TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/22 92/04/0257

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Veröffentlicht am 22.12.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden SenatspräsidentDr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Weiss als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde 1.) des HM in T, 2.) des TM,

3.) des MP und 4.) der AP, diese in W und alle vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30. April 1992, Zl. 314.720/2-III/3/92, betreffend Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht (mitbeteiligte Partei: N in T), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit dem Inhalt der angeschlossenen Beilagen (Kopie des angefochtenen Bescheides und eines an die belangte Behörde gerichteten Devolutionsantrages) sprach der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheit mit Bescheid vom 30. April 1992 nach dessen Sprucheinleitung "über das Verlangen des HM, der CM, des MP und der AP" auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über das Ansuchen der mitbeteiligten Partei um gewerbebehördliche Bewilligung zum Neubau einer Betriebsanlage (Werkstätte, Lkw-Baggereinstellraum, Gerüst- und Materialschuppen, Fertigungs- und Lagerhalle mit Bauhöfen) im Standort T, K-Straße 41, vom 10. September 1989 von der Bezirkshauptmannschaft auf den Landeshauptmann von Niederösterreich gemäß § 73 Abs. 2 AVG dahin ab, daß dieses Verlangen im Grunde des § 73 Abs. 1 leg. cit. als unzulässig zurückgewiesen werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Eingabe vom 10. September 1989 habe die mitbeteiligte Partei bei der Bezirkshauptmannschaft um Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage angesucht. Mit Eingabe vom 24. Mai 1991 hätten - da die Bezirkshauptmannschaft bis zu diesem Zeitpunkt über das Ansuchen der mitbeteiligten Partei noch nicht entschieden gehabt habe - die Nachbarn HM, CM, MP und AP das Verlangen auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über das Ansuchen der mitbeteiligten Partei vom 10. September 1989 an den Landeshauptmann von Niederösterreich und mit Eingabe vom 20. Februar 1992 - da der Landeshauptmann von Niederösterreich bis zu diesem Zeitpunkt seinerseits keinen Bescheid erlassen gehabt habe - ein neuerliches Verlangen auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung nunmehr an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gestellt. Im vorliegenden Fall sei das dem gegenständlichen Verfahren gemäß § 73 AVG zugrundeliegende Verfahren betreffend die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage über das Ansuchen der mitbeteiligten Partei vom 10. September 1989 eingeleitet worden. Ein Bescheid hierüber sei noch nicht ergangen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan habe, stünden in einem Verfahren betreffend Betriebsanlagen Nachbarn die Rechte gemäß § 73 Abs. 2 AVG jedenfalls dann nicht zu, wenn das entsprechende Verwaltungsverfahren noch in erster Instanz anhängig sei. Dies bedeute, daß das an den Landeshauptmann von Niederösterreich gerichtete Verlangen der Nachbarn HM, CM, MP und AP unzulässig sei und vom Landeshauptmann von Niederösterreich hätte zurückgewiesen werden müssen. Da der Landeshauptmann von Niederösterreich dies verabsäumt habe, habe der gleichfalls im Wege des § 73 Abs. 2 AVG angerufene Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dieses zurückzuweisen gehabt, zumal auch jene Antragsteller, welche keinen Anspruch auf Sachentscheidung hätten, immerhin einen Anspruch darauf hätten, daß über ihren Antrag rechtsförmlich - unter den gegebenen Umständen daher zurückweisend - entschieden werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, laut deren Vorbringen sich die Beschwerdeführer in Rechten insofern verletzt erachten, als die belangte Behörde entgegen den Bestimmungen des § 73 Abs. 1 AVG den entsprechend § 73 Abs. 2 AVG gestellten Devolutionsantrag der Beschwerdeführer als unzulässig zurückgewiesen habe. Weiters sei durch die Bezeichnung eines falschen Normadressaten gegen die Bestimmung des § 59 Abs. 1 AVG verstoßen worden. Zur Begründung wird hiezu - unter Bezugnahme auf den im angefochtenen Bescheid bezeichneten Genehmigungsantrag der mitbeteiligten Partei vom 10. September 1989 - u.a. vorgebracht, es sei zwar richtig, daß Nachbarn grundsätzlich im erstinstanzlichen Verfahren keine Legitimation zur Stellung eines Devolutionsantrages gemäß § 73 Abs. 2 AVG zukomme, es sei denn, daß aus den jeweils anzuwendenden Vorschriften ihr rechtliches Interesse daran abzuleiten sei, daß über das Bewilligungsansuchen alsbald rechtskräftig entschieden werde. Die Beschwerdeführer seien alle Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1973 und hätten zulässige Einwendungen gegen die Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage erhoben. Ebenso aktenkundig sei auch die Tatsache, daß seit neun Jahren eine Betriebsanlage in Betrieb sei, für die keine Betriebsbewilligung erteilt worden sei. Da bis zum heutigen Zeitpunkt auch keine Entscheidung in der Sache durch die Bezirkshauptmannschaft oder durch den mit Devolutionsantrag angerufenen Landeshauptmann von Niederösterreich ergangen sei, hätten sie sich daher auch gegen keinen Bescheid zur Wehr setzen können. Das vorangeführte "rechtliche Interesse" der Beschwerdeführer ergebe sich aus § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1973. Auf Grund dieser Norm dürfe keine Betriebsanlage, welche wegen ihrer Ausstattung, ihrer Betriebsweise oder sonst geeignet sei, das Leben oder die Gesundheit von Nachbarn zu gefährden bzw. diese übermäßig durch Emissionen zu belästigen, ohne Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden. Auch § 366 GewO 1973 sehe es als Verwaltungsübertretung an, wenn eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betrieben würde. Es handle sich im vorliegenden Fall um einen Verwaltungsstraftatbestand, der durch neun Jahre hindurch bereits erfüllt werde, ohne daß die Behörde bis jetzt in irgendeiner Weise tätig geworden sei. Aus diesen Bestimmungen der Gewerbeordnung sei ein rechtliches Interesse der Nachbarn abzuleiten, daß über ein Bewilligungsansuchen bezüglich einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage alsbald entschieden werde. Weiters sei der angefochtene Bescheid gegen einen falschen Normadressaten gerichtet, da Mitantragsteller TM gewesen sei. CM sei zum Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages bereits verstorben gewesen und habe daher auch keinerlei Anträge mehr stellen können. Ihr bereits eingeantworter Sohn habe die Rechtsnachfolge angetreten. Dies sei im Devolutionsantrag ausdrücklich behauptet worden und es werde zum Beweis hiefür eine Kopie der Einantwortungsurkunde vom 21. November 1990 beigelegt. Der angefochtene Bescheid sei jedoch eindeutig gegen die Verstorbene ergangen. Dies bedeute eine Verletzung des § 59 Abs. 1 AVG.

Wie sich aus der in Kopie der Beschwerde angeschlossenen Eingabe an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Februar 1992 ergibt, hatte der Beschwerdevertreter namens der Beschwerdeführer mit dieser einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG mit der Begründung gestellt, die mitbeteiligte Partei habe mit Eingabe vom 10. September 1989 bei der Bezirkshauptmannschaft um gewerbebehördliche Bewilligung zum Neubau der in Rede stehenden Betriebsanlage angesucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Betriebsanlage längst bestanden habe. Da diese Behörde bis zum 24. Mai 1991 über dieses Ansuchen ohne jede sachliche Rechtfertigung nicht entscheiden habe, hätten "die damaligen Einschreiter HM und CM sowie AP und MP" beim "Amt der Niederösterreichischen Landesregierung" einen Devolutionsantrag gestellt. Weiters wird darin ausgeführt, der Vollständigkeit halber sei zu bemerken, daß CM am 3. September 1990 verstorben sei. Eingeantwortete Erben auf Grund der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes vom 21. November 1990 seien der bisherige Antragsteller HM und dessen Sohn TM, der damit in die Rechtsstellung seiner verstorbenen Mutter eintrete.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Nach Abs. 2 geht, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt wird, auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem, sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Beschwerde bezogenen Erkenntnis vom 16. Februar 1988, Zl. 88/04/0024, unter Hinweis auf die dort angeführte weitere hg. Rechtsprechung dargetan hat, kommt im gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren Nachbarn - und zwar auch wenn sie gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 Parteistellung erlangt haben - das Recht, die Entscheidungspflicht geltend zu machen, erst als Berufungswerber gegen den Bewilligungsbescheid zu, es sei denn, daß aus den jeweils anzuwendenden Vorschriften ein rechtliches Interesse des Nachbarn daran abzuleiten ist, daß über das Bewilligungsansuchen alsbald rechtskräftig entschieden werde.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in Z. 1 bis 5 bezeichneten Gefährdungen, Belästigungen oder Beeinträchtigungen hervorzurufen.

Nur ein rechtskräftiger Genehmigungsbescheid kann - abgesehen von den nach dem dargestellten Vorbringen der Beschwerdeführer im Beschwerdefall nicht gegebenen Tatbestandsvoraussetzungen des § 78 Abs. 1 GewO 1973 - die rechtliche Grundlage für die Errichtung und den Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage bilden, ein Umstand, der von den Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtungen wahrzunehmen ist und für dessen Beachtung sie von Amts wegen zu sorgen haben.

Diese Rechtslage läßt aber ein - im Sinne der vorstehenden Darlegungen unabhängig vom Vorliegen einer Nachbarberufung gegen einen Bewilligungsbescheid gegebenes - rechtliches Interesse der Beschwerdeführer an einer alsbaldigen rechtskräftigen Entscheidung über den Genehmigungsantrag der mitbeteiligten Partei nicht erkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher eine rechtswidrige Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde nicht zu erkennen, wenn sie unter Annahme der gemäß § 73 Abs. 2 AVG an sie übergegangenen Zuständigkeit zur Entscheidung über den an den Landeshauptmann von Niederösterreich gestellten Devolutionsantrag zu dessen Zurückweisung gelangte.

Sofern aber in der Beschwerde unabhängig davon weiters geltend gemacht wird, der angefochtene Bescheid sei insofern rechtswidrig, als er im Hinblick auf die nach dem vordargestellten Beschwerdevorbringen eingetretene Rechtsnachfolge des Zweitbeschwerdeführers nach CM an einen falschen Adressaten gerichtet sei, so läßt die dargestellte Sprucheinleitung des angefochtenen Bescheides lediglich erkennen, daß mit diesem auf Grund eingetretener Devolution über das Verlangen des "HM, der CM, des MP und der AP" auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über das in Rede stehende Ansuchen der mitbeteiligten Partei von der Bezirkshauptmannschaft auf den Landeshauptmann von Niederösterreich - vom 24. Mai 1991 - entschieden wurde, wobei in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen ist, daß nach dem bereits dargestellten Vorbringen in dem der Beschwerde in Kopie angeschlossenen Devolutionsantrag an die belangte Behörde der an den Landeshauptmann gerichtete Devolutionsantrag von den "damaligen Einschreitern HM und CM sowie AP und MP" gestellt worden sei, und zwar dies ungeachtet des weiteren Vorbringens, wonach der Vollständigkeit halber zu bemerken sei, daß CM - bereits - am 3. September 1990 verstorben sei.

Ausgehend davon vermag der Verwaltungsgerichtshof auch in Ansehung der Person des Zweitbeschwerdeführers durch den Abspruch des angefochtenen Bescheides eine Verletzung in für die Entscheidung der belangten Behörde relevanten subjektiv-öffentlichen Rechten nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang sei im übrigen darauf hingewiesen, daß dann, wenn im Sinne des Beschwerdevorbringens in dem zugrundeliegenden verwaltungsbehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Rechtsnachfolge des Zweitbeschwerdeführers nach CM anzunehmen wäre, der Zweitbeschwerdeführer durch einen nicht ihn betreffenden Abspruch des angefochtenen Bescheides nicht in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt sein könnte, da die belangte Behörde in diesem Fall noch nicht über seinen Antrag entschieden hätte.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Parteistellung ParteienantragMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Tod des BeschwerdeführersVerletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Person des Bescheidadressaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040257.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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