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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
BArbSchV §44 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des C in N, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Juli 1992, Zl. Ge-51.505/9-1992/Pan/Neu, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 16. Juli 1991 war der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 44 Abs. 2 der Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954, (BArbSchV) iVm § 31 Abs. 2 lit. p, Abs. 5 und § 33 Abs. 7 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, (ASchG) sowie § 9 Abs. 1 VStG mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 120 Stunden) bestraft worden, weil er es
"trotz Bestellung eines Bevollmächtigten im Sinne des § 31 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz als das für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ der D KG. (handelsrechtlicher Geschäftsführer der D-Bau Ges.m.b.H., in deren Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der
D KG.) in N, zugelassen (hat), daß ein im Betrieb der D KG. beschäftigter Zimmermann am 12. März 1990 mit Dachreparaturarbeiten am Stallgebäude bei der Baustelle X in M, beschäftigt war und über die mit Welleneternit eingedeckte, ca. 27 Grad betragende Dachneigung abrutschte und anschließend von der ca. 7 m hohen Traufe zu Boden stürzte, da keinerlei Sicherheitsmaßnahmen gegen Absturz getroffen waren, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und auf einer Traufenhöhe von mehr als 5 m über dem Gelände geeignete Schutzblenden (Scheuchen) vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern."
2. Mit Bescheid vom 17. Juli 1992 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich (die belangte Behörde) gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 und § 19 VStG sowie § 31 Abs. 2 lit. p und Abs. 5 ASchG die vom Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis erhobene Berufung als unbegründet ab und bestätigte jenes mit der Änderung, "daß die Reperaturarbeiten umfangreich waren und bei der gesetzlichen Grundlage § 33 Abs. 1 lit. a Z. 12 Arbeitnehmerschutzgesetz zu ergänzen ist".
Begründet wurde diese Änderung mit der sich aus § 44a VStG ergebenden diesbezüglichen Notwendigkeit sowie dem Hinweis, daß sich das Tatbestandsmerkmal "umfangreiche Reperaturarbeiten" aus der "Dauer der Baustelle" von 2 1/2 Tagen ergebe.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die von der belangten Behörde im Beschwerdefall als verletzt erachtete Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z. 2 VStG) des § 44 Abs. 2 BArbSchV lautet:
"Bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und auf einer Traufenhöhe von mehr als 5 m über dem Gelände müssen bei Neu- und Umdeckungen und bei umfangreichen Reparaturarbeiten geeignete Schutzblenden (Scheuchen) vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Sind sicher befestigte, ausreichend dimensionierte Schneerechen vorhanden, gelten an diesen sicher befestigte, der Höhe der Schneerechen entsprechende Blenden als ausreichender Schutz. Bei einer Dachneigung von mehr als 40 Grad müssen die auf dem Dach Arbeitenden außerdem stets angeseilt sein."
2.1. Nach dieser Bestimmung ist bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und auf einer Traufenhöhe von mehr als 5 m über dem Gelände nicht schlechthin das Vorhandensein geeigneter Schutzblenden (Scheuchen) zur Absturzverhinderung geboten, sondern nur dann, wenn es sich bei diesen Arbeiten um "Neu- und Umdeckungen" oder "umfangreiche Reparaturarbeiten" handelt. Diese Arten von Arbeiten stellen wesentliche Tatbestandsmerkmale der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung dar. Nur wenn die belangte Behörde zumindest eines dieser beiden zum objektiven Tatbestand des § 44 Abs. 2 BArbSchV gehörenden Merkmale in die Tatumschreibung einbezog, war es ihr im Hinblick auf § 44a Z. 1 VStG in rechtlich einwandfreier Weise möglich, dem Beschwerdeführer den Vorwurf zu machen, er habe entgegen der zitierten Schutznorm die Anbringung von Schutzblenden (Scheuchen) unterlassen (s. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1992, Zl. 91/19/0259).
2.2. Dieser Rechtslage trug die belangte Behörde zwar durch die von ihr vorgenommene Ergänzung des Spruches des Straferkenntnisses dergestalt, daß "die Reparaturarbeiten umfangreich waren" Rechnung; sie übersah hiebei allerdings, daß die Zulässigkeit dieser Ergänzung unter dem Vorbehalt einer rechtzeitigen diesbezüglichen Verfolgungshandlung i.S. der §§ 31 und 32 VStG stand. Dieses Zulässigkeitskriterium ist im Beschwerdefall nicht erfüllt, war doch nach Ausweis der Akten das besagte, der Bestrafung zugrunde liegende Sachverhaltselement von der einzigen innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 31 Abs. 2 VStG gesetzten Verfolgungshandlung, nämlich der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 26. Juni 1990, nicht umfaßt.
3. Der angefochtene Bescheid war demnach, ohne daß es eines Eingehens auf das Beschwerdevorbringen bedurfte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 450,-- (Eingabengebühr S 360,--, Beilagengebühr S 90,--) zu entrichten waren.
Schlagworte
Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten InstanzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180376.X00Im RIS seit
17.12.1992