TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/17 92/09/0235

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Veröffentlicht am 17.12.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des N in E, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. Mai 1992, Zl. OB 117-291670-003, betreffend Kriegsopferversorgung (Nichtzuerkennung einer Beschädigtenrente), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens waren bei dem im Jahr 1924 geborenen Beschwerdeführer auf seinen Antrag vom 29. September 1950 mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland (LIA) vom 30. Jänner 1951 auf Grund des Kriegsopferversorgungsgesetzes die Gesundheitsschädigungen

"1.

Weichteilstecksplitter der seitlichen Brustwand und Rückenseite rechts sowie im Bereich des linken Schulterblattes (mit geringen Funktionsbeschwerden),

2.

Belanglose Narben über dem linken Scheitelbein ohne nachweisbarer Knochenverletzung".

als Dienstbeschädigungen anerkannt worden; gleichzeitig war ausgesprochen worden, daß der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Beschädigtenrente habe, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen der anerkannten Dienstbeschädigungen weniger als 30 v.H. betrage.

In einem neuerlichen Antrag vom 27. Juli 1990 brachte der Beschwerdeführer vor, am 12. März 1945 sei er in der Nähe von Danzig von einer russischen Panzergranate schwer verwundet worden (Kopfverletzung, linker Zeigefinger, Durchschlagung beider Schulterblätter). Während eines Kuraufenthalts in Bad Schallerbach vom 7. bis 27. Juni 1990 seien beim Röntgen festgestellt worden: "Metalldichte Splitterverschattung in Deckung zur linken Schulter von etwa Linsengröße. Eine zweite stecknadelkopfgroße liegt in Höhe Th9 im linken lateralen Thoraxbereich. Eine weitere noch in Deckung zum rechten Zwerchfell zu erkennen". Vor allem habe der Schmerz im Bereich des Hinterkopfes unerträgliche Formen angenommen. Da sich sein Gesundheitszustand wesentlich verschlechtert habe, ersuche er um Zuerkennung der "Kriegsinvalidität". Diesem Antrag war ein ärztlicher Entlassungsbericht des Rehabilitations- und Kurzentrums A der BVA vom 28. Juni 1990 angeschlossen.

Das LIA holte daraufhin zu diesem Antrag einen Röntgenbefund von Dr. Neumann vom 5. Oktober 1990 und ärztliche Sachverständigengutachten des praktischen Arztes Dr. B sowie des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Universitätsprofessor Dr. K, jeweils vom 5. Oktober 1990, ein. Diesen Gutachten stimmte die leitende Ärztin zu.

Schließlich führte das LIA noch eine berufskundliche Beurteilung gemäß § 8 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957) durch.

Mit Bescheid des LIA vom 25. Februar 1991 wurden als Dienstbeschädigungen im Sinne des § 4 KOVG 1957

              1.              Stecksplitter in den Weichteilen der linken Schulter und des Rückens, reaktionslos eingeheilt (Pos. Nr. I/j/205, 0 v.H. MdE),

              2.              Mehrere Narben nach Splitterverletzungen und Splitterentfernungen im Bereiche des Rückens und des Hinterhauptes (Pos. Nr. IX/c/702, Tab.2.Z.li., 10 v.H. MdE), anerkannt, gleichzeitig wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Beschädigtenrente jedoch abgewiesen. Begründend verwies das LIA auf die von ihm eingeholten Gutachten sowie darauf, daß die MdE wegen der anerkannten Dienstbeschädigungen insgsamt weniger als 25 v.H. betrage.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, er vermisse im ärztlichen Sachverständigengutachten insbesondere seine Angaben über empfindliche Kopfschmerzen, die in den letzten Jahren immer ärger geworden seien, sodaß er zeitweilig nicht einmal imstande gewesen sei zu gehen; er leide auch unter Schlaflosigkeit. Er sei schon seit ca. 30 Jahren gezwungen, Schmerztabletten einzunehmen; dies könne seine Hausärztin Dr. L bestätigen. Im Mai 1990 seien seine Schmerzen unerträglich geworden, sodaß er nicht einmal imstande gewesen sei, das Bett aufzusuchen. Erst eine Behandlung in der Schmerzambulanz des AKH habe ihm nach und nach Linderung gebracht. Die Oberärztin an dieser Ambulanz, Dr. D, habe ihm erklärt, daß durch die Narben die Nervenstränge geteilt und die Schmerzen verstärkt würden; er beantrage, die genannte Oberärztin als Zeugin zu vernehmen. Das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten gehe auf den ärztlichen Entlassungsbericht des Rehabilitations- und Kurzentrums A nicht ein. Was die Feststellung im erstinstanzlichen Bescheid betreffe, wonach die anerkannte Dienstbeschädigung mangels eines praktischen Krankheitswertes nicht berufsbehindernd wirke, so verwahre er sich gegen diese seine Leiden verniedlichenden Worte; sie seien in dieser Form unzutreffend und beleidigend. Der Beschwerdeführer machte in seiner Berufung abschließend noch fünf Personen als Zeugen für seine Leidenszustände namhaft.

Seiner Berufung ließ der Beschwerdeführer - auf Ersuchen der belangten Behörde - eine Überweisung der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses Wiener Neustadt an die Schmerzambulanz der I. Chirurgischen Universitätsklinik Wien (vom 21. Juli 1988) sowie einen MRT-Befund der Halswirbelsäule des Rudolfinerhauses (Privatkrankenanstalt) vom 15. Juli 1988 folgen.

In der Folge legte der Beschwerdeführer noch ein Gutachten der ihn behandelten Ärztin Dr. L vom 21. Mai 1991 vor. In seinem Schreiben vom 17. September 1991 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei wegen seines Leidens (Kopfschmerzen, Migräne) bereits vor ca. 15 Jahren erfolglos von seiner Hausärztin und einem Neurologen in E behandelt worden. Sein letzter böser Migräneanfall sei in der Nacht vom

              16.              auf den 17. September 1991 erfolgt. Diesem Schreiben war ein EEG-Befund vom 12. September 1991 ("Zusammenfassung: EEG im Rahmen der Norm") angeschlossen.

Die belangte Behörde beauftragte daraufhin den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens. Dieser Sachverständige kam - nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers UND unter Berücksichtigung sämtlicher vom Beschwerdeführer vorgelegter ärztlicher Bescheinigungen - zu dem Ergebnis, daß vom nervenärztlichen Standpunkt keine Dienstbeschädigung bestehe. Als akausales Leiden stellte Dr. F beim Beschwerdeführer ein Halswirbelsyndrom mit radikulär ausstrahlenden Schmerzen in den Hinterkopf im Sinne einer Occipitalneuralgie bei entsprechendem objektiven Befund und Röntgenbefund fest.

Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren weiters noch ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. R ein, in welchem die Gesamt-MdE des Beschwerdeführers erneut mit 10 v.H. eingeschätzt wurde.

Die belangte Behörde führte auch eine neuerliche berufskundliche Beurteilung nach § 8 KOVG 1957 durch.

Der Beschwerdeführer erhielt im Rahmen des Parteiengehörs vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Kenntnis. Er bestritt in seiner (bei der belangten Behörde am 9. Jänner 1992 eingelangten) Stellungnahme die Richtigkeit des Gutachtens Dris. F; dieser hege eine gewisse Voreingenommenheit gegen seine Person und habe die in seiner Berufung angeführten Behelfe (Oberärztin Dr. D, Zeugen, etc.) völlig ignoriert. Auch das Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen entspreche insofern nicht der gebotenen Objektivität, als dieser die Tätigkeit eines leitenden hohen Beamten qualifiziere, ohne mit diesem Kontakt aufgenommen zu haben und ohne sich zu vergewissern, welche Materie bzw. Agenden in dessen Zuständigkeitsbereich und dienstlichen Wirkungskreis fallen. Seiner Auffassung nach sei eine "Kriegsinvalidität" im Sinne des § 7 in Verbindung mit § 8 KOVG 1957 gegeben.

Die belangte Behörde holte zu diesen Einwendungen des Beschwerdeführers zunächst eine Stellungnahme des Sachverständigen Dr. F ein, der zu dem Ergebnis kam, daß keine Änderung seines Gutachtens eintrete, weil das Schreiben des Beschwerdeführers keine objektiven Unterlagen, sondern nur dessen subjektive Meinung enthalte. Auch wurde von der belangten Behörde noch eine ergänzende Stellungnahme des berufskundlichen Sachverständigen eingeholt.

Seiner abschließenden Stellungnahme vom 16. März 1992 legte der Beschwerdeführer als Nachweis dafür, daß seine Kopfschmerzen auf die Kriegsverletzung zurückzuführen seien, ein ärztliches Attest der praktischen Ärztin Dr. L vom 2. März 1992 bei. Diese bestätigte darin, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1973 und 1982 wegen Cephalea in Behandlung gestanden und in dieser Zeit deshalb von ihr auch einer Akupunktur-Behandlung unterzogen worden sei; es sei aber wahrscheinlich, daß der Beschwerdeführer vorher medikamentös behandelt worden sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 25. Mai 1992 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte gemäß § 66 Abs. 4 AVG den erstinstanzlichen Bescheid.

Zur Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, sie habe zur Prüfung der Berufungsgründe ärztliche Sachverständigenbeweise durch den Facharzt für Chirurgie Dr. R und den Facharzt für Nervenkrankheiten Dr. F erstellen lassen, woraus sich folgende medizinische Beurteilung ergebe:

"Unter Berücksichtigung der aufliegenden Unterlagen (u.a. Schreiben der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses Wiener Neustadt, MRT-Befund der Halswirbelsäule, Befund des Rehabilitations- und Kurzentrums A, Befund der Hausärztin Dr. L) und der vorgenommenen Untersuchung ist als akausales Leiden ein Halswirbelsyndrom mit radikulär ausstrahlenden Schmerzen in den Hinterkopf im Sinne einer Occipitalneuralgie bei entsprechendem objektivem und röntgenologischem Befund, festzustellen.

Nach Angaben des Berufungswerbers (BW) sind in letzter Zeit Migräneanfälle aufgetreten, für welche es keine objektiven Unterlagen gibt, jedoch in keinem Zusammenhang mit dem Kriegsleiden stehen. Beim BW findet sich objektiv-neurologisch weiterhin ein normaler Befund. Es bestehen lediglich objektivierbare Symptome im Sinne eines Halswirbelsyndroms mit einer Druckempfindlichkeit im Bereiche der beiden großen Hinterhauptnerven. Zum Gutachten vom 23. November 1950 ist keine objektiv faßbare Änderung eingetreten. Vom nervenärztlichen Standpunkt besteht daher keine DB."

Vom Chirurgen Dr. R werde folgende Stellungnahme abgegeben:

"Der Magnetresonanzbefund vom 15. Juli 1988 weist auf ein alters- bzw. anlagebedingtes Halswirbelsäulenleiden hin, das in keinem Zusammenhang mit dem Kriegsleiden steht. In dem Bericht des Rehabilitations- und Kurzentrums A vom 28. Juni 1990 wird berichtet, daß bezüglich der Beschwerden der rechten Schulter und der Lendenwirbelsäule eine physikalische Therapie durchgeführt wurde. Diese Beschwerden sind nicht dem Kriegsleiden zuzuordnen, vielmehr altersübliche, anlagemäßige Aufbrauchserscheinungen des Skelettes sind die Ursachen dieser Beschwerde. Gegenüber dem Gutachten aus dem Jahre 1950 finden sich keine Veränderungen im Leidenszustand der DB."

Unter Berücksichtigung dieser Befunde ergebe sich nachfolgende Richtsatzeinschätzung:

              1.              Stecksplitter in den Weichteilen der linken Schulter und des Rückens, reaktionslos eingeheilt, RS-Pos. I/j/205 MdE 0 v.H.

              2.              Mehrere Narben nach Splitterverletzungen und Splitterentfernungen im Bereiche des Rückens und des Hinterhauptes, RS-Pos. IX/c/702 Tab.2.Z.li. MdE 10 v.H.

Die Einreihung der unter Punkt 2 angeführten Dienstbeschädigung innerhalb des Rahmensatzes der Position 702 erfolge entsprechend den Ausdehnungen der Splitterentfernung.

Aus dem Ergebnis der eingeholten Sachverständigengutachten ergebe sich gemäß § 3 der Richtsatzverordnung zum KOVG 1957, BGBl. Nr. 150/1965, daß die Einschätzung der Gesamt-MdE mangels des Zusammenwirkens der einzelnen Gesundheitsschädigungen mit 10 v.H. gerechtfertigt sei.

Die Gutachten der Sachverständigen Dr. F und Dr. R seien als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.

Nach Wiedergabe der berufskundlichen Beurteilung gemäß § 8 KOVG 1957, in der die Feststellung enthalten ist, daß (bei der leitenden Tätigkeit eines Landesbeamten in einem Archiv oder in einer Bibliothek) keine beruflichen Sonderverhältnisse im Sinne des § 8 KOVG 1957 vorlägen und somit eine Einschätzung der MdE nach dieser Gesetzesstelle nicht habe vorgenommen werden können, wird weiters ausgeführt, daß das Ergebnis der Beweisaufnahme dem Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden sei. Die vorgebrachten Einwendungen seien nicht geeignet gewesen, die auf ärztliches Fachwissen gegründeten Sachverständigengutachten zu entkräften. Insbesondere sei jedoch zu entgegnen, daß die erhobenen Einwände keine objektiven Unterlagen, sondern nur die subjektive Meinung des Beschwerdeführers enthielten; auch das Attest Dris. L vom 2. März 1992 bringe keine neuen medizinischen Aspekte, weshalb von einer Erweiterung des medizinischen Beweisverfahrens abzusehen sei. Im übrigen gab die belangte Behörde noch die ergänzende Stellungnahme des berufskundlichen Sachverständigen (zu den Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Beurteilung gemäß § 8 KOVG 1957) wieder.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht "auf richtige Anwendung der Bestimmungen des KOVG 1957" sowie in seinem Recht auf "richtige Anwendung der Verordnung des BM f. soziale Verwaltung vom 9.6.1965 über die Einschätzung der MdE nach den Vorschriften des KOVG" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, die belangte Behörde sei auf seine Einwendungen im Ermittlungsverfahren nicht ausreichend eingegangen, sodaß der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund mit einem erheblichen Begründungsmangel behaftet sei. Er habe in seinen Einwendungen mehrmals betont, daß die Migräneanfälle letztlich bei ihm "Kopfschmerzen in vielfacher Potenz" seien, die in den letzten Jahren immer häufiger auftreten würden. Er habe eine Reihe von Unterlagen vorgelegt (zum Beispiel die Bestätigung Dris. L) und mehrere Zeugen namhaft gemacht (u.a. die Oberärztin Dr. D), die diesbezüglich Auskunft geben könnten. Weiters habe er ausgeführt, daß er seit Jahren mit der Bewilligung der BVA auf Kur sei und immer wieder auch in Bad Schallerbach auf seine heftigen Kopfschmerzen hingewiesen hätte.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 KOVG 1957 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1990, Zl. 89/09/0060, und vom 11. Juli 1990, Zl. 89/09/0157).

Die rechtliche Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges im Sinne dieser Bestimmung setzt voraus, daß der Kausalzusammenhang im medizinisch-naturwissenschaftlichen Sinn in dem durch § 90 KOVG 1957 geregelten Verfahren geklärt wird und allenfalls strittige Tatsachen im Zusammenhang mit der Wehrdienstleistung bzw. dem schädigenden Ereignis und der Krankheitsvorgeschichte von der Behörde ermittelt und festgestellt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1991, Zl. 89/09/0040).

Gemäß § 7 Abs. 1 KOVG 1957 hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn und insolange seine Erwerbsfähigkeit infolge der Dienstbeschädigung um mindestens 25 v.H. vermindert ist. Unter Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch die Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung in Hinsicht auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen.

Gemäß § 7 Abs. 2 KOVG 1957 ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des Abs. 1 nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen.

Solche Richtsätze hat das zuständige Ministerium auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung mit Verordnung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150/1965 (Richtsatzverordnung zum KOVG 1957), aufgestellt.

Im vorliegenden Beschwerdefall sind schon im erstinstanzlichen Verfahren zwei ärztliche Gutachten eingeholt worden, nach welchen die Gesamt-MdE des Beschwerdeführers lediglich mit 10 v.H. einzuschätzen ist. Nachdem der Beschwerdeführer in seiner Berufung im wesentlichen (abgesehen von seiner Kritik an der berufskundlichen Beurteilung gemäß § 8 KOVG 1957; diese wird in der Beschwerde jedoch nicht mehr bekämpft) eingewendet hatte, daß der durch die Kriegsverletzung verursachte Leidenszustand (insbesondere seine Kopfschmerzen) nicht gebührend bewertet worden sei, hat die belangte Behörde den Sachverständigen Dr. F mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser Sachverständige ist - nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers UND unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Beweismittel - zum Ergebnis gekommen, daß vom nervenärztlichen Standpunkt keine Dienstbeschädigung bestehe; er hat jedoch als akausales Leiden ein Halswirbelsyndrom mit radikulär ausstrahlenden Schmerzen in den Hinterkopf im Sinne einer Occipitalneuralgie bei entsprechendem objektiven und röntgenologischen Befund festgestellt. Weiters hat Dr. F in seinem Gutachten darauf hingewiesen, daß nach den Angaben des Beschwerdeführers in letzter Zeit Migräneanfälle aufgetreten seien, für welche es jedoch keine objektiven Unterlagen gebe und die gegebenenfalls in keinem Zusammenhang mit dem Kriegsleiden stünden. Der von der belangten Behörde weiters herangezogene Sachverständige Dr. R hat in seinem Gutachten vom 30. Oktober 1991 die Gesamt-MdE des Beschwerdeführers erneut mit 10 v.H. eingeschätzt; auch dieser Sachverständige hat zu den einzelnen vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen Stellung genommen. Zu den hiezu vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen hat Dr. F - in schlüssiger Weise - Stellung genommen. Diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer nur mehr mit seinen eigenen Behauptungen, nicht aber mit anderslautenden Gutachten auf gleichem medizinischen Niveau begegnet. Aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Attest Dris. L vom 2. März 1992 geht nämlich lediglich hervor, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1973 und 1982 wegen Cephalea in Behandlung gewesen sei und in dieser Zeit deshalb von ihr auch einer Akupunktur-Behandlung unterzogen worden sei; es sei aber wahrscheinlich, daß der Beschwerdeführer vorher medikamentös behandelt worden sei. Zur Frage der Kausalität der Kopfschmerzen (Migräneanfälle) finden sich jedoch weder darin noch in den weiteren vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Unterlagen - medizinisch fundierte - Ausführungen.

Gegen die auf die Gutachten Dris. F und Dris. R gestützte Annahme der belangten Behörde, wonach die Einschätzung der Gesamt-MdE des Beschwerdeführers mangels des Zusammenwirkens der beiden anerkannten Dienstbeschädigungen mit 10 v.H. gerechtfertigt sei, hat der Beschwerdeführer nichts Substantielles vorgebracht.

Wenn die belangte Behörde daher ihrer Entscheidung in freier Beweiswürdigung die Sachverständigengutachten Dris. F und Dris. R zugrunde gelegt hat, so ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden nachprüfenden Kontrolle, die darauf beschränkt ist, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt bzw. ob die Erwägungen den Denkgesetzen, somit auch dem allgemein menschlichen Erfahrungsgut entsprechen können, nicht als unschlüssig zu erkennen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1991, Zl. 90/09/0059). Für die belangte Behörde bestand insofern auch keine Notwendigkeit zur Einholung weiterer Sachverständigengutachten.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, inwiefern der Beschwerdeführer in dem von ihm geltend gemachten - aber nicht näher präzisierten - Recht auf richtige Anwendung der Richtsatzverordnung zum KOVG 1957 verletzt worden sein soll.

Wenn der Beschwerdeführer weiters vorbringt, er habe mehrere Zeugen (u.a. auch Dr. D) namhaft gemacht, die Auskunft über seine Migräneanfälle - diese seien bei ihm "Kopfschmerzen in vielfacher Potenz" - geben könnten, so ist ihm zu erwidern, daß er der belangten Behörde - über deren Ersuchen - u.a. eine Überweisung der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses Wiener Neustadt an die Schmerzambulanz der I. Chirurgischen Universitätsklinik Wien vom 21. Juli 1988 vorgelegt hat. Diese Überweisung an die Schmerzambulanz (an dieser sei der Beschwerdeführer von der dort tätigen Oberärztin Dr. D behandelt worden) ist wegen (seit mehr als drei Monaten bestehender) hartnäckiger Schmerzen im Bereich rechts paravertebral im Gebiet der unteren Halswirbelsäule und oberen Brustwirbelsäule mit Ausstrahlung in den rechten Arm erfolgt; von Kopfschmerzen bzw. Migräneanfällen ist darin jedoch keine Rede. Im übrigen wäre es auch dem Beschwerdeführer im Rahmen der ihn treffenden Verpflichtung zur Mitwirkung oblegen, allfällig vorhandene Atteste der ihn - wegen Kopfschmerzen bzw. Migräneanfälle - behandelnden Ärzte der belangten Behörde vorzulegen.

Was die Namhaftmachung weiterer Zeugen durch den Beschwerdeführer in seiner Berufung betrifft, ist darauf hinzuweisen, daß ein Zeuge insbesondere dann nicht vernommen zu werden braucht, wenn er nach der Aktenlage zu den entscheidungswesentlichen Fragen keine Aussage machen kann oder wenn bereits auf Grund des Beweisthemas ersichtlich ist, daß die Aussage entbehrlich erscheint (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0040). Im Berufungsschriftsatz ist die Einvernahme fünf namentlich genannter Personen als Zeugen nur zur Frage der "Leidenszustände" des Beschwerdeführers beantragt worden. Vom Beschwerdeführer ist jedoch nicht einmal behauptet worden, daß diese Zeugen zur Frage der Kausalität seiner Leidenszustände (insbesondere Kopfschmerzen bzw. Migräneanfälle) irgendwelche Ausführungen machen könnten, sodaß auch insoweit keine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher weder das durchgeführte Verfahren als mangelhaft noch die Begründung des angefochtenen Bescheides als ungenügend und verfehlt zu erkennen.

Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Ablehnung eines Beweismittels Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Vorweggenommene antizipative Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992090235.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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