TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/17 92/06/0148

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Veröffentlicht am 17.12.1992
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;

Norm

BauO Stmk 1857 §154;
BauO Stmk 1968 §66;
BauO Stmk 1968 §70a;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 5. Juni 1992, Zl. 03 - 12 Wi 50 -92/23, betreffend einen Beseitigungsantrag gemäß § 70a der Steiermärkischen Bauordnung (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister, 2. H-GmbH), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 11.960,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. Juni 1992 hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Gemeinde vom 3. Dezember 1991 als unbegründet abgewiesen.

Diesem Verwaltungsverfahren lag - nach der Begründung des angefochtenen Bescheides - ein Antrag der Beschwerdeführerin vom 29. Jänner 1991 zugrunde, mit welchem sie die Beseitigung vorschriftswidriger Bauten der zweitmitbeteiligten Partei auf dem Grundstück Nr. 38 der KG S, die ohne Einhaltung der gesetzlichen Mindestabstände errichtet worden seien, angestrebt habe. Diesem Antrag sei (so die Begründung des angefochtenen Bescheides) mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Marktgemeinde vom 11. Februar 1991 keine Folge gegeben und die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Gemeinderates vom 9. April 1991 abgewiesen worden. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobenen Vorstellung habe die belangte Behörde mit Bescheid vom 24. Mai 1991 den Bescheid des Gemeinderates wegen Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat verwiesen. In der Begründung dieses Bescheides sei ausgeführt worden, daß die Gemeindebehörden den Antrag der Beschwerdeführerin nicht zur Gänze erledigt hätten, da sich dieser nicht nur auf die "gegenständliche Holzlage", sondern auch auf einen vor dem bestehenden Objekt straßenseitig auf Kellerniveau errichteten länglichen Baukörper bezogen hätten.

In der Folge sei mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Marktgemeinde vom 6. August 1991 dieser längliche Baukörper bewilligt worden, wobei die gegen diesen Bescheid erhobenen Rechtsmittel der Beschwerdeführerin erfolglos geblieben seien.

Hinsichtlich der Holzlage sei anläßlich einer Berufungsverhandlung vom 26. August 1991 festgestellt worden, daß den Bauwerbern (der zweitmitbeteiligten Partei) mit Bescheid vom 29. März 1965 die Baubewilligung für die Errichtung einer massiven Holzlage an der Grundgrenze erteilt worden sei. Laut Aussage "des Bauwerbers" sei mit dem Fundament dieser Holzlage innerhalb der vorgeschriebenen dreijährigen Frist begonnen worden, die Fertigstellung sei jedoch erst im Jahre 1971 erfolgt und es habe im Jahre 1981 die "Endkollaudierung" stattgefunden. Die Errichtung der zweiten Holzlage sei mit Bescheid des Bürgermeisters vom 15. April 1969 bewilligt worden.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 3. Dezember 1991 sei der Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich keine Folge gegeben und in der Begründung dieses Bescheides im wesentlichen der Aussage des Bauwerbers gefolgt worden, daß der tatsächliche Baubeginn nicht eruierbar sei und die Aussagen des Bauwerbers von der Beschwerdeführerin auch nicht eindeutig hätten widerlegt werden können.

Aufgrund der Vorstellung der Beschwerdeführerin sei im (neuerlichen) Vorstellungsverfahren nur mehr zu prüfen gewesen, wann die beiden Holzlagen bewilligt bzw. errichtet worden seien. In diesem Zusammenhang stünden einander die Aussagen des Grundstückseigentümers und jene der Beschwerdeführerin gegenüber. Laut Aussage des Grundstückseigentümers sei mit der Errichtung jener Holzlage, welche mit Bescheid des Bürgermeisters vom 29. März 1965 bewilligt worden sei, innerhalb der vorgeschriebenen Dreijahresfrist begonnen - Errichtung des Fundamentes - und diese Holzlage im Jahre 1978 fertiggestellt worden. Die Errichtung der zweiten Holzlage sei mit Bescheid vom 15. April 1969 bewilligt worden. Laut Aussage der Beschwerdeführerin sei mit Bescheid vom 29. März 1965 eine Holzlage bewilligt worden, welche jedoch an einer anderen Stelle zur Ausführung gelangt sei und im Rahmen des "Kollaudierungsverfahrens" mit Bescheid vom 15. April 1969 nachträglich bewilligt worden sei. Erst zu einem späteren Zeitpunkt, jedenfalls nach Ablauf der vorgeschriebenen Dreijahresfrist sei eine weitere Holzlage ohne behördliche Bewilligung an der ursprünglich beabsichtigten Stelle errichtet worden.

Die Berufungsbehörde habe ihrer Entscheidung die Feststellung zugrundegelegt, daß zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr eruierbar sei, wann mit dem Bau der gegenständlichen Holzlage tatsächlich begonnen worden sei. Nach allgemeinen Darlegungen zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung schließt sich die belangte Behörde dieser Auffassung der Berufungsbehörde an, und führt in der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides dazu aus, daß das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Foto aus dem Frühjahr 1976 zwar beweise, daß zu dieser Zeit noch keine Holzlage errichtet gewesen sei; ob jedoch auch kein Fundament errichtet worden sei, sei aufgrund des Blickwinkels und der Schattenbildung nicht eindeutig feststellbar. Darüberhinaus sehe die Behörde in dem Umstand, daß der "Eigentümer" den auf der Holzlage errichteten Schauraum entfernt habe, ein Indiz dafür, daß er den gesetzmäßigen Zustand hergestellt habe und nur der Schauraum im Unterschied zur Holzlage ohne Bewilligung errichtet worden sei. Auch vermöge das Vorbringen, daß "der Grundstückseigentümer" im fraglichen Zeitraum nicht das gegenständliche Fundament, sondern die bescheidmäßig aufgetragene Regenwasserableitung errichtet habe, die belangte Behörde nicht zu überzeugen, da zu dieser Zeit die Beschwerdeführerin noch nicht einmal Eigentümerin der angrenzenden Liegenschaft gewesen sei und sie auch keine Zeugen für die Richtigkeit dieser Behauptung genannt habe. Es wäre auch einem Schreiben des Bürgermeisters vom 7. September 1978 nur zu entnehmen, daß zu diesem Zeitpunkt die gegenständliche Holzlage nicht zur Ausführung gelangt sei, nicht jedoch, ob ein Fundament errichtet worden sei. Schließlich werde zu den einzelnen Verweisen "auf die stattgefundenen Kollaudierungsverhandlungen" hingewiesen, daß der Mangel einer Benützungsbewilligung nicht im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens zu prüfen sei, da § 70a der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ausschließlich auf die Baubewilligung verweise. Abschließend werde darauf hingewiesen, daß im Berufungsverfahren kein Neuerungsverbot herrsche, sodaß vom Berufungswerber auch neue Tatsachen vorgebracht werden könnten. Wenn daher der Grundstückseigentümer anläßlich der Berufungsverhandlung vom 26. August 1991 erstmals vorgebracht habe, daß er das Fundament der gegenständlichen Holzhütte bereits im Jahr 1965 errichtet hätte, sei seitens der Behörde auf dieses Vorbringen einzugehen gewesen. Da das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht zu überzeugen vermocht habe, daß der Grundstückseigentümer mit der Errichtung der gegenständlichen Holzlage erst nach Ablauf der vorgeschriebenen dreijährigen Frist begonnen habe, sei davon auszugehen, daß sich auf dem gegenständlichen Grundstück keine konsenslos errichteten Bauten mehr befänden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligten Parteien haben keine Gegenschriften erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat ihren auf § 70a der Steiermärkischen Bauordnung gestützten Beseitigungsantrag betreffend die (zuletzt noch strittige) Holzlage im wesentlichen darauf gestützt, daß dafür eine (rechtswirksame) Baubewilligung nicht vorliege.

Soweit in der Beschwerde, wie schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht wird, daß die für diese Holzlage am 29. März 1965 erteilte Baubewilligung dadurch gleichsam konsumiert worden sei, daß die Holzlage an einer anderen Stelle zur Ausführung gelangt und dort mit Bescheid vom 15. April 1969 nachträglich bewilligt worden sei, zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf: Wenn dies zuträfe, dann wäre die Baubewilligung vom 29. März 1965 durch die Errichtung dieser (anderen) Holzlage gerade nicht konsumiert worden, sondern (zunächst) weiterhin als (mögliche) Grundlage der beabsichtigten Bauführung an der bewilligten Stelle aufrecht geblieben.

Auch ist nicht entscheidend, ob die Holzlage innerhalb der dreijährigen Baubeginnfrist des (auf Baubewilligungen vor Inkrafttreten der Steiermärkischen Bauordnung 1968 noch anwendbaren) § 154 der Bauordnung für das Herzogtum Steiermark mit Ausnahme der Landeshauptstadt Graz, Landes-Reg.Zl. 1857, II. Abt., IV. Stück, "gestanden" ist, sondern vielmehr nur, ob mit der Bauführung innerhalb dieses Zeitraumes begonnen wurde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Errichtung auch nur eines kleinen Teiles des Fundamentes als Baubeginn anzusehen sein, soweit dies der Herstellung der bewilligten baulichen Anlage dient (vgl. die Erkenntnisse vom 31. Jänner 1979, Slg. Nr. 9754/A, und vom 11. Dezember 1980, Zl. 1040/80).

Es erweist sich aber das Beschwerdevorbringen, die von der belangten Behörde getroffenen Tatsachenfeststellungen seien nicht schlüssig begründet, im Ergebnis als berechtigt: Die belangte Behörde stellt in der Begründung des angefochtenen Bescheides nämlich einerseits fest, daß "heute nicht mehr eruierbar ist, ob der Eigentümer des gegenständlichen Objektes mit der Errichtung innerhalb der vorgeschriebenen dreijährigen Frist begonnen hat", nimmt aber andererseits als erwiesen an, daß innerhalb dieser Frist durch die Errichtung der Fundamente solche Baumaßnahmen gesetzt wurden. Abgesehen davon, daß zwischen diesen beiden Feststellungen ein Widerspruch besteht, hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang weder festgestellt, wann die Rechtskraft des Bescheides vom 29. März 1965 tatsächlich eingetreten ist (sodaß Beginn und Ende der Dreijahresfrist nicht feststehen), noch, zu welchem Zeitpunkt mit den von der belangten Behörde offenbar als erwiesen angenommenen Baumaßnahmen begonnen wurde. Es kann daher anhand der Begründung des angefochtenen Bescheides die Schlußfolgerung der belangten Behörde, daß die zur Wahrung der Baubeginnfrist erforderlichen Bauarbeiten rechtzeitig begonnen hätten, nicht nachvollzogen werden. Ergänzend sei auch darauf hingewiesen, daß eine Beweislastverteilungsregel des Inhaltes, die Beschwerdeführerin hätte die Angaben der Grundstückseigentümer zu widerlegen, andernfalls von diesen Angaben auszugehen sei, dem Gesetz nicht entnommen werden kann. Sollte daher im fortgesetzten Verfahren nicht feststellbar sein, wann mit den Fundamentierungsarbeiten begonnen worden ist, so könnte im Hinblick darauf, daß das strittige Bauwerk nach der Aktenlage erst viele Jahre später, keinesfalls aber bis 1971, vollendet worden ist, nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß im Sinne des zitierten Erkenntnisses vom 31. Jänner 1979, Slg. 9754/A, für die Wahrung der Baubeginnfrist relevante bauliche Maßnahmen noch innerhalb der Dreijahresfrist gesetzt worden sind.

Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt erweist sich daher in einem wesentlichen Punkt als ergänzungsbedürftig, sodaß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992060148.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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