zitierte Bestimmungen daraus nicht als Tatsache erhoben und festgestellt, das habe zu einem relevanten Begründungsmangel geführt. Der Beschwerdeführer gibt - in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. März 1977, Slg. Nr. 9283/A, mit weiteren Judikaturhinweisen) - jedoch zu, daß der von ihm zitierte Erlaß normative Kraft nicht zu entfalten vermag. Wiewohl die den Verwaltungsakten einliegenden Erlässe Indiz für die Dienstbezogenheit der Sportausübung sein können, sind die im einzelnen angeführten Bestimmungen, insbesondere des Erlasses vom 2. März 1990, infolge seiner Zeitbezogenheit auf den Beschwerdefall unmittelbar nicht anwendbar, wurde er doch erst nach dem hier gegenständlichen Schiunfall in Wirkung gesetzt. Daraus folgt, daß die Frage nach der Beurteilung des hier vorliegenden Sportunfalles des Beschwerdeführers als Dienstunfall ohne Bezugnahme auf die konkreten Bestimmungen der vom Beschwerdeführer dafür herangezogenen Erlässe, insbesondere jenes vom 2. März 1990, zu beantworten ist. Ein diesbezüglicher entscheidungswesentlicher Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, es bestünde ein unbestreitbarer Kausalzusammenhang zwischen seiner dienstlichen Tätigkeit und jener Sportveranstaltung, anläßlich derer er sich verletzt habe; ohne "Dienst" im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses hätte er an der betreffenden Sportveranstaltung nicht teilnehmen können und daher den Unfall nicht erlitten.

Grundsätzlich ist für die Beurteilung eines Unfalles als Dienstunfall auf die gleichartige Definition des Arbeitsunfalles im Sinn des § 175 Abs. 1 ASVG zurückzugreifen, sodaß auch die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung und Lehre zur Auslegung des Begriffes des Dienstunfalles herangezogen werden können. Danach handelt es sich bei Arbeits(Dienst)unfällen grundsätzlich zunächst um Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen (vgl. Urteil des OGH vom 27. Juni 1969, 4 Ob 27/69 =

ArbSlg. 8627 = ZAS 1970/7 mit zustimmender Anmerkung von Goller sowie das Urteil des OGH vom 23. April 1981, 8 Ob 164/80 = ZVR 1982/365). Aus diesem Grunde wurde auch allgemein anerkannt, daß sportliche Betätigungen der Dienstnehmer im betrieblichen Interesse liegen können. Organisiert daher ein Dienstgeber zum Ausgleich für die meist einseitige körperliche, geistige oder nervliche Belastung für die Dienstnehmer einen Ausgleichssport, der dazu dienen soll, Körperschädigungen vorzubeugen, so steht ein dabei erlittener Unfall unter Versicherungsschutz (vgl. Urteil des OGH vom 29. August 1989, Ob 224/89 = SSV N.F. 3/90). Der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall kann zwar wegen einer sogenannten "selbstgeschaffenen Gefahr" fehlen, doch schließt diese den Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall nur aus, wenn sie aus BETRIEBSFREMDEN MOTIVEN eingegangen wurde (vgl. Urteile des OGH vom 20. Juni 1989, 10 Ob S 185/89 = SSV NF 3/81 und vom 27. März 1990, 10 Ob S 52/90 = SSV NF 4/49). Für Verrichtungen, die sowohl privaten wie auch betrieblichen Interessen dienen - sogenannte gemischte Tätigkeiten - besteht Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen WESENTLICH zu dienen. Nur dann, wenn für die unfallbringende Verrichtung im wesentlichen allein die privaten Interessen des Verletzten maßgebend sind, wäre der Unfall nicht als Dienstunfall anzuerkennen; die ebenfalls vorhandenen betrieblichen Interessen wären hier nur der Nebenzweck des Handelns und hätten für den Unfall lediglich eine Gelegenheitsursache gebildet (vgl. Urteil des OGH vom 12. Februar 1991, 10 Ob S 30/91 = SSV NF 5/10 und zuletzt vom 25. Februar 1992, 10 Ob S 33 und 43/92). Der OGH brachte in seinem Urteil vom 29. August 1989, 10 Ob S 224/89 ferner zum Ausdruck, daß die Grenze zwischen dem betrieblichen Interesse einerseits und den privaten Interessen des Verletzten andererseits dort zu ziehen ist, wo die Veranstaltung sportlichen Wettkampfcharakter annehme und die Erzielung von Spitzenleistungen beabsichtigt werde. Sportarten mit Wettkampfcharakter entsprächen der für den Betriebssport vorausgesetzten Zielrichtung nicht mehr, wenn der Wettkampfcharakter im Vordergrund stehe. Selbst wenn daher der Leistungssport vom Unternehmer (Dienstgeber) finanziert und organisiert werde, sei er versicherungsrechtlich nicht mehr geschützt, ES SEI DENN, daß arbeitsvertraglich die Durchführung der betrieblichen Arbeit mit der Verpflichtung zur Sportausübung gekoppelt sei.

Der Beschwerdeführer macht geltend, sein privates Interesse an der Teilnahme der Rennsportveranstaltung sei, da er selbst keine rennläuferischen Ambitionen gehabt habe, wesentlich hinter dem betrieblichen Interesse, welches in der anspornenden Wirkung seiner Teilnahme an diesem Wettkampf hätte liegen sollen, zurückgeblieben. Der Schwerpunkt seiner Teilnahme sei daher das betriebliche Interesse gewesen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist zunächst festzuhalten, daß unstreitig keine Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Teilnahme an der Landesschimeisterschaft bestand. Es kann aber im Beschwerdefall nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Beschwerdeführer seinen Dienst als Bezirksgendarmeriekommandant in einem alpinen Gebiet versieht. Seine Einsatzfähigkeit kann von der Fertigkeit des Schifahrens auch unter Extrembelastung und Tempodruck im Einzelfall, also einer Situation, die dem Wettkampf nahekommt, nicht isoliert betrachtet werden. Grundsätzlich hat der Beamte seine Leistungskraft und seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten, die zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben erforderlich sind, zu erhalten; welchen inhaltlichen Umfang diese Verpflichtung konkret aufweist, ist in jedem Fall gesondert zu untersuchen. Im Beschwerdefall ist aber davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer den Schisport nicht als bloßen Ausgleichssport, sondern im Rahmen seiner dienstlichen Stellung und in enger Verbindung zu seinen dienstlichen Aufgaben betreibt. Im Zusammenhalt auch mit der aus den im Verwaltungsakt erliegenden Erlässen erkennbaren Förderung des Schisports durch die Dienstbehörde, der Organisation der Schimeisterschaften durch von der Dienstbehörde beauftragte Gremien und im Hinblick auf die zur Teilnahme am Wettkampf spezielle Dienstfreistellung kommt es im Ergebnis doch zu einem Überwiegen der betrieblichen Interessen und beim Beschwerdeführer zu einem Überwiegen betriebsinterner Motive. Dies führt zum Ergebnis, daß der vom Beschwerdeführer erlittene Unfall als Dienstunfall zu qualifizieren ist.

Wie sich aus den oben angeführten Erwägungen ergibt, ist die belangte Behörde von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht ausgegangen. Sie belastete ihren Bescheid daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991120147.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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