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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO NÖ 1969 §2 Z19;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der E in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Dezember 1989, GZ. R/1-V-88168/1, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. KD und 2. AD, beide in N, 3. Gemeinde N, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.360,--, je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 19. Juni 1987 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Nebengebäudes auf ihrer Parzelle Nr. 146/25 KG N. Das eingereichte Projekt umfaßte nach dem Bauplan einen durch Holzwände in drei Boxen getrennten Hundezwinger, wobei die verbaute Fläche 28,7 m2 betragen sollte.
Anläßlich der Bauverhandlung vom 8. Juli 1987 erhoben die erst- und zweitmitbeteiligten Nachbarn Einwendungen: Das Objekt werde widmungswidrig (nachdem der Verhandlungsleiter die Bestimmung des § 16 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 erklärt hatte) errichtet; es sei mit übermäßigem Lärm zu rechnen, zumal in den letzten sieben Jahren bis zu zehn Hunde gehalten worden seien und eine Hundezucht betrieben werde. Die Bauwerberin bestritt die Haltung von zehn Hunden, räumte aber ein, daß sie für einen Verein für Deutsche Schäferhunde Hunde züchte.
Der Vizebürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde wies mit Bescheid vom 6. April 1988 "gemäß des § 100 Abs. 4" der NÖ Bauordnung 1976 das Bauansuchen der Beschwerdeführerin ab, weil die beabsichtigte Bauführung mit § 16 Abs. 1 ROG 1976 nicht in Einklang gebracht werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die Berufung der Beschwerdeführerin, welche der Gemeinderat der Drittmitbeteiligten mit Bescheid vom 30. Mai 1988 als unbegründet abwies.
Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Anzuwenden sei das Raumordnungsgesetz 1968, LGBl. Nr. 275, weil der vereinfachte Flächenwidmungsplan im Jahr 1972 erlassen wurde. Aus § 13 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. gehe hervor, daß im Wohngebiet grundsätzlich auch Nebengebäude in einer gegenüber dem Hauptgebäude untergeordneten Größe zulässig seien, wenn der Bedarf ihrer Besitzer - die in Summe die Bevölkerung eines Siedlungsgebietes bilden - an ihnen aus der Wohnnutzung der Hauptgebäude bzw. der dazu gehörigen Gartenflächen abgeleitet werden könne. Im Bauland-Wohngebiet sei zwar die Haltung, nicht aber die Zucht von Haustieren zulässig. Unter der Haltung von Haustieren sei die Unterbringung von Einzeltieren oder Paaren in Wohngebäuden zu verstehen, wobei die Jungen immer zum frühestmöglichen Zeitpunkt weggegeben würden. Zucht bedeute die Haltung von meist mehr als zwei, im Beschwerdefall von drei weiblichen, nach Zuchtkriterien ausgewählten Tieren samt ihren Jungen bis zur Möglichkeit des Verkaufes der Jungtiere zum bestmöglichen Preis. Die Haltung mehrerer weiblicher Tiere derselben Art in einem Zwinger erfülle offensichtlich Zuchtzwecke und könne nicht als Wohnnutzung beurteilt werden. Daher stünde die Bewilligung der Errichtung des Hundezwingers im Bauland-Wohngebiet im Widerspruch zu § 13 Abs. 1 Z. 1 ROG 1968.
Über die dagegen erhobene Beschwerde, die von der belangten Behörde unter Vorlage der Bauakten erstattete Gegenschrift, die Gegenschrift des Erst- und der Zweitmitbeteiligten und die Gegenschrift der mitbeteiligten Gemeinde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Unwidersprochen ist, daß das gegenständliche Grundstück in einem Gebiet mit der Widmung und Nutzungsart "Bauland-Wohngebiet" liegt, sodaß für die Auslegung des Begriffes "Bauland-Wohngebiet" die zu dieser Zeit maßgebende Rechtsgrundlage, also das NÖ Raumordnungsgesetz LGBl. 275/1968, wiederverlautbart LGBl. 8000-0/74 (im folgenden: ROG), heranzuziehen ist (hg. Erkenntnis vom 24. November 1987, Zl. 87/05/0123, BauSlg. Nr. 1012 m.w.N.).
§ 13 ROG lautete:
"Bauland.
(1) Im Bauland sind, soferne es die örtlichen Gegebenheiten erfordern, folgende Gebiete unter Festlegung der zulässigen Nutzungen auszuweisen:
1. Wohngebiete, die für Wohngebäude und die dem Bedarf der Bevölkerung dienenden Nebengebäude bestimmt sind;
...
(2) In Gebieten gemäß Abs. 1 Z. 1 und 2 dürfen nur solche Gebäude, Bauwerke und Anlagen errichtet werden, durch deren Nutzung aller Voraussicht nach
1. das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß an Beeinträchtigung der Umgebung nicht überschritten ....
2. .... wird."
Unter "Nebengebäude" im Sinne des § 2 Z. 19 der im Zeitpunkt des Inkrafttretens des gegenständlichen Flächenwidmungsplanes in Geltung gestandenen und daher zur Auslegung des ROG heranzuziehenden Bauordnung für Niederösterreich, LGBl. Nr. 166/1969, sind ebenerdige Baulichkeiten geringeren Umfanges zu verstehen, deren bebaute Fläche ein Zehntel des Bauplatzes, jedenfalls aber 100 m2, nicht überschreitet; als Beispiele wurden in der damaligen Gesetzesbestimmung angeführt: Garage, Waschküche, Werkstatt, Abortanlagen, Schuppen, Stallung, Kegelbahn, Lusthaus, Pförtnerhaus und dergleichen.
Mit der Wortfolge "Bedarf der Bevölkerung" ist nicht der individuell-subjektive Bedarf des Bauwerbers gemeint, weil ein einzelner Bauwerber nicht mit "der Bevölkerung" gleichzusetzen ist. Der Begriff ist aber insoferne auslegungsbedürftig, als damit ein objektiver Bedarf, also ein Bedarf an einem Bauobjekt oder der Bedarf einer Vielzahl von Bauwerbern gemeint sein könnte. Für die Rechtslage seit Geltungsbeginn des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8200-0, (im folgenden: ROG 1976) ist diese Frage gelöst. Nach § 16 Abs. 1 Z. 1 ROG 1976 sind in Wohngebieten neben Wohngebäuden ganz allgemein Gebäude zulässig, die dem täglichen Bedarf der (Wohn-)Bevölkerung dienen; es muß sich dabei also um Gebäude handeln, in denen nicht gewohnt wird, sondern die nur dazu da sind, den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden.
§ 13 Abs. 1 Z. 1 ROG bezog sich nicht auf Gebäude im allgemeinen, sondern nannte neben den Wohngebäuden nur Nebengebäude. Abgesehen allenfalls von Garagen kann an keinem der oben sonst aufgezählten Beispiele von Nebengebäuden ein objektives Interesse der Bevölkerung angenommen werden. Nach alldem ist aber davon auszugehen, daß im Wohngebiet jene Nebengebäude zulässig sind, die typischerweise von der Wohnbevölkerung in solchen Gebieten errichtet werden.
Eine Hundehütte für die Haltung von ein oder allenfalls zwei Tiere muß für ein Wohngebiet in diesem Sinne als typisch angesehen werden; Nebengebäude, die einer gewerblichen oder vereinsmäßig betriebenen Hundezucht dienen, können hingegen keinesfalls als der Befriedigung der typischen Bedürfnisse der Wohnbevölkerung dienend angesehen werden. Unabhängig davon, ob die Nutzung aller Voraussicht nach das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß an Beeinträchtigung der Umgebung überschreiten wird oder nicht (§ 13 Abs. 2 Z. 1 ROG), läßt sich ein derartiger Hundezwinger keinem der beiden Gebäudetypen des § 13 Abs. 1 Z. 1 ROG unterordnen. Die Raumordnungswidrigkeit ist daher jedenfalls gegeben.
Im Erkenntnis vom 22. Jänner 1991, Zl. 90/05/0169, hatte der Verwaltungsgerichtshof die Versagung einer Baubewilligung für eine Holzhütte zum Zwecke der Hundezucht zu prüfen. Es wurde ein Vergleich mit den im § 16 Abs. 1 ROG 1976 genannten Betrieben angestellt und ausgeführt, es bestehe kein Zweifel daran, daß die dort gegenständliche Hundezucht eine das zumutbare Ausmaß übersteigende Lärmbelästigung verursache.
Die Unterscheidung, ob die Zucht gewerbs- oder vereinsmäßig betrieben werde, mag für eine steuerrechtliche oder gewerberechtliche Beurteilung von Belang sein; für die Wohnbevölkerung, deren Beeinträchtigung zu befürchten ist, ist diese Frage unbedeutend. Die bewußte Aufzucht und der damit verbundene Tierbestand können mit der üblichen Tierhaltung in einem Haushalt nicht verglichen werden, sodaß die Errichtung von Tierzuchtzwecken dienenden Gebäuden im Wohngebiet jedenfalls nicht rechtmäßig erscheint.
Die Beschwerdeausführungen, die diese wesentlichen Unterschiede verkennen, können nicht überzeugen. Das Bauvorhaben widerspricht der vorliegenden Widmung, sodaß die Beschwerdeführerin durch die Versagung der von ihr beantragten Baubewilligung in keinem Recht verletzt wurde. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 3.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990050031.X00Im RIS seit
11.07.2001