TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/17 92/18/0419

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Veröffentlicht am 17.12.1992
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Index

DE-41 Innere Angelegenheiten Deutschland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/05 Reisedokumente Sichtvermerke;

Norm

AuslG-D 1990;
B-VG Art130 Abs2;
PaßG 1969 §23 Abs3;
PaßG 1969 §25 Abs1;
PaßG 1969 §25 Abs2;
Sichtvermerkspflicht Ausnahme Türkei 1990 §2 Abs1 Z1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 1. Juni 1992, Zl. IV-707.061/FrB/92, betreffend Sichtvermerk, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. Juni 1992 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 14. April 1992 auf Erteilung eines befristeten Sichtvermerkes gemäß § 25 Abs. 1 und 2 des Paßgesetzes 1969 (im folgenden kurz: PG) keine Folge gegeben.

In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei am 19. Jänner 1992, ohne im Besitz eines österreichischen Sichtvermerkes zu sein, nach Österreich eingereist. Er habe über einen (für die Zeit vom 8. Jänner 1992 bis 6. April 1992) befristeten Sichtvermerk für Deutschland verfügt. Der Beschwerdeführer könne jedoch keineswegs glaubhaft machen, daß er auch vorgehabt habe, nach Deutschland zu reisen. Am 18. März 1992 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, seit 1. April 1992 sei er in Österreich berufstätig. Auf Grund der Tatsache, daß der Beschwerdeführer nie nach Deutschland eingereist sei und die Behörde annehme, daß er nie vorgehabt habe, dorthin zu reisen, sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer den erwähnten deutschen Sichtvermerk benützt habe, um die österreichischen "Einwanderungsbestimmungen" zu umgehen. Dies laufe eindeutig öffentlichen Interessen zuwider, sodaß trotz der "Beziehungen" des Beschwerdeführers (Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin) spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 29. September 1992, Zl. B 906/912, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Dieser hat erwogen:

Nach § 25 Abs. 1 PG kann einem Fremden auf Antrag ein Sichtvermerk erteilt werden, sofern kein Versagungsgrund gemäß Abs. 3 vorliegt.

Gemäß § 25 Abs. 2 PG hat die Behörde bei der Ausübung des ihr im Abs. 1 eingeräumten freien Ermessens auf die persönlichen Verhältnisse des Sichtvermerkswerbers und auf die öffentlichen Interessen, inbesondere auf die wirtschaftlichen und kulturellen Belange, auf die Lage des Arbeitsmarktes und auf die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen.

Im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt Rechtswidrigkeit eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde nicht vor, soweit die Behörde von dem ihr gesetzlich eingeräumten Ermessen - was in Hinsicht auf eine Entscheidung nach § 25 Abs. 1 und 2 PG der Fall ist - im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Daß dies im Beschwerdefall nicht zuträfe, ist nicht erkennbar:

Auszugehen ist zunächst davon, daß eine Überschreitung des der Behörde hier eingeräumten Ermessensspielraumes dann von vornherein nicht in Betracht kommt, wenn den vom Fremden ins Treffen geführten persönlichen Verhältnissen an der Erteilung des angestrebten Sichtvermerkes kein erhebliches Gewicht zukommt, sohin auch dann, wenn KEINE öffentlichen Interessen gegen die Erteilung des Sichtvermerkes sprechen.

Weiters ist eine solche Überschreitung des Ermessensspielraumes auszuschließen, wenn diese persönlichen Interessen des Fremden die allenfalls gegen die Erteilung des Sichtvermerkes sprechenden öffentlichen Interessen nicht BETRÄCHTLICH überwiegen.

Was die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers anlangt, so hat die belangte Behörde diesen erkennbar keine erhebliche Bedeutung beigemessen. Dies zu Recht: Die mit einer österreichischen Staatsbürgerin innerhalb kurzer Zeit nach der Einreise geschlossene Ehe fällt schon im Hinblick auf ihre Dauer von lediglich einigen Monaten und auch deshalb nicht ins Gewicht, weil der Beschwerdeführer diese Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen hat, in dem es ihm bewußt sein mußte, daß er sich nur noch kurze Zeit auf Grund des ihm für Deutschland erteilten Sichtvermerkes in Österreich aufhalten dürfe (vgl. § 2 Abs. 1 Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 95a/1990 in Verbindung mit § 23 Abs. 3 PG). Gleiches gilt für den Umstand, daß der Beschwerdeführer seit 1. April 1992 im Bundesgebiet einer Beschäftigung nachgeht.

Bei diesem Ergebnis ist die Prüfung der Frage entbehrlich, ob öffentliche Interessen gegen die Erteilung des Sichtvermerkes sprechen, da eine Überschreitung des der belangten Behörde eingeräumten Ermessensspielraumes nach dem oben Gesagten nicht in Betracht kommt.

Die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, das Parteiengehör sei verletzt worden, weil er zu "allfälligen" Ermittlungsergebnissen nicht hätte Stellung nehmen können, geht ins Leere, weil auch der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen vermag, um welche Ermittlungsergebnisse es sich hiebei handeln sollte.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180419.X00

Im RIS seit

06.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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