TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/18 89/17/0225

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Veröffentlicht am 18.12.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/04 Sonstige Rechtspflege;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
GebAG 1975 §18 Abs1 Z2 litb;
GebAG 1975 §3 Abs1 Z2 litb;
GebAG 1975;
VwGG §27;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des Dr. J, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz vom 19. September 1989, Zl. Jv 9625-33/89-2, betreffend Zeugengebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde in einem vor dem Landesgericht Klagenfurt anhängigen Zivilprozeß als Zeuge vernommen und beantragte hierauf unter Vorlage einer Bescheinigung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten die Bestimmung seiner Zeugengebühr mit S 2.500,--. Die Regien einer Anwaltskanzlei lägen (von Kanzlei zu Kanzlei natürlich verschieden) über S 1.000,--. Berücksichtige man den Weg zu Gericht und den Rückweg, so sei auf alle Fälle eine Zeitversäumnis von zwei Stunden eingetreten. Die dem Beschwerdeführer hiedurch erwachsenen Kosten verlange er ersetzt.

Da der mit der Bestimmung der Gebühr betraute Bedienstete des Landesgerichtes Klagenfurt (§ 20 Abs. 1 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 136 - GebAG 1975) innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten über diesen Antrag nicht entschied, stellte der Beschwerdeführer am 23. Jänner 1989 "gemäß § 20 Gebührenanspruchsgesetz 1975 ... und § 73 AVG 1950" bei der in Betracht kommenden Oberbehörde, das sei gemäß § 22 Abs. 1 GebAG 1975 der Präsident des Landesgerichtes für Klagenfurt, den (Devolutions)Antrag, über seinen Antrag auf Bestimmung der Zeugengebühr zu entscheiden.

Mit Bescheid vom 7. Juli 1989 bestimmte der Präsident des Landesgerichtes Klagenfurt die Gebühr des Beschwerdeführers für die Teilnahme an der Streitverhandlung vom 14. Juli 1988 wie folgt:

"Entschädigung für Zeitversäumnis, 2 Stunden,

§ 3 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG 1975 S 180,--"

Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Eine Bestätigung der Rechtsanwaltskammer über die Höhe der Regiestunde einer Anwaltskanzlei sei kein geeignetes Bescheinigungsmittel für einen KONKRETEN Verdienstentgang. Der Beschwerdeführer habe den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1987 vorgelegt. Aus dem sich daraus ergebenden Nettojahreseinkommen dividiert durch den "in der Verwaltungspraxis üblichen Divisor 1.800" ergebe sich ein Stundeneinkommen des Zeugen von S 89,84. Auf dieser Basis sei der Einkommensentgang für zwei Stunden zuzusprechen gewesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab der Präsident des Oberlandesgerichtes Graz dieser Beschwerde keine Folge. Nach der oben genannten Gesetzesstelle habe der Zeuge Anspruch auf die Entschädigung für Zeitversäumnis, welche beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen betreffe. Dieses Einkommen sei beim selbständig Erwerbstätigen nach dem Jahresarbeitsstundenschnitt seines Einkommensteuerbescheides nach Abzug der Einkommensteuer zu vergüten. Bei der vom Beschwerdeführer angesprochenen Gebühr handle es sich um keine Entlohnung, sondern um eine Entschädigung für die im Zusammenhang mit der Befolgung einer Zeugenladung eingetretene Zeitversäumnis.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Ersatz des entgangenen Einkommens verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 erster Satz GebAG 1975 ist die Zeugengebühr im Justizverwaltungsweg von dem damit betrauten Bediensteten desjenigen Gerichtes zu bestimmen, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte; bei einem aus dem Ausland geladenen Zeugen vom Leiter des Gerichtes.

Gemäß § 22 Abs. 1 erster Satz leg. cit. kann unter anderem der Zeuge gegen die Entscheidung über die Gebühr binnen 14 Tagen die Beschwerde an den Leiter des Gerichtes, hat aber dieser entschieden, an den Leiter des überordnenden

Gerichtshofs ... erheben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 27. Mai 1992, Zl. 92/17/0124, dargetan und dort näher begründet hat, sieht das GebAG 1975 - bei dessen Vollziehung entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers das AVG nicht zur Anwendung kommt - einen Zuständigkeitsübergang im Falle der Säumnis des Kostenbeamten NICHT vor. Das Fehlen einer solchen Vorschrift ist auch nicht als eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, die möglicherweise eine Lückenfüllung durch Heranziehung eines sogenannten allgemeinen Verfahrensgrundsatzes dieses Inhaltes erlauben würde, aufzufassen. Vielmehr ist bei Säumnis des Kostenbeamten unmittelbar Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

Der Präsident des Landesgerichtes für Klagenfurt war somit zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Zeugengebühr unzuständig. Der mit Beschwerde angerufene Präsident des Oberlandesgerichtes Graz hätte den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt aus diesem Grunde aufheben müssen. Daß er dies nicht tat, belastet den angefochtenen Bescheid seinerseits mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodaß er deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Nur der Vollständigkeit halber sei jedoch darauf hingewiesen, daß unter dem "tatsächlich entgangenen Einkommen" im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 lit. b GebAG 1975 (Stammfassung) ebenso wie im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 2 lit. b leg. cit. idF BGBl. Nr. 343/1989 nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen zu verstehen ist. Vielmehr kann von einem tatsächlichen Einkommensentgang beim selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging (vgl. die Erkenntnisse vom 10. Februar 1989, Zl. 86/17/0057, und vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/17/0105).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989170225.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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