TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/17 91/16/0135

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Veröffentlicht am 17.12.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;
27/04 Sonstige Rechtspflege;

Norm

B-VG Art132;
GEG §14;
GEG §7;
GEG §9 Abs1;
GGG 1984 §2 Z1 litc;
GGG 1984 §31;
VwGG §27;
VwGG §36 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Stundung von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG (in der Fassung des Art. I Z. 11 des Bundesgesetzes vom 6. Juni 1990, BGBl. Nr. 330) wird der Antrag des Beschwerdeführers vom 4. Juni 1991, "ihm die ratenweise Entrichtung der im Rechtsstreit 6 Cg 177/90 des Landesgerichtes FELDKIRCH geschuldeten Pauschalgebühr nach TP. 3 GGG. im Betrage von S 5.000,-- (Schilling fünftausend) in fünf gleichen Monatsraten, zahlbar am 1. August 1991, 1. September 1991, 1. Oktober 1991, 1. November 1991 und 1. Dezember 1991, zu bewilligen." zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren (S 30,--) wird abgewiesen.

Begründung

Aus den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich - im wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Vorbringen beider Parteien des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - insbesondere folgendes:

Der Beschwerdeführer hatte gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 5. April 1991, AZ 4 R 353/90, mit dem u.a. die Berufung des Beschwerdeführers als klagende Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 27. September 1990, GZ 6 Cg 177/90-8, keine Folge gegeben und die ordentliche Revision nach § 502 Abs. 1 ZPO zugelassen worden war, mit dem am 3. Juni 1991 zur Post gegebenen und am 4. Juni 1991 beim Landesgericht Feldkirch eingelangten Schriftsatz Revision erhoben. Am Schluß dieses Schriftsatzes hatte der Beschwerdeführer ausgeführt:

"Was die Revisionsgebühr anbetrifft, so wird der Revisionswerber persönlich beim zuständigen Gericht einen Ratenzahlungsantrag einbringen. Im Hinblick auf seine Haftsituation wird ihm dieser Antrag jedenfalls zu bewilligen sein."

Der im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichnete, an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck (in der Folge: belangte Behörde) gerichtete Antrag des Beschwerdeführers vom 4. Juni 1991 war am 14. Juni 1991 beim Oberlandesgericht Innsbruck eingelangt. Über diesen Antrag wurde bisher nicht entschieden.

Abgesehen von dem - mit Bescheid des Revisors beim Landesgericht Feldkirch vom 29. Jänner 1992 aufgehobenen - gegenüber dem Vertreter des Beschwerdeführers am 2. Dezember 1991 erlassenen Zahlungsauftrag des Kostenbeamten des Landesgerichtes Feldkirch vom 28. November 1991, VZ 27/91, wurde bisher für die erwähnte Pauschalgebühr nach TP 3 des gemäß § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs gegenüber dem Beschwerdeführer weder eine Zahlungsaufforderung noch ein Zahlungsauftrag erlassen.

Da die belangte Behörde über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag vom 4. Juni 1991 nicht binnen sechs Monaten entschied, brachte er die vorliegende, am 17. Dezember 1991 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG ein.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Dezember 1991 wurde es darauf der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG freigestellt, statt der Einbringung einer Gegenschrift innerhalb der hiefür bestimmten Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen.

Die belangte Behörde machte jedoch von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch. Am 23. März 1991 langte beim Verwaltungsgerichtshof die von ihr erstattete Gegenschrift mit den betreffenden Gerichts- und Verwaltungsakten ein. In dieser Gegenschrift beantragt sie, die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unbegründet zurückzuweisen, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, dem Antrag des Beschwerdeführers sei vollinhaltlich Rechnung getragen worden, er sei nämlich faktisch in den Genuß der von ihm gewünschten Zahlungserleichterungen gekommen, und somit bestehe keine Verpflichtung mehr, über den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid abzusprechen.

Auf Grund dieses Vorbringens der belangten Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof die Berechtigung des Beschwerdeführers zur Erhebung der vorliegenden Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG geprüft und sie aus folgenden Erwägungen bejaht:

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Auch jede Partei eines Gerichtsgebühren betreffenden Verwaltungsverfahrens hat Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Berichtigungsantrag oder ein anderer Antrag eingebracht ist (siehe z.B. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes je vom 8. September 1988, Zl. 88/16/0114, und Zl. 88/16/0120, und vom 25. Juni 1992, Zl. 92/16/0045). Dieser Anspruch ist auch dann gegeben, wenn die Voraussetzung für die Zurückweisung des Berichtigungsantrages oder des anderen Antrages vorliegen. In diesem Fall hat sie jedenfalls seit dem Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Zlen 934 und 1273/73, Slg. Nr. 9458/A, in dessen Sinn den Anspruch auf Erlassung eines Bescheides betreffend die Zurückweisung ihres Berichtigungsantrages oder des betreffenden anderen Antrages.

Wenn die belangte Behörde für ihren Standpunkt, die vorliegende Beschwerde wäre zurückzuweisen, auf Dolp-Dolp, Die Verwaltungsbarkeit3, Wien 1987, S. 221, und den dort zitierten Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1982, Zl. 82/01/0142, verweist, dann scheint sie nicht nur zu übersehen, daß als Abs. 3 dieser Seite der wesentliche Rechtssatz des vorstehend zitierten Beschlusses eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes steht, sondern auch den dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1982 zugrunde gelegenen wesentlichen Sachverhalt. In dem damaligen Säumnisbeschwerdefall war die damals belangte Behörde nämlich NICHT BLOß UNTÄTIG GEBLIEBEN, sondern sie hatte dem Antrag des damaligen Beschwerdeführers vom 2. November 1981 auf Auszahlung des Fahrtkostenersatzes dadurch entsprochen, daß sie den jeweils fällig werdenden Pauschalbetrag in der gebührenden Höhe auf das Konto des Beschwerdeführers überwiesen hatte. In gleicher Weise scheint die belangte Behörde auch den Inhalt der von ihr zitierten Kommentarstellen (Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, I. Band, Wien 1953, S. 451 f, und Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Wien 1991, Rz 635, S. 261/6.) zu übersehen bzw. zu verkennen.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird zu der (in Klammer) gemachten Bemerkung der belangten Behörde in der von ihr erstatteten Gegenschrift, sie habe dem Leiter der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Innsbruck ihre Befugnis gemäß § 9 Abs. 1 dritter Satz GEG 1962 übertragen, festgehalten, daß damit der Präsident des Oberlandesgerichtes als monokratische Behörde seine Zuständigkeit nicht einer "UNTERbehörde", sondern bei unveränderter Verantwortlichkeit einer STELLE seiner eigenen Behörde übertrug. Zur Stellung und Funktion der Einbringungsstelle hat der Verwaltungsgerichtshof z. B. bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zl. 88/16/0029, ÖStZB 23/1988, S. 532, auf die Bestimmungen der §§ 219 ff GeO verwiesen.

Da der versäumte Bescheid von der belangten Behörde innerhalb der ihr gemäß dem § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist nicht erlassen wurde, ging die Zuständigkeit zur Entscheidung über den hier in Rede stehenden Antrag des Beschwerdeführers vom 4. Juni 1991 auf den Verwaltungsgerichtshof über.

Auf Grund der eingangs erfolgten - schon für die Prüfung der Beschwerdelegitimation erforderlich gewesenen - Darstellung des sowohl dem Beschwerdeführer als auch der belangten Behörde bekannten Sachverhaltes, dessen rechtliche Beurteilung zwischen diesen Parteien allein strittig ist, bedurfte es keiner weiteren Ermittlungen, zu deren Ergebnis Parteiengehör zu gewähren gewesen wäre.

Daher hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß dem § 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG (in der zitierten Fassung) in der Sache selbst erwogen:

Gemäß § 2 Z. 1 lit. c GGG wird der Anspruch des Bundes hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet.

Von der vorherigen Erlassung einer Zahlungsaufforderung wäre nur in den Fällen abzusehen, in denen mit einer Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit des Gebühren- oder Kostenschuldners gerechnet werden kann (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1989, Zl. 88/16/0013, ÖStZB 23/24/1989, S. 478, mit weiterem Hinweis).

Auch zu § 31 GGG (in der Fassung durch Art. I des Bundesgesetzes vom 5. Juni 1987, BGBl. Nr. 292, also in der Fassung vor dem - für den vorliegenden Fall keine wesentliche Änderung bewirkenden - Art. XXXVI Z. 5 WGN 1989, BGBl. Nr. 343) hat der Verwaltungsgerichtshof (siehe z.B. sein Erkenntnis vom 20. April 1989, Zl. 88/16/0227, ÖStZB 23/24/1989, S. 480, mit weiterem Hinweis) dargetan, daß als "fehlend" eine Gebühr nur dann angesehen werden kann, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Erhebung, das ist im Zeitpunkt der Erlassung des Zahlungsauftrages, noch aushaftet. Wurde die Gebühr vor diesem Zeitpunkt entrichtet, ist eine Erhöhung auch dann unzulässig, wenn die Gebühr verspätet oder auf Grund einer Zahlungsaufforderung entrichtet wurde.

Ausgehend von dieser Rechtslage zeigt der oben dargestellte - im wesentlichen unbestrittene - Sachverhalt, daß der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem von ihm gestellten Antrag vom 4. Juni 1991 kein Rechtsschutzbedürfnis mehr hat, was die Unzulässigkeit der Sachentscheidung im Verwaltungsverfahren bewirkt (vgl. z.B. Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts2, Wien 1990, Rz 739). Im Sinne des vorstehend zitierten Beschlusses eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschwerdeführer aber einen Anspruch auf Zurückweisung dieses Antrages durch die Behörde und, wenn diese untätig bleibt, nach Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes auf "Sachentscheidung über seine Säumnisbeschwerde".

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Vorlage einer weiteren - offensichtlich für die belangte Behörde gedacht gewesenen - Ablichtung des Antrages vom 4. Juni 1991 war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich.

Schlagworte

Anspruch auf Sachentscheidung Besondere Rechtsgebiete Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991160135.X00

Im RIS seit

25.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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