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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ÄrzteG 1984 §19 Abs3 idF 1987/314;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und den Senatspräsidenten Dr. Baumgartner sowie die Hofräte Dr. Degischer, DDr. Jakusch und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der Dr. J in X, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 17. Mai 1991, Zl. 12-97 Ha 4/5-1991, betreffend Verweigerung einer Bewilligung gemäß § 19 Abs. 4 des Ärztegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Österreichischen Ärztekammer vom 8. Oktober 1990 wurde das Ansuchen der Beschwerdeführerin "um Bewilligung eines zweiten Berufssitzes als Facharzt für Innere Medizin (Kardiologie) neben ihrem ständigen Berufssitz" gemäß § 19 Abs. 4 des Ärztegesetzes "mangels Bedarfes abgelehnt".
Die Österreichische Ärztekammer vertrat in der Begründung ihres Bescheides die Auffassung, daß die Frage, ob die Bevölkerung in dem für den zweiten Berufssitz in Aussicht genommenen Ort ausreichend fachärztlich betreut werde, zu bejahen sei, da in Graz mit 342.166 Einwohnern 15 Fachärzte für Innere Medizin mit Verträgen zur Gebietskrankenkasse und 18 Fachärzte für Innere Medizin mit Verträgen zu den "Kleinen Kassen" niedergelassen seien.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 17. Mai 1991 wurde der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 19 Abs. 4 des Ärztegesetzes keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Die Berufungsbehörde führte in der Begründung ihres Bescheides u.a. aus, daß, ohne auf die im vorliegenden Verwaltungsakt enthaltenen Ausführungen über die bestehenden Versorgungseinrichtungen im Bereich der Kardiologie in Graz näher einzugehen, festgehalten werden müsse, daß das Ärztegesetz in der erwähnten Bestimmung keinen Hinweis auf die in den verschiedenen medizinischen Sonderfächern bestehenden Zusatzfächer enthalte. Da diese Möglichkeiten zur Zusatzausbildung und zum Führen eines Zusatztitels in mehreren fachärztlichen Bereichen bei der Erarbeitung bzw. beim Inkrafttreten des Ärztegesetzes bereits bestanden hätten, müsse davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber eine Berücksichtigung dieser Zusatzfächer bei der Bewilligung eines zweiten Berufssitzes nicht im Sinn gehabt habe, da im § 19 Abs. 4 des Ärztegesetzes nur die Begriffe "Facharzt" bzw. "fachärztliche Betreuung" aufschienen. In diese Richtung weise auch ein Erlaß des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 14. Juli 1976, welcher besage, daß sich die Bedarfsprüfung hinsichtlich einer Zweitordination nicht auf ein Teilgebiet, sondern auf den gesamten Umfang des Sonderfaches zu erstrecken habe. Es sei daher im vorliegenden Verfahren nur zu prüfen gewesen, ob eine ausreichende fachärztliche Betreuung im Bereich der Inneren Medizin an dem für den zweiten Berufssitz in Aussicht genommenen Ort und dessen Einzugsgebiet gewährleistet ist, wobei die auch von der Beschwerdeführerin unbestritten gebliebenen Ermittlungsergebnisse zu der Schlußfolgerung geführt hätten, daß im Bereich der Inneren Medizin an dem beantragten zweiten Berufssitz in Graz eine ausreichende fachärztliche Betreuung gewährleistet sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
§ 19 Abs. 3 erster Satz des Ärztegesetzes sowie die Sätze 1 bis 3 des Abs. 4 dieser Gesetzesstelle haben folgenden Wortlaut:
"(3) Der praktische Arzt bzw. der Facharzt darf grundsätzlich nur einen Berufssitz haben.
...
(4) Ein praktischer Arzt oder ein Facharzt, der seine freiberufliche Tätigkeit regelmäßig wiederkehrend an bestimmten Wochentagen oder für eine kalendermäßig bestimmte Zeitdauer auch an einem zweiten Berufssitz auszuüben beabsichtigt, bedarf hiezu einer Bewilligung der Österreichischen Ärztekammer. Eine solche Bewilligung ist zu erteilen, wenn eine ausreichende allgemeinärztliche oder fachärztliche Betreuung der Bevölkerung in dem für den zweiten Berufssitz in Aussicht genommenen Ort und dessen Einzugsgebiet nicht gewährleistet ist. Die Bewilligung ist zurückzunehmen, wenn der für ihre Erteilung maßgebend gewesene Bedarf nicht mehr besteht."
Da der erkennende Senat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Worte "bzw. der Facharzt" im ersten Satz des § 19 Abs. 3 leg. cit., ferner gegen die Worte "oder ein Facharzt" im ersten Satz des § 19 Abs. 4 leg. cit. sowie gegen die Worte "oder fachärztliche" im zweiten Satz dieser Gesetzesstelle hatte, wurde mit hg. Beschluß vom 8. November 1991, Zl. A 111/91-1, gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, die erwähnten Worte im § 19 Abs. 3 und 4 des Ärztegesetzes als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1992, Zl. G 338/91-16, wurden die "Worte "bzw. der Facharzt" im ersten Satz des § 19 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1984 - ÄrzteG), Anlage zur Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 14. September 1984, BGBl. Nr. 373/1984, mit der das Ärztegesetz wiederverlautbart wird, sowie die Worte "oder ein Facharzt" im ersten Satz und die Worte "oder fachärztliche" im zweiten Satz des § 19 Abs. 4 des Ärztegesetzes 1984 in der Fassung BGBl. Nr. 314/1987 als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG sind die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehobenen Worte im § 19 des Ärztegesetzes im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden, was zur Folge hat, daß dem angefochtenen Bescheid die rechtliche Grundlage entzogen ist. Er erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, weil an Schriftsatzaufwand nur der in der erwähnten Verordnung vorgesehene Pauschalbetrag zuerkannt werden kann, in welchem die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992110275.X00Im RIS seit
22.05.2001