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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über den Antrag des N in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1989, Zl. 88/12/0172, abgeschlossenen Verfahrens, betreffend Bestrafung wegen unbefugter Titelführung nach § 109 Abs. 2 UOG, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 45 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Mit dem in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Senat beschlossenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1989, Zl. 88/12/0172, hatte der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des nunmehrigen Antragstellers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juni 1988, Zl. MA 62 - III/261/88/Str, betreffend Verwaltungsübertretung durch unbefugte Titelführung gemäß § 109 Abs. 2 UOG als unbegründet abgewiesen.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß ihm - für den Fall der Unrichtigkeit seiner Auslegung des § 109 Abs. 2 UOG - ein entschuldbarer Rechtsirrtum nach § 5 Abs. 2 VStG unterlaufen sei, weil es derzeit weder in der Literatur noch in der Judikatur unter Berücksichtigung der von ihm aufgestellten verfassungskonformen Interpretation eine andere Auslegung gebe, die seine Auffassung über den Inhalt des Tatbestandsmerkmales "unberechtigt" in § 109 Abs. 2 UOG als unrichtig erweisen würde, hielt der Verwaltungsgerichtshof folgendes entgegen: Der Beschwerdeführer sei bereits einmal rechtskräftig wegen unbefugter Führung des Titels "Universitätsdozent" bestraft worden (Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. März 1985, soweit er eine Bestrafung wegen unberechtigter Titelführung durch ein Schreiben des Beschwerdeführers vom 26. September 1983 betrifft); er hätte (nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 109 Abs. 2 UOG) zumindest daran Zweifel haben müssen, daß seine gegenüber der Behörde vertretene Rechtsauffassung zur Auslegung des § 109 Abs. 2 UOG durchdringen werde. In der Unterlassung von diese Zweifel beseitigenden Erkundigungen bei der Behörde - daß der Beschwerdeführer solche Erkundigungen vor dem im angefochtenen Bescheid genannten Zeitpunkt eingeholt habe, habe er im Verwaltungsstrafverfahren selbst nicht behauptet - liege ein zumindest fahrlässiges Verhalten, das die Entschuldbarkeit der irrigen Gesetzesauslegung ausschließe, sodaß sich der Beschwerdeführer schon deshalb nicht mit Recht auf § 5 Abs. 2 VStG berufen könne.
Mit dem vorliegenden Antrag auf Wiederaufnahme des vorangeführten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens macht der Antragsteller geltend, die im zitierten Erkenntnis ausgesprochene Unterstellung, daß er "Erkundigungen bei der Behörde" über seine Auslegung des § 109 Abs. 2 UOG unterlassen und die Einholung solcher Erkundigungen "im Verwaltungsstrafverfahren selbst nicht behauptet" habe, sei falsch und aktenwidrig. Der Antragsteller habe bereits am 6. Oktober 1986 beim Bundesminister für Wissenschaft und Forschung eine Auskunft nach § 3 Z. 5 des Bundesministeriengesetzes 1986 beantragt und davon der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz mit Eingabe vom selben Tag mit dem Begehren in Kenntnis gesetzt, in Zukunft solange keine Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten bzw. Verwaltungsstrafen über ihn zu verhängen, bis ihm der Bundesminister die gewünschte Auskunft erteilt habe, widrigenfalls er sich immer wieder auf § 5 Abs. 2 VStG berufen werde. Damit sei seine "Erkundigungseinholung" amtsbekannt gewesen; sie hätte daher von Amts wegen berücksichtigt werden müssen. Davon sei der Beschwerdeführer auch ausgegangen und habe sich daher der Ankündigung seines Schreibens entsprechend in allen seinen Berufungen auf § 5 Abs. 2 VStG berufen und im Beschwerdeschriftsatz auf Seite 4 noch darauf hingewiesen, daß er vom genannten Bundesministerium überhaupt keine seiner Auslegung widerlegende Auskunft erhalten habe. Das Bundesministerium habe bis heute sein Auskunftsbegehren vom 6. Oktober 1986 ignoriert. Da bei Kenntnis dieses Sachverhaltes, die bei Wahrung des Parteiengehörs zur erlangen gewesen wäre, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1989 anders hätte lauten müssen, möge die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens, Zl. 88/12/0172, nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG verfügt werden.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG ist die Wiederaufnahme zu bewilligen, wenn im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, daß sonst das Erkenntnis oder der Beschluß anders gelautet hätte.
Der in der Beschwerde zu Zl. 88/12/0172 enthaltene Satz "Vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung erhielt ich überhaupt keine Auskunft" nimmt weder auf das im Wiederaufnahmeantrag zitierte Schreiben des Beschwerdeführers an das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung vom 6. Oktober 1986 bezug, noch erwähnt es überhaupt das angeblich vom selben Tag stammende "Verständigungsschreiben" an die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz. Betrachtet man die unter 2.5 des damaligen Beschwerdeschriftsatzes enthaltenen Ausführungen in ihrem Gesamtzusammenhang, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Beschwerdeführer den von ihm unter diesem Punkt vorgebrachten Rechtsirrtum auf seine Auslegung der §§ 35 und 36 UOG stützte (die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. Juni 1989, Zl. 88/12/0172, nicht geteilt hat).
Aber auch wenn man von diesen Umständen absieht und die im Wiederaufnahmeantrag vorgenommene Ergänzung (Klarstellung) als vom seinerzeitigen Beschwerdeschriftsatz umfaßt ansieht, ist dieses Vorbringen von vornherein nicht geeignet, zumindest die Wahrscheinlichkeit zu begründen, daß der Verwaltungsgerichtshof bei Wahrung des Parteiengehörs eine andere Entscheidung gefällt hätte, was jedenfalls auch eine Voraussetzung für die Bewilligung der Wiederaufnahme nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG ist (vgl. dazu OBERNDORFER, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, Seite 197 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Dieses Vorbringen wäre nämlich dem Neuerungsverbot nach § 41 Abs. 1 VwGG unterlegen und daher für den Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich.
Der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens befreit die Parteien nämlich nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten (vgl. dazu VwSlg. 50007/A/1959, uva.).
Unter das Neuerungsverbot fallen auch Rechtsausführungen, wenn deren Richtigkeit nur auf Grund von Feststellungen überprüft werden kann, die im Verwaltungsverfahren deshalb unterblieben sind, weil der Beschwerdeführer in diesem Verfahren untätig geblieben ist (vgl. z.B. VwSlg. 6883/A/1966).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall aber erfüllt.
Selbst wenn man das Zutreffen der Behauptungen des Antragstellers unterstellt, wäre er nämlich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Beschwerdefall verpflichtet gewesen, auf diesen Schriftwechsel vom Oktober 1986 bereits im Verwaltungsstrafverfahren hinzuweisen: Dies folgt - ungeachtet des Grundsatzes der Amtswegigkeit des Verfahrens - zum einen daraus, daß nach dem ergänzenden Vorbringen im Wiederaufnahmeantrag die an die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz gerichtete Mitteilung vom 6. Oktober 1986 ohne Bezugnahme auf ein bereits anhängiges Strafverfahren (sondern abstrakt auf künftige allfällige Strafverfahren gerichtet) erfolgte, zum andern aber auch aus dem langen Zeitraum (ca. acht Monate), der zwischen dem Einlangen dieses Schriftstückes und der Anhängigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens wegen der unberechtigten Titelführung am 16. Dezember 1986, lag. Dieser Verpflichtung ist der Antragsteller im Verwaltungsstrafverfahren nicht schon dadurch nachgekommen, daß er in seiner Berufung einen entschuldigenden Rechtsirrtum und zwar ausschließlich gestützt auf seine - ausführlich dargestellte - Rechtsauffassung zu §§ 35 ff UOG in Verbindung mit § 109 Abs. 2 leg. cit. geltend machte; bei diesem Vorbringen (in Verbindung mit der vom Beschwerdeführer in der Berufung verwendeten Begründung) lag es unter Berücksichtigung der oben angeführten Gründe für die Verwaltungsstrafbehörden auch keinesfalls auf der Hand, weitere Erwägungen, die für den geltend gemachten Rechtsirrtum sprechen könnten, in ihre Überlegungen miteinzubeziehen, zumal auch nach der Aktenlage nichts für das Vorliegen eines derartigen Schriftverkehrs spricht, auf den sich der Antragsteller nunmehr in seinem Wiederaufnahmeantrag ausdrücklich beruft.
Der Wiederaufnahmeantrag erweist sich mangels Vorliegen der Voraussetzungen nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG als unbegründet, weshalb ihm in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. d VwGG gebildeten Senat nicht stattgegeben werden konnte.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989120158.X00Im RIS seit
16.12.1992