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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der X-Werbung in M, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 28. Juni 1990, Zl. I-2-5/1990, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Y, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Dezember 1989 wurde der Beschwerdeführerin die beantragte Bewilligung zur Errichtung einer Plakatanschlagtafel mit den Ausmaßen von 3,70 m x 2,70 m auf GP 1625/7, KG Y, versagt. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung vom 21. April 1990 abgewiesen, der dagegen eingebrachten Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, aus einem von der mitbeteiligten Gemeinde eingeholten Gutachten gehe hervor, daß durch die beantragte Privatanschlagtafel wesentliche orts- und landschaftsbildliche Störwirkungen zu erwarten seien. Gemäß § 17 Abs. 1 des Baugesetzes sei daher die beantragte Baubewilligung mit Recht versagt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgebende Vorschrift des § 17 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, lautet:
"Ankündigungen und Werbeanlagen jeder Art einschließlich Schaukästen und Beleuchtungen dürfen nur mit Bewilligung der Behörde angebracht werden. Die Bewilligung ist zu versagen, wenn das Landschafts- und Ortsbild oder Interessen des Verkehrs beeinträchtigt oder unzumutbare Belästigungen verursacht werden. Wenn solche Gründe für eine Versagung nicht vorliegen, ist die Bewilligung zu erteilen."
Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1980, Slg. NF Nr. 10067/A, setzt die Anwendung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "Beeinträchtigung" des Ortsbildes im § 17 des Vorarlberger Baugesetzes eine in den Bereich der Rechtsanwendung fallende Wertung auf Grund eines bestimmt festzustellenden Sachverhaltes voraus, es sei also eine gemischte Rechts- und Sachfrage. Insofern müsse auch das Gutachten des Sachverständigen nicht nur reine Sachverhaltsermittlungen, sondern bereits derartige Wertungen enthalten. Damit die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts entsprechend ihrer Verpflichtung diese Schlüsse nachvollziehen können, bedürfe es allerdings der detaillierten Wiedergabe des konkreten Sachverhaltes, aus dem der Sachverständige sein Gutachten schöpfe (Befund). Beschränke sich dieser Befund auf ganz wenige Angaben, aus denen für das Ortsbild überhaupt nichts abgeleitet werden kann, führe dies zu einer Verletzung von Verfahrensvorschriften. In seinem Erkenntnis vom 16. Oktober 1986, Zl. 85/06/0167, hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, daß bei der Frage, ob eine Werbetafel das Ortsbild beeinträchtigt, nicht vom Ortsbild schlechthin auszugehen sei, sondern von der baulichen Maßnahme und ihrer näheren Umgebung. Das Ortsbild ergebe sich aus dem Gesamteindruck der verschiedenen Objekte im örtlichen Zusammenhang. Selbst das Vorhandensein einzelner störender Objekte könne nicht dazu führen, daß ein weiterer Eingriff in das Ortsbild nicht mehr als störend angesehen werden könne, sobald überhaupt noch ein schutzwürdiges vorhanden ist; vorausgesetzt ist andererseits, daß unter Berücksichtigung bereits vorhandener Störwirkungen eine merkbare (zusätzliche) Störung des Ortsbildes in Betracht kommt (vgl. das Erkenntnis vom 9. April 1992, Zl. 91/06/0153).
Im Kern des gegenständlichen Verfahrens steht somit die Frage, ob die belangte Behörde unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens und den Darlegungen der Beschwerdeführerin zu Recht von einer erheblichen Störung des Orts- und Landschaftsbildes ausgehen konnte. Im Gutachten des Amtssachverständigen für Raumplanung und Baugestaltung vom 5. September 1989 wurde lediglich ausgeführt, die Plakatanschlagtafel solle auf der bestehenden Stützmauer (GP 1625/7, KG Y) entlang der S-Straße angebracht werden und habe ein Ausmaß von 3,70 m x 2,70 m. Die orts- und landschaftsbildliche Situation sei in diesem Bereich vor allem geprägt durch die maßstäbliche Häusergruppe mit Satteldächern entlang der S-Straße sowie durch den südseitig der Straße gelegenen Freiflächenbereich. Es handle sich hier um einen noch weitgehend intakten und qualitätsvollen Ortsbereich mit charakteristischen Sichtbeziehungen. Die Tafel selbst sei von verschiedenen Sichtpunkten, vor allem jedoch von Süden her sehr gut einsehbar. Sie trete in der gegebenen Lage als ein überproportional großes und besonders auffallendes Signalelement in Erscheinung, das sowohl den Vorgartenbereich samt Stützmauer als auch die gesamte Umgebung gestalterisch "verunklärt". Durch die Plakatanschlagtafel seien hier daher nach Auffassung des Unterzeichneten wesentliche orts- und landschaftsbildliche Störwirkungen zu erwarten.
In ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten brachte die Beschwerdeführerin vor, die S-Straße, an der die gegenständliche Tafel aufgestellt werden solle, erschließe das riesige Schigebiet C. Da der Amtssachverständige den Augenschein im August 1989 genommen habe, habe es ihm nicht auffallen können, daß es sich hier um eine unruhige, vielbefahrene Straße handle. Ebenso sei ihm die Tatsache verschlossen geblieben, daß es sich bei dem südseitig zur Straße gelegenen Freibereich um die Auf- und Abfahrt des vielfrequentierten P-Liftes handle. Auf diesem sogenannten "Freibereich" liege auch die mit Werbeflächen übersäte Talstation des P-Liftes. Die großflächigen Reklameschilder an dieser Talstation schienen dem Sachverständigen völlig entgangen zu sein - er gehe mit keinem Wort auf sie ein. Da die Werbeanlage an der Stützmauer unterhalb des Vorgartens angebracht werden solle, könne es auch hiedurch zu keiner "Verunklärung" kommen. Die Tafel selbst trete optisch stark zurück, da sie parallel zur Straße aufgestellt werden solle. Sie sei von der Südseite sehr gut, aber für den Passanten nur relativ kurz einsehbar, da sich hier neben der Straße (vor der "Freifläche") eine starke Böschung befinde. Aus diesen Gründen könne von einer wesentlichen orts- und landschaftsbildenden Wirkung hier keine Rede sein.
Zu diesen Behauptungen wurde weder der Sachverständige ergänzend vernommen noch haben sich die Verwaltungsbehörden damit meritorisch auseinandergesetzt, dies obwohl die Fragen sowohl in der Berufung als auch in der Vorstellung releviert wurden, sodaß das Verfahren auf Gemeindeebene ergänzungsbedürftig geblieben ist (vgl. hiezu auch das eine anschließende Plakattafel betreffende Erkenntnis vom 22. September 1992, Zl. 89/06/0086). Dadurch, daß die belangte Behörde dies nicht erkannt hat, belastete sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Aus verwaltungsökonomischen Gründen wird aber noch darauf hingewiesen, daß es für die hier zu beurteilende Frage nicht darauf ankommen kann, daß das Ortsbild zu einer bestimmten Jahreszeit (hier im Winter) weniger oder nicht gestört wird, da eine Beeinträchtigung des Ortsbildes während des gesamten Jahres zu vermeiden ist. In diesem Zusammenhang wird es aber auch von Bedeutung sein, ob die von der Beschwerdeführerin angesprochenen "großflächigen Reklameschilder" bei der Talstation des Lifts während des gesamten Jahres oder nur zur Schisaison vorhanden sind und inwieweit nach den tatsächlichen Gegebenheiten diese in ein einheitliches Ortsbild einzubeziehen sind, wofür jeglicher Befund des Sachverständigen fehlt.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 in Verbindung mit Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild LandschaftsbildEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990060107.X00Im RIS seit
20.11.2000