TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/17 92/16/0007

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Veröffentlicht am 17.12.1992
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Index

32/06 Verkehrsteuern;
32/08 Sonstiges Steuerrecht;

Norm

AbgÄG 1985 Abschn8 Art2 Z1;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z3 litb idF 1985/557;
GrEStG 1955 §4 Abs2 idF 1985/557;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):92/16/0008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des

1.) Dr. O D und der 2.) S D, beide in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. November 1991, zu 1.) Zl. GA 11-382/91 und zu 2.) Zl. GA 11-382/1/91, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 11.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien haben am 15. März 1977 der Gemeinnützigen Siedlungsgenossenschaft Y, eingetragene Genossenschaft mbH in L (in der Folge: Genossenschaft) einen als Anbot bezeichneten Schriftsatz betreffend den Erwerb der auf der Liegenschaft EZ. 388 KG X in Wien zu errichtenden Wohnung Top Nr. 5 übermittelt. Dieser von den beschwerdeführenden Parteien unterfertigte Schriftsatz hat auszugsweise folgenden Inhalt:

    "Herr/Frau ... in Wien ... stellen hiemit als

Wohnungseigentumswerber der Gemeinnützigen

Siedlungsgenossenschaft Y, eingetr. Gen.m.b.H., ... als

Wohnungseigentumserrichter das nachstehende verbindliche und

unwiderrufliche

                            Anbot:

Vorbemerkung:

    § 1:

    In der Folge wird die Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft

Y in ... als Verkäuferin und der/die Werber(in) als Käufer(in)

bezeichnet. Der/die Käufer schließen mit der Verkäuferin einen

Kaufvertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung auf der

Liegenschaft ... ab. Auf dieser Liegenschaft wird von der

Verkäuferin die Wohnungsanlage ... errichtet.

Gegenstand des Anbotes:

    § 2:

    Gegenstand dieses Anbotes ist die Wohnung Top.Nr. 5

bestehend aus ... Zimmer, Nebenräumen, Abstellraum und eines

Autoabstellplatzes.

Finanzierung:

§ 6:

Die Finanzierung der Errichtung der gegenständlichen Wohnhausanlage erfolgt vorbehaltlich etwaiger sich aus der Endabrechnung ergebender Änderungen durch ein auf der

Liegenschaft ... erstrangig einzuverleibendes

Hypothekardarlehen eines Österreichischen Creditinstitutes * sowie eines Darlehens der Wohnbauförderung 1968 des Landes Wien, entsprechend der Förderungszusicherung und des Eigenmittelbetrages, welcher vom Käufer zu erbringen ist. Ich nehme zur Kenntnis, daß die in den Eigenmitteln enthaltenen erhöhten Baukosten zur Abdeckung anfallender notwendiger Kosten für Abbruch und Ausstattungen verwendet werden.

* das Hypothekardarlehen eines Creditinstitutes wird von den Anbotstellern nicht in Anspruch genommen, vielmehr durch ein selbst zu erbringendes Bauspardarlehen ersetzt.

§ 7:

Der/die Käufer(in) erklärt die unwiderrufliche Zustimmung zur grundbücherlichen Einverleibung der für die Finanzierung der Wohnhausanlage erforderlichen Darlehen einschließlich etwaiger Nachtragsdarlehen im Lastenblatt der Liegenschaft ... verpflichten sich alle hiefür nötigen Urkunden in der zur Grundbuchseintragung nötigen Form zu unterfertigen und der Verkäuferin hinsichtlich aller aus der Finanzierung resultierenden Verbindlichkeiten schad- und klaglos zu halten, insbesonders daher die Darlehen im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zur Tilgung und Verzinsung zu übernehmen und dem Darlehensgeber gegenüber zur ungeteilten Hand mit den übrigen Miteigentümern in alle Verpflichtungen einzutreten.

§ 9:

Die von dem(n) Käufer(n) zu erlegenden Eigenmittel ergeben sich aus der diesem Anbot angeschlossenen und einen Bestandteil desselben bildenden Liste. Die Eigenmittel können sich durch Steigerung der Baukosten, durch unvorhergesehene Bauerschwernisse, Planänderungen, Verbesserungen der Ausstattung, behördliche Auflagen, wie auch dadurch daß die Kreditgewährung von einem höheren Eigenmittelanteil der Wohnungswerber abhängig gemacht wird, oder sich der Zinssatz bzw. die Tilgungsfristen der Kredite ändern.

Die Eigenmittel für die Grundkosten sowie erhöhten Baukosten in Höhe von S 421.399,13 abzüglich S 10.000,-- Anzahlung müssen innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Inkrafttreten des

Anbotes auf das Konto der Verkäuferin Nr. ... erlegt werden.

Die Eigenmittel für die 10 % der Baukosten in Höhe von S 127.277,75 müssen bei Baubeginn erlegt werden.

Ein Rücktritt des Käufers von diesem Anbot vor Baubeginn, während der Bauzeit oder nach Bezug der Wohnung ist nur möglich, wenn vom Zurücktretenden ein anderer Käufer der die Rechte und Pflichten der Kaufanwartschaft übernimmt, beigebracht wird. Die mit dem Rücktritt verbundenen Kosten sind vom Zurücktretenden nach Ermittlung derselben zu tragen. Bei Änderung der Baukosten und damit verbundene Korrektur in der Höhe der Eigenmittel wird nach genehmigter Endabrechnung, in dem bei geringerem Eigenmittelbedarf eine sofortige Rückzahlung durch den Verkäufer an den Käufer oder eine sofortige Bezahlung vom Käufer an den Verkäufer zu erfolgen hat, die entsprechende Berichtigung durchgeführt.

Begründung des Wohnungseigentums:

§ 10:

Der/die Käufer erteilen dem(r) Verkäufer(in) den unwiderruflichen Auftrag in ihrem Namen und auf ihre Kosten

a)

nach Vorliegen der bisher noch nicht erfolgten gerichtlichen Festsetzung der Nutzwerte gem. § 3 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes 1975 und

b)

nach Vollendung der Bauführung an der gegenständlichen Wohnungsanlage bzw. der Genehmigung der Endabrechnung durch das Land Wien ohne Verzug diejenigen Anträge zu stellen und diejenigen Urkunden zu errichten, die zur Einverleibung ihres Wohnungseigentums geboten sind.

§ 12:

Die Verkäuferin übernimmt es, die Miteigentümer und Wohnungseigentumsbewerber ohne Vorzug vom Inhalt und dem Tag der Zustellung der Benützungsbewilligung für die gegenständliche Wohnungsanlage zu verständigen.

Wohnungseigentumsvertrag:

§ 13:

Der/die Käufer verpflichten sich unwiderruflich, nach Vorliegen der oben in § 10 dieses Anbotes angeführten Voraussetzungen den Wohnungseigentumsvertrag abzuschließen, mit welchem sie sich wechselseitig unentgeltlich das Recht auf ausschließliche Nutzung und alleinige Verfügung hinsichtlich der Wohnungen einräumen, die in dem angeschlossenen, einen Bestandteil dieses Anbotes bildenden Verzeichnis angeführt sind.

Sonstige vertragliche Verpflichtungen:

§ 15:

Die/der Käufer beauftragen die Verkäufer(in) unwiderruflich, in ihrem Namen und auf ihre Kosten für die ganze Dauer der Darlehen Versicherungen bei einer inländischen Brandschaden-Versicherungsgesellschaft in einem dem Verkäufer angemessen erscheinenden Betrag (Neubauwert) abzuschließen und die Sperre der Versicherung zugunsten des/der Darlehensgeber(s) zu veranlassen. Sie verpflichten sich zur ungeteilten Hand gegenüber dem Verkäufer zur pünktlichen Zahlung der Versicherungsprämien.

§ 16:

Der/die Käufer räumen dem Verkäufer die Verwaltung der

Liegenschaft ... für die Dauer der Laufzeit der Darlehen gem.

§ 6 dieses Anbotes ein. Die Verkäuferin ist zur Übertragung der Verwaltungsbefugnisse an dritte Personen berechtigt. Der/die Käufer verpflichten sich, die gesetzlichen oder ortsüblichen Kosten der Verwaltung sowie die jeweiligen Betriebs- und Instandhaltungskosten, Steuern, Gebühren und Abgaben aller Art, die mit der ordentlichen Erhaltung der Liegenschaft verbundenen Versicherungen (wie z.B. Haftpflicht, Feuer-, Wasserleitungsschaden-, Glasschadenversicherung usw.) sowie die Kosten des Hausbesorgers und sonstige mit der Verwaltung überlicherweise verbundenen Kosten zu bezahlen.

§ 17:

Bis zum Abschluß des Wohnungseigentumsvertrages und der grundbücherlichen Einverleibung des Wohnungseigentums verpflichten sich die Miteigentümer und Wohnungseigentumsbewerber unwiderruflich, die Aufwendungen für

die Liegenschaft ... i.S. des § 19 (1)

Wohnungseigentumsgesetz 1975 nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu tragen.

§ 18:

Alle in diesem Anbot von dem(n) Käufer(n) übernommenen Verpflichtungen gelten auch für ihre Rechtsnachfolger, gleichgültig ob Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge vorliegt, die/der Käufer übernehmen es, dem(n) Verkäufer(in) diesbezüglich vollkommen klag- und schadlos zu halten. Der/die Verkäufer(in) ist darüber hinaus berechtigt, die Durchsetzung der von dem(n) Käufer(n) zu Gunsten der übrigen Käufer abgegebenen Erklärungen zu fordern (§ 881 (1) ABGB).

§ 19:

Im Falle der Annahme dieses Anbotes ist der/die Verkäufer berechtigt, vom Vertrage zurückzutreten, wenn sich das Bauvorhaben nicht nach dem zugrunde liegenden Finanzierungsplan verwirklichen läßt. In diesem Falle sind die von den(m) Käufer(n) erlegten, noch nicht widmungsgemäß verbrauchten Eigenmittel innerhalb angemessener Frist zurückzubezahlen. Die Verkäuferin ist auch nicht verpflichtet in einem solchen Falle durch ein anderes Bauvorhaben eine entsprechende Wohnung im Wohnungseigentum zur Verfügung zu stellen. Die Anbotsteller sind ihrerseits berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten (mittels eingeschriebenen Briefes), wenn das gegenständliche Bauvorhaben nicht bis spätestens 31. 12. 77 begonnen wird.

§ 20:

Im Falle der Annahme des Anbotes wird für Nebenabreden, Zusätze und Änderungen des Vertrages die Schriftform vereinbart. Die Vereinbarung gilt auch für das Abgehen von dieser Formvorschrift.

§ 21:

    Die mit der Errichtung dieses Anbotes verbundenen Kosten

sowie allfällige, wie immer Namen habende Gebühren und Abgaben

werden von dem/den Käufer(n) getragen, hinsichtlich der Kosten

und Gebühren für Urkunden, Verträge und Eingaben, die zur

Begründung des Wohnungseigentums der Käufer erforderlich sind,

wird der Verkäuferin (Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft der

Arbeiter und Angestellten, eingetr. Gen.m.b.H., ... von dem/den

Käufer(n) volle Schadloshaltung zugesichert.

    § 23:

    Die Verkäuferin verpflichtet sich den Kaufvertrag für die

Liegenschaft ... drei Monate nach Baubeginn abzuschließen.

Annahme des Anbotes:

    § 25:

    Das vorstehende Anbot gilt seitens der Gemeinnützigen

Siedlungsgenossenschaft Y, eingetr. Gen.m.b.H., ... als

angenommen, wenn nicht bis zum 30. 3. 1977 (Postaufgabe) eine eingeschriebene schriftliche Ablehnungserklärung an den/die Käufer abgefertigt wird.

Beilagen:

1 Ausstattungsliste (4/76)

1 Wohnungskostentabelle vom 16. 3. 76

1 Schreiben der SGD an Arch. ... vom 8. 4. 76

1 Schreiben der Anbotsteller an die SGD vom 21. 2. 77

1 Schreiben der Anbotsteller an die SGD vom 15. 3. 1977."

Nach Überreichung der vom Erstbeschwerdeführer mit Datum des Kaufvertrages vom 5. Juni 1987 unterfertigten Abgabenerklärung beantwortete dieser einen an ihn gerichteten Vorhalt des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (in der Folge: Finanzamt) dahin, daß hinsichtlich des Kaufanbotes vorerst keine Annahmeerklärung der Genossenschaft erfolgt sei. Er weise auch darauf hin, daß, da im Zeitpunkt des Anbotes weder eine Baubewilligung noch die Zusage der Finanzierung aus Wohnbauförderungsmitteln vorgelegen habe, das Anbot als aufschiebend bedingt abgegeben gegolten habe. Dies sei von ihm in einem Gespräch mit dem Obmann der Genossenschaft unmittelbar nach Abgabe des Anbotes vereinbart worden. In der Folge hätte sich das Bauverfahren bzw. die Zuteilung der Wohnbauförderungsmittel verzögert, sodaß in einer von der Genossenschaft am 18. Oktober 1979 einberufenen Versammlung der Wohnungswerber einerseits von diesen der Genossenschaft erklärt worden sei, die bestehenden Anbote trotz wesentlicher Baupreissteigerungen weiterhin aufrecht zu halten, andererseits von der Genossenschaft in dieser Versammlung erklärt worden sei, die Anbote unter der Bedingung anzunehmen, daß der rechtskräftige Baubescheid innerhalb der nächsten sechs Monate vorliege und zumindest mit den Aushub- und Fundamentierungsarbeiten begonnen werde. Da dieser Bescheid im März 1980 erlassen worden sei, sei seiner Ansicht nach die Willenseinigung über den Erwerb der Eigentumswohnung im April 1980 erfolgt. Ebenfalls in einem Gespräch mit dem Obmann der Genossenschaft ca. eine Woche nach Abgabe des Anbotes sei die Rücktrittserklärung seitens der Zweitbeschwerdeführerin erfolgt, da diese sich zu diesem Zeitpunkt entschieden gehabt hatte, eine Erwerbstätigkeit in Zukunft nicht aufzunehmen. In der Folge sei daher sämtlicher Schriftverkehr nur mehr mit dem Erstbeschwerdeführer abgewickelt worden.

Mit getrennt ausgefertigten Bescheiden vom 22. März 1990 schrieb das Finanzamt den beschwerdeführenden Parteien jeweils Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 88.743,-- vor, da der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren nicht erfüllt worden, außerdem die Zweitbeschwerdeführerin vom Anbot zurückgetreten sei und somit den begünstigten Zweck aufgegeben habe.

In den getrennt eingebrachten Berufungen machten die beschwerdeführenden Parteien geltend, daß in Abänderung zu § 25 des Anbotes, wonach dieses seitens der Genossenschaft als angenommen gelte, wenn nicht binnen zwei Wochen eine schriftliche Ablehnungserklärung erfolgt sei, mit der Genossenschaft in einem unmittelbar nach Anbotsabgabe geführten telephonischen Gespräch mit dem damaligen Obmann vereinbart worden sei, daß dieses Anbot von der Seite der beschwerdeführenden Parteien aufschiebend bedingt durch das Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung sowie der Zusage des Landes Wien über eine Förderung aus Wohnbaumitteln abgegeben gegolten habe, sodaß eine Annahme durch die Genossenschaft erst nach dem Eintritt dieser Bedingungen möglich gewesen sei. Dies um so mehr, als auf Grund des Nichtvorliegens dieser Bescheide zum Zeitpunkt der Anbotsabgabe ein Baubeginn sowie eine Feststellung des tatsächlichen Erwerbspreises nicht möglich gewesen sei. Im selben Gespräch habe der Erstbeschwerdeführer im Namen der Zweitbeschwerdeführerin deren Rücktritt vom Anbot erklärt, da diese sich entschieden gehabt habe, eine Erwerbstätigkeit in Zukunft nicht aufzunehmen. Dies sei auch vom Obmann der Genossenschaft zur Kenntnis genommen worden. Gleichzeitig habe der Erstbeschwerdeführer sein Anbot zu den vorangeführten Bedingungen auf die zweite Hälfte der Eigentumswohnung ausgeweitet.

Ein rechtswirksamer Kaufvertrag sei zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zustande gekommen, da einerseits das Anbot in seiner ursprünglichen Fassung noch nicht angenommen gewesen sei, andererseits das Anbot unter einer aufschiebenden Bedingung abgegeben worden sei, sodaß eine Annahme frühestens mit Eintritt der Bedingung möglich gewesen sei.

In diesem Zusammenhang verweise der Erstbeschwerdeführer auf Punkt 2.) der Anfragebeantwortung der Genossenschaft vom 12. Dezember 1988, worin diese das einvernehmliche Abgehen von den Bestimmungen des § 25 des Anbotes und das Vorliegen der Baugenehmigung sowie der Zusage und tatsächlichen Darlehensgewährung des Landes Wien aus Wohnbauförderungsmitteln als aufschiebende Bedingung des Anbotes zur Kenntnis gebracht habe.

Nach dem Auftreten gravierender Probleme im Bauverfahren sowie Verzögerungen bei der Vergabe der Wohnbauförderungsmittel sei in einer am 18. Oktober 1979 stattgefundenen Sitzung der Wohnungseigentumswerber mit der Genossenschaft vom Erstbeschwerdeführer festgestellt worden, daß er trotz zwischenzeitig eingetretener Baupreissteigerungen weiterhin das Anbot unter der Bedingung aufrecht erhalte, daß keine weiteren Preissteigerungen zu erwarten seien und mit einem positiven Baubescheid bis zum Frühjahr 1980 gerechnet werden könne. Die Genossenschaft habe dann in dieser Sitzung das Anbot unter der Bedingung angenommen, daß die Baugenehmigung innerhalb der nächsten sechs Monate erteilt werde. Dies sei dann tatsächlich am 12. März 1980 erfolgt.

Die rechtswirksame Annahme sei sohin erst im März 1980 erfolgt. Erst in diesem Zeitpunkt sei daher der Erwerb der Eigentumswohnung rechtswirksam geworden. Dieser Monat wäre daher als Zeitpunkt für den allfälligen Beginn der Acht-Jahresfrist zur Begründung von Wohnungseigentum anzusehen.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte darüber hinaus vor, daß sie nicht von einem allenfalls grunderwerbsteuerpflichtigen Vertrag, sondern von einem Anbot zurückgetreten sei. Eine Willenseinigung zwischen der Zweitbeschwerdeführerin und der Genossenschaft habe mangels Annahme durch diese zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen. Mangels Vorliegens eines grunderwerbsteuerlichen Vorgangs habe die Acht-Jahresfrist für die Zweitbeschwerdeführerin nicht zu laufen begonnen. Es liege daher ihrerseits auch keine Aufgabe des begünstigten Zweckes vor.

Mit getrennt ausgefertigten Berufungsvorentscheidungen vom 11. Dezember 1990 wies das Finanzamt die Berufungen als unbegründet ab und führte aus, daß auf Grund des Anbots vom 15. März 1977 die Beschwerdeführer den Anspruch auf Übereignung der Wohnung Top Nr. 5 erworben hätten. Die Pflicht zur Entrichtung der Grunderwerbsteuer knüpfe an das Verpflichtungsgeschäft und nicht erst an das Erfüllungsgeschäft an. Der Einwand, die Steuerpflicht sei durch das Vorliegen einer aufschiebenden Bedingung nicht bzw. erst mit Eintritt der Bedingung am 12. März 1980 entstanden, könne der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen, spreche doch der Wortlaut und der Inhalt des Anbotes dagegen. Die Baubewilligung vom 12. März 1980 sei daher nicht maßgebend. Der Wohnungseigentumsvertrag sei im Juni 1987 abgeschlossen worden. Da die beschwerdeführenden Parteien nicht innerhalb der gesetzlichen Acht-Jahresfrist Wohnungseigentum begründet hätten, sei gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 die Nachversteuerung zu Recht erfolgt.

In dem an die Zweitbeschwerdeführerin ergangenen Bescheid hat das Finanzamt weiters darauf hingewiesen, daß gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG 1955 der begünstigte Zweck dieser Befreiungsbestimmung dann erfüllt sei, wenn der Erwerber selbst Wohnungseigentum begründet habe. Diese Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung der genannten Begünstigung sei im vorliegenden Fall durch die Rückgängigmachung nicht erfüllt worden.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgbenbehörde zweiter Instanz wiederholte der Erstbeschwerdeführer im wesentlichen sein Berufungsvorbringen und legte darüber hinaus ein Schreiben der Genossenschaft vom 8. Oktober 1984, die Beitrittserklärung vom 9. Oktober 1984 sowie einen Auszug aus der Satzung der Genossenschaft und das Schreiben der Genossenschaft vom 30. Mai 1990 an

Dipl.Ing. Klaus K. ... jeweils in Kopie vor. Aus diesen sei

nach Ansicht des Erstbeschwerdeführers ersichtlich, daß der Erwerb von Eigentumswohnungen von der Genossenschaft an die Mitgliedschaft bei dieser gebunden sei. Die Mitgliedschaft sei von ihm über Aufforderung der Genossenschaft erst im Oktober 1984 durch Beitrittserklärung und anschließende Beschlußfassung durch den Vorstand der Genossenschaft erworben worden. Erst danach und auf Basis dieser Mitgliedschaft sei der Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag im Juni 1987 abgeschlossen worden. Die Willenseinigung über den Erwerb der Eigentumswohnung im Jahre 1980 könne daher nur als Vorvertrag, nicht jedoch als Verpflichtungsgeschäft im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes qualifiziert werden.

Auch die Zweitbeschwerdeführerin wiederholte im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz im wesentlichen ihr Berufungsvorbringen.

Mit getrennt ausgefertigten Berufungsentscheidungen wies die belangte Behörde die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien als unbegründet ab und vertrat in den im wesentlichen gleichlautenden Entscheidungsgründen die Auffassung, daß ein grunderwerbsteuerpflichtiges Rechtsgeschäft immer schon dann gegeben sei, wenn der Vertrag so beschaffen sei, daß er die Durchsetzung eines Übereignungsanspruches im Rechtsweg ermögliche. Dazu genüge es, wenn sich die Parteien über den Kaufgegenstand und den Kaufpeis geeinigt hätten. Diese Voraussetzungen seien im Berufungsfall durchaus gegeben: Denn die Vereinbarung enthalte eine ausdrückliche Zahlungsverpflichtung der Wohnungswerber für den Erwerb einer bestimmt bezeichneten Wohnung, eine Ablehnungserklärung gemäß § 25 des Anbotes sei nie abgefertigt und die in § 9 des Anbotes festgelegten Zahlungstermine von den Käufern eingehalten worden. Das Anbot sei somit angenommen worden, die Willenseinigung sei erfolgt.

Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges sei vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht worden, könne aus verschiedenen Gründen nicht gefolgt werden. So sei die Weitergeltung des zunächst gültig in Kraft gesetzten Rechtsgeschäftes von einem ungewissen künftigen Ereignis, dessen Nichteintritt sich auf Grund rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen auf die Wirksamkeit des Anbotes auswirken sollte (Anbot gelte als nicht angenommen bei Versagen der Wohnbauförderung), abhängig gemacht worden. Dieser auf freier Parteienautonomie beruhende Automatismus der Wirkungen des Bedingungseintrittes stelle keine aufschiebende, sondern eine auflösende Bedingung dar.

Für das Vorliegen eines auflösend bedingten Rechtsgeschäftes sei es charakteristisch, daß das bedingte Rechtsgeschäft wie ein unbedingtes zunächst alle Wirkungen entfalte und die gewollte Rechtsänderung eintrete. Genau dies entspreche im Berufungsfall dem Willen der Vertragsparteien. Nach § 9 des Anbotes seien die Eigenmittel innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Inkrafttreten des Anbotes zu bezahlen gewesen. Diese Zahlungen seien laut der beigebrachten Belege im Februar und Juni 1977 tatsächlich erfolgt. Weiters sei die erforderliche Zusicherung der Wohnbauförderung keine Genehmigung einer Behörde, die für das Zustandekommen des begünstigten Rechtsgeschäftes notwendig gewesen sei, da ohne diese Zusicherung das Rechtsgeschäft nicht etwa rechtsunwirksam oder mit Nichtigkeit bedroht gewesen wäre. Es stünden somit dem Eintritt der Steuerschuld zum Zeitpunkt der Anbotstellung keine Gründe entgegen.

Gegen diese Bescheide richtet sich die von den beschwerdeführenden Parteien in einem Schriftsatz eingebrachte Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten auf Grunderwerbsteuerfreiheit - die Zweitbeschwerdeführerin auch auf Beachtung der Verjährung - und auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren verletzt.

Die belangte Behörde beantragte in getrennt ausgefertigten Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Erstbeschwerdeführer erstattete eine "Replik".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987 sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden.

Gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG 1955 unterliegen der Grunderwerbsteuer bestimmte Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen. Darunter fällt laut Z. 1 der zitierten Gesetzesstelle ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet.

Gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG 1955 entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist.

Gemäß § 16 Abs. 2 GrEStG 1955 entsteht die Steuerschuld mit dem Eintritt der Bedingung oder mit der Genehmigung, wenn die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig ist.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG 1955 ist von der Besteuerung beim Wohnungseigentum der erste Erwerb eines Anteiles eines Grundstückes, auf dem eine in lit. a genannte Vereinigung oder gemeinnütziger Bauträger ein Wohnhaus geschaffen (i.d.F. des Abgabenänderungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 557/1985, ergänzt durch: oder zu schaffen) hat, durch eine Person, die den Grundstücksanteil zur Begründung von Wohnungseigentum erwirbt, ausgenommen.

Gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 i.d.F. BGBl. Nr. 557/1985 unterliegt der im § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b bezeichnete Erwerbsvorgang mit dem Ablauf von acht Jahren der Steuer, wenn das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb dieses Zeitraumes zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist. Gemäß dem dritten Satz dieser Bestimmung unterliegen die im Abs. 1 Z. 1 bis 4 und Z. 7 bezeichneten Erwerbsvorgänge der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wird.

Die durch das Abgabenänderungsgesetz 1985, BGBl. Nr. 557/1985, geänderte Fassung des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG 1955 ist nach dessen Artikel II Z. 1 des Abschnittes VIII auf alle Vorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1979 verwirklicht wurden.

Entscheidend dafür, ob § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b und Abs. 2 GrStG 1955 in der Fassung vor dem Abgabenänderungsgesetz 1985, BGBl. Nr. 557, oder in der Fassung dieses Abgabenänderungsgesetzes anzuwenden ist, ist der Zeitpunkt, zu dem der steuerpflichtige Erwerbsvorgang verwirklicht, d.h. hier zu dem der Kaufvertrag durch Annahme eines Anbotes abgeschlossen wurde.

Die belangte Behörde erachtet, daß "dem Eintritt der Steuerschuld zum Zeitpunkt der Angebotstellung" - das Anbot wurde von den Beschwerdeführern unter dem 15. März 1977 gefertigt - "keine im § 8 Abs. 2 GrStG 1987 aufgezählten Gründe" entgegenstehen. Die Vereinbarung "enthält eine ausdrückliche Zahlungsverpflichtung der Wohnungswerber für den Erwerb einer bestimmt bezeichneten Wohnung; eine Ablehnungserklärung gemäß § 25 des Anbotes wurde nie abgefertigt und die im § 9 festgelegten Zahlungstermine von den Käufern eingehalten. Das Anbot war somit angenommen, die Willenseinigung erfolgt".

Die belangte Behörde unterließ es aber, sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinanderzusetzen und nach einer Beweisaufnahme über dessen Richtigkeit oder Unrichtigkeit überprüfbare Feststellungen zu treffen. So fehlen insbesondere Feststellungen darüber, ob das Anbot der Beschwerdeführer vom 15. März 1977 entsprechend seinem § 25 durch die Genossenschaft angenommen oder noch vor dem 30. März 1977 mit welchem Inhalt modifiziert wurde; weiters ob, wann und wodurch die Zweitbeschwerdeführerin das Anbot mit Zustimmung der Genossenschaft zurückgenommen hat; sowie endlich ob und wodurch erst im April 1980 mit dem Erstbeschwerdeführer das Verpflichtungsgeschäft zustandegekommen ist. In diesem Zusammenhang muß vermerkt werden, daß dem vorgelegten Akt des abgabenbehördlichen Verfahrens der Inhalt des Kaufvertrages vom 5. Juni 1987, des Wohnungseigentumsvertrages und der Anfragebeantwortung der Genossenschaft vom 12. Dezember 1988 nicht zu ersehen ist.

Der Anregung der Beschwerdeführer, dem Verfassungsgerichtshof Teile des § 208 Abs. 2 BAO zur Prüfung auf deren Verfassungsmäßigkeit vorzulegen, ist nicht näherzutreten, da es an Feststellungen mangelt, die die Präjudizialität begründen.

Die angefochtenen Bescheide sind wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Von einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992160007.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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