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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §45 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Juni 1992, Zl. MA 63 - V 24/91/Str, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung gemäß § 20 i.V.m. § 74 Abs. 5 Z. 3 des Lebensmittelsgesetzes 1975 (LMG) schuldig erkannt. Die ihm zur Last gelegte Tat wurde im Sinne des § 44a Z. 1 VStG wie folgt umschrieben:
"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung der X-Gesellschaft m.b.H. nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 176/1983 zu verantworten, daß diese Gesellschaft mit dem Sitz in Wien, Y-Straße, am 13. Juli 1990 in ihrem Lebensmittelkleinhandelsbetrieb in Wien, E-Straße, nicht vorgesorgt hat, daß von ihr in Verkehr gebrachte Lebensmittel nicht durch äußere Einwirkungen hygienisch nachteilig beeinflußt werden, obwohl das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar war, indem durchschnittlich zehn verschiedene Sorten von Gebäck (z.B. Wachauer, Kornweckerln, Salzstangerln) zu je ca. 20 Stück in Gebäckspendern in Selbstbedienung feilgehalten wurden, wobei nach Öffnen einer Acrylglasabdeckung die Kunden Zugriff auf mindestens zehn Stück Gebäck haben, und in einem Verkaufsregal in sieben Körben abgenetzte Semmeln zu je 10 Stück offen in Selbstbedienung feilgehalten wurden; hiedurch wurde das Gebäck dem Betasten, Wühlen, Aussuchen, Anhusten und Anniesen ausgesetzt, wodurch Krankheitserreger übertragen werden konnten."
Über den Beschwerdeführer wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden) verhängt.
Nach der Begründung habe sich der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz im wesentlichen gegen die Auffassung der Behörde gewandt, daß Gebäck durch die ihm vorgeworfene Art des Feilhaltens einer Gefahr der hygienisch nachteiligen Beeinflussung durch äußere Einwirkungen ausgesetzt sei. Die Gebäckspender würden von den Kunden akzeptiert und offenbar nicht als unhygienisch empfunden. Das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz habe durch einen Erlaß das Feilhalten von Gebäck in Spendern erlaubt. Die Gebäckspender seien so konstruiert, daß durch Plexiglasabdeckung ein Anhusten etc. unmöglich gemacht werde. In einem ähnlich gelagerten Fall habe der Landeshauptmann von Wien im übrigen keine Bedenken in hygienischer Hinsicht gegen die Abgabe von Gebäck in Spendern gehabt.
Diesen Ausführungen hielt die belangte Behörde entgegen, daß - in Übereinstimmung mit der seinerzeit vom Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz geäußerten Ansicht - das Feilhalten von Gebäck in Gebäckspendern in Selbstbedienung nicht an sich unhygienisch sei. Keine hygienischen Bedenken bestünden dann, wenn - wie in dem vom Beschwerdeführer erwähnten, beim Landeshauptmann von Wien anhängig gewesenen Fall - der Kunde jeweils nur zu einem einzigen Gebäckstück gelangen und entnommenes Gebäck nicht mehr in den Gebäckspender zurückgeben könne. Nach den überzeugenden Darlegungen der Anzeige hätten im Beschwerdefall jedoch die Kunden Zugriff auf mindestens zehn Stück Gebäck gehabt. Bei einer derart weitgehenden Zugriffsmöglichkeit bestünde zwangsläufig die Gefahr einer unhygienischen Beeinflussung des Gebäcks. Daß die Kunden die Gebäckspender nicht als unhygienisch empfänden, sei dabei unerheblich. Da der Sachverhalt hinlänglich geklärt sei, erübrige sich auch die weitere Aufnahme von Beweisen. Auch könne dem Einwand des Beschwerdeführers, der Schuldspruch enthalte keine Angaben, durch welche Vorsorge eine hygienisch nachteilige Beeinflussung hätte verhindert werden müssen, nicht gefolgt werden, weil solche Vorsichtsmaßnahmen gar nicht denkbar seien. Vielmehr hätte das Feilhalten des Gebäcks in den gegenständlichen Gebäckspendern und Körben überhaupt unterbleiben müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:
Der mit "Hygiene im Lebensmittelverkehr" überschriebene § 20 LMG normiert:
"§ 20. Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, hat vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist."
Wer gemäß § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG u.a. den Bestimmungen des § 20 zuwiderhandelt, macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen.
§ 20 LMG stellt eine allgemeine Vorschrift dar, die jedermann, der Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, verpflichtet, eine nachteilige Beeinflussung durch äußere Einwirkungen zu vermeiden, d.h. hygienisch einwandfrei vorzugehen, wobei die Verkehrsauffassung die Zumutbarkeit der Vorkehrungen für einwandfreie Hygiene umschreibt. Gegen die Grundsätze des § 20 verstößt somit jedermann, der die allgemein gebräuchlichen Grundsätze der Hygiene verletzt, z.B. die zumutbare Reinlichkeit mißachtet oder zumutbare Vorkehrungen vor Verschmutzung unterläßt, oder Waren einer unnotwendigen Verschmutzung aussetzt. Vorkehrungen vor Verschmutzung werden z.B. die Verhinderung der Berührung von unverpackten Lebensmitteln durch Kunden, das Abschirmen der Lebensmittel vor Anhusten oder Anhauchen und die Vermeidung der Berührung von Lebensmitteln mit schmutzigen Händen sein (vgl. Brustbauer-Jesionek-Petuely-Wrabetz, Das Lebensmittelgesetz 1975, Erläuterungen zu § 20).
Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage erweist sich die Auffassung der belangten Behörde als zutreffend, daß das Feilhalten von Gebäck in Gebäckständern in Selbstbedienung an sich nicht die abstrakte Gefahr der hygienisch nachteiligen Beeinflussung durch äußere Einwirkung in sich bergen muß. So wird etwa dann keine hygienisch nachteilige Beeinflussung zu erwarten sein, wenn der Kunde bei Benützung eines Semmelspenders etwa lediglich Zugriff auf die von ihm gewählte Ware hat und nach deren Entnahme eine Rückgabe in den Semmelspender nicht mehr möglich ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehört zum objektiven Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 20 LMG bloß die abstrakte Gefahr der hygienisch nachteiligen Beeinflussung durch äußere Einwirkung (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 25. Mai 1983, Zl. 83/10/0076, vom 10. April 1989, Zl. 88/10/0128, und vom 26. Februar 1990, Zl. 89/10/0202).
In der Beschwerde wird unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Erkenntnis vom 14. März 1983, Zl. 82/10/0191) die Auffassung vertreten, daß es sich bei der Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 i.V.m. § 20 LMG um eine Begehung der Tat durch Unterlassung handle, bei der zur Konkretisierung des Tatvorwurfes daher die individualisierte Beschreibung jener Handlungen im Spruch erforderlich ist, die der Täter hätte setzen müssen. Die belangte Behörde hätte daher genau darzulegen gehabt, welche Maßnahmen nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar sind.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Die Handlungen, die der Beschwerdeführer nach Ansicht der belangte Behörde hätte setzen müssen, sind im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht unbedingt wörtlich anzuführen, sondern können sich aus diesem auch in anderer Weise mit hinreichender Deutlichkeit ergeben. So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in dem Erkenntnis vom 11. November 1991, Zl. 91/10/0026, die Auffassung vertreten, daß dem Vorwurf der "ungekühlten Lagerung von Fleischwaren" mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden kann, daß die Waren in der Kühlvitrine, also gekühlt, zu lagern gewesen seien. Auch der Tatvorwurf, eine Kühlvitrine habe "starke Verunreinigungen aufgewiesen", lasse die nach Meinung der belangten Behörde pflichtwidrig unterlassene Vorsorgemaßnahme, nämlich die entsprechende Reinigung der Kühlvitrine, hinreichend erkennen.
Danach läßt auch der vorliegende Tatvorwurf, verschiedene Sorten von Gebäck seien "in Selbstbedienung" in Semmelspendern so dargeboten worden, daß ein Zugriff der Kunden auf mindestens zehn Stück Gebäck bestanden habe, mit hinreichender Bestimmtheit jene Handlung erkennen, die der Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde hätte setzen müssen, nämlich die Waren so anzubieten, daß bei Verwendung eines Semmelspenders ein solcher Zugriff nicht möglich sei, also etwa nur Zugriff auf die gewählte Ware besteht und eine Rückgabe ausgeschlossen ist.
Daß bei dem vom Beschwerdeführer verwendeten Semmelspender der Kunde Zugriff auf mindestens zehn Stück Gebäck hatte, wird vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt. Die Gefahr einer nachteiligen hygienischen Beeinflussung der Lebensmittel bei dieser Form der Selbstbedienung ist offenkundig (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1983, Zl. 83/10/0076). Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gerügten Verfahrensverletzungen (Unterlassen der Einholung eines Sachverständigengutachtens, der Vornahme eines Lokalaugenscheines und Erhebungen über Bau- und Funktionsweise der Semmel- bzw. Kleingebäckständer) liegen daher nicht vor.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß eine entsprechende Vorsorge durch geeignete Konstruktion der Semmelspender nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist. Gegenteiliges ist auch für den Gerichtshof nicht erkennbar.
Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Erlaß des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 1. April 1986, Zl. III-51950/4-6b/86, ist nicht geeignet, sein mangelndes Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen. Abgesehen davon, daß es sich bei dem genannten Erlaß mangels der für Rechtsverordnungen gebotenen Kundmachung um eine vom Verwaltungsgerichtshof nicht anzuwendende, verwaltungsinterne Norm handelt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 17. Dezember 1986, Zl. 86/03/0181), ergibt sich daraus bloß, daß in "Spendern" lediglich Gebäck in KUNSTSTOFFNETZEN feilgehalten werden darf. Diese Voraussetzung war im Beschwerdefall nicht gegeben. Im übrigen wird in diesem Erlaß darauf hingewiesen, daß das Darbieten von unverpacktem Brot oder "abgenetztem Gebäck" im Kundenbereich die Kunden zur Selbstbedienung verleite. Diese Vorgangsweise sei an sich schon ein Verstoß gegen § 20 LMG. Das Feilhalten von verpackten Brot- und Backwaren oder die Abgabe derselben mit Bedienung sei nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar (vgl. die Wiedergabe des Textes bei Barfuß-Smolka-Onder, Lebensmittelrecht2, Kommentar zu § 20, Seite 13).
In der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid zur Gänze bekämpft. Zum Vorwurf, in einem Verkaufsregal in sieben Körben abgenetzte Semmeln zu je zehn Stück offen in Selbstbedienung feilgehalten zu haben, finden sich allerdings keine Ausführungen. Nach dem vorher Gesagten kann dieser Vorwurf nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren ErlässeMängel im Spruch Fehlen von wesentlichen TatbestandsmerkmalenBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992100189.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
19.08.2009