Index
L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
BDG 1979 §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Magistrat Wien vom 11. Oktober 1991, Zl. MD-1123-11/87, betreffend Disziplinarstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Sanitätsgehilfe in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien; er ist im Rahmen der MA 17 im Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst tätig.
Der mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte Bescheid hat folgenden Spruch:
"Die Disziplinarkommission, Senat 14, hat in ihrer Sitzung vom 22.4.1991, im Disziplinarverfahren gegen H folgenden Beschluß verfaßt:
"Der Beschuldigte H, geboren 1941, hat am 28. Februar 1987 um ca. 01.30 Uhr anläßlich eines Rettungseinsatzes für K im Zusammenwirken mit dem Sanitätsgehilfen R einen Betrag von S 600,-- von Frau K übernommen, und anschließend gemeinsam mit R aufgeteilt.
Er hat dadurch gegen das Verbot nach § 19 Abs. 3 der Dienstordnung 1966, sich, seinen Angehörigen oder sonstigen Dritten Geschenke oder sonstige Vorteile, die mit der dienstlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen, zuwenden oder zusichern zu lassen, verstoßen und somit eine Dienstpflichtverletzung begangen.
Gemäß § 58 Abs. 1 Z. 3 der Dienstordnung 1966 in der geltenden Fassung wird gegen den Beschuldigten eine Geldstrafe von 30 v.H. eines Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage festgelegt."
Aufgrund der gegen dieses Disziplinarerkenntnis vom Beschuldigten fristgerecht eingebrachten Berufung hat die Disziplinaroberkommission, Senat 4, in ihrer Sitzung vom 11.10.1991 wie folgt entschieden:
Gemäß § 72 Abs. 1 der Dienstordnung 1966 i.V.m. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Disziplinarerkenntnis bestätigt."
Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, die erstinstanzliche Disziplinarkommission habe über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von 30 v.H. eines Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage verhängt, weil dieser insofern gegen die in der Dienstordnung 1966 festgelegten Dienstpflichten verstoßen habe, als er am 28. Februar 1987 um ca. 01.30 Uhr anläßlich eines Rettungseinsatzes im Zusammenwirken mit einem namentlich genannten Sanitätsgehilfen einen Betrag von S 600,-- von der Gattin des Beförderten übernommen und anschließend gemeinsam mit dem genannten Sanitätsgehilfen aufgeteilt habe und dadurch gegen das Verbot nach § 19 Abs. 3 DO 1966, sich, seinen Angehörigen oder sonstigen Dritten Geschenke oder sonstige Vorteile, die mit der dienstlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen, zuwenden oder zusichern zu lassen, verstoßen und damit eine Dienstpflichtverletzung begangen habe.
In der Berufung habe der Beschwerdeführer im wesentlichen vorgebracht, er habe keinerlei Tätigkeit entfaltet, welche nach außenhin in irgend einer Weise nachteilig in Erscheinung getreten wäre. Weder die Verwahrung eines von einem Dritten in Empfang genommenen Trinkgeldes noch dessen Verteilung und teilweise Zueignung nach Beendigung des Dienstes könne eine Tatbestandsmäßigkeit verwirklichen. Genauso wie im gerichtlichen Strafverfahren habe auch im Disziplinarverfahren das fundamentale Prinzip "nullum crimen sine lege" zu gelten.
Auf Grund des von der Behörde erster Instanz durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe fest, daß der Beschwerdeführer und der zweite namentlich genannte Sanitätsgehilfe, nachdem sie den zu Befördernden mit der Rettung ins AKH gebracht hätten, von dessen Gattin ein Trinkgeld in der Höhe von insgesamt S 600,-- erhalten hätten.
Dieser Sachverhalt sei unbestritten.
Nach auszugsweiser Wiedergabe des § 19 Abs. 3 DO 1966 führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, daß dem Vorbringen des Beschwerdeführers, weder die Verwahrung eines von einem Dritten in Empfang genommenen Trinkgeldes noch dessen Verteilung und teilweise Zueignung nach Beendigung des Dienstes könne eine Tatbestandsmäßigkeit verwirklichen, nicht gefolgt werden könne, weil es für den Tatbestand der Trinkgeldannahme unerheblich sei, ob der Beamte das Trinkgeld selbst angenommen oder im Zuge der Verteilung nach Dienstende bekommen habe. Eine Differenzierung zwischen der Person, die das Trinkgeld erhalten und zur Verteilung weitergereicht habe und der Person, die das Trinkgeld verwahrt und verteilt habe, aber nicht Bezugsperson des Trinkgeldgebers gewesen sei, wäre sachlich nicht gerechtfertigt, zumal beide Personen Zuwendungen für eine dienstliche Tätigkeit erhalten hätten. Es könne daher, weil eine eindeutige Subsumtion des gegenständlichen Sachverhaltes unter die im § 19 Abs. 3 DO 1966 normierte Dienstpflichtverletzung möglich sei, von einer Verletzung des Prinzips "nullum crimen sine lege" nicht gesprochen werden.
Darüber hinaus sei noch zu bemerken, daß der Rechtsansicht, im Disziplinarverfahren finde - wie im gerichtlichen Strafverfahren - das Prinzip "nullum crimen sine lege" Anwendung, grundsätzlich nicht gefolgt werden könne. Die Dienstpragmatik stelle nämlich - ebenso wie alle anderen, das Dienstverhältnis regelnden Vorschriften (von wenigen Ausnahmen abgesehen) - keine konkreten strafbaren Tatbestände auf, sondern überlasse es der Beurteilung der Disziplinarbehörde, ob in einem bestimmten Verhalten des Beamten ein Dienstvergehen zu erblicken sei.
Auch hinsichtlich der Strafbemessung sei den Ausführungen der Erstinstanz zu folgen gewesen. Die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von 30 v.H. eines Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage sei unter Berücksichtigung des Grades des Verschuldens sowie der erschwerenden und mildernden Umstände jedenfalls schuldangemessen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer fühlt sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, nur dann gemäß der Dienstordnung hinsichtlich einer Dienstpflichtverletzung als sachfällig erkannt und auch bestraft zu werden, wenn der von ihm gesetzte Sachverhalt tatsächlich im Rahmen der Dienstordnung einen strafbaren Tatbestand darstellt und dies auch erkennbar ist.
Er bringt im wesentlichen vor, entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde sei, wenn es sich um die Annahme eines Trinkgeldes handle, der Tatbestand dadurch erfüllt, daß ein Beamter ein derartiges Trinkgeld von einem Außenstehenden annehme. Damit sei aber der nach der Dienstordnung verpönte und auch strafbare Sachverhalt abgeschlossen. Was dann der Trinkgeldempfänger mit diesem Trinkgeld weiter unternehme, ob er es selbst behalte oder ganz oder teilweise weiterreiche, sei nicht mehr Gegenstand der Dienstordnung und rechtlich im Zusammenhang mit dem Katalog möglicher Dienstpflichtverletzungen bedeutungslos. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde sei es eben für den Tatbestand der Trinkgeldannahme nicht unerheblich, ob das Trinkgeld selbst angenommen oder erst nachträglich vom Trinkgeldnehmer in Empfang genommen worden sei. Das, was der Beschwerdeführer von seinem Kollegen erhalten habe, sei kein Trinkgeld mehr gewesen. Abgesehen von der mangelnden Tatbestandsmäßigkeit sei die rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde auch deshalb bedenklich, weil in unzulässiger Weise ein strafbarer Tatbestand extensiv ausgelegt worden sei. Es gehöre zum gesicherten Rechtsbestand, daß insbesondere eine strafrechtliche Norm, zu welcher auch ein Disziplinarstatut gehöre, derart präzise formuliert sein müsse, daß der einzelne der Norm Unterworfene sein Verhalten danach einrichten könne. Ein Verstoß gegen das Prinzip "nullum crimen sine lege" sei sicherlich auch im Disziplinarverfahren von Relevanz.
Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu.
Nach § 19 Abs. 3 der Dienstordnung 1966, in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 26/1979 und 27/1984, ist es dem Beamten verboten, sich, seinen Angehörigen oder sonstigen Dritten Geschenke oder sonstige Vorteile, die mit der dienstlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen, zuwenden oder zusichern zu lassen. Zuwendungen von geringem Wert, wie sie insbesonders aus Anlaß von Festen üblich sind, dürfen angenommen werden.
Daß im vorliegenden Fall die Voraussetzung des § 19 Abs. 3 DO 1966 letzter Satz nicht vorliegt, steht genauso wie - die Tatbildhaftigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 Abs. 3 DO 1966 - die grundsätzliche Wertung als schuldhafte Dienstpflichtverletzung vorausgesetzt, außer Streit.
Bei den Akten des Verfahrens befindet sich die Kopie einer Niederschrift vom 5. März 1987, aufgenommen in der Zentrale des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes, auszugsweise mit folgendem Inhalt:
"In der Meinung, daß sie (- die Ehefrau des beförderten Kranken -) noch weiteres Bargeld bei sich hatte, nahmen wir unbedenklich das Trinkgeld an, obwohl wir wissen, daß grundsätzlich die Annahme von Trinkgeld verboten ist. Wir bedauern diesen Umstand und geben gerne und aus freiwilligen Stücken das erhaltene Trinkgeld in der Höhe von S 600,-- zurück."
Ungeachtet der Wertung dieser dem Vorfall zeitlich nächstgelegenen Aussage im Disziplinarverfahren ist der belangten Behörde beizupflichten, daß es für die Verwirklichung des unter den allgemeinen Dienstpflichten normierten Verbotes der Geschenkannahme in Amtssachen unbeachtlich ist, in welcher Weise dem Beamten das Trinkgeld zugekommen ist. Es kann daher entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht davon gesprochen werden, daß ein strafbarer Tatbestand extensiv ausgelegt worden wäre.
Weiters ist zu dem behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz "nullum crimen sine lege" zu bemerken, daß das Disziplinarrecht im Gegensatz zum Strafrecht in der Regel keine konkreten Strafnormen mit Tatbestand und Rechtsfolge aufstellt, sondern als berufsständisches Sonderstrafrecht generell vorsieht, daß Beamte, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, disziplinär zur Verantwortung zu ziehen sind.
Da diese Voraussetzungen im Beschwerdefall gegeben waren, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991090236.X00Im RIS seit
21.03.2001