Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. Dezember 1991, Zl. VerkR-390.177/3-1991/Au, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 19. Juni 1990 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppen A, B, C, E, F und G entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß für die Zeit von 24 Monaten (ab 19. März 1990 bis einschließlich 19. März 1992) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. Der dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 7. Februar 1991 keine Folge gegeben. Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 22. Oktober 1991, Zl. 91/11/0033, Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Mit dem nunmehr angefochtenen, im fortgesetzten Verwaltungsverfahren ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. Dezember 1991 wurde der Berufung des Beschwerdeführers teilweise Folge gegeben und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 19. Juni 1990 dahin abgeändert, daß die Zeit, während der gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, mit 19. März 1990 bis 19. November 1991 festgesetzt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer stellt selbst nicht in Abrede, daß er das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 zu verantworten hat. Auf das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne dieser Gesetzesbestimmung hat auch die belangte Behörde zutreffend Bezug genommen. Sie ging von der Feststellung aus, daß der Beschwerdeführer wegen des Vorfalls vom 19. März 1990 von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach mit Straferkenntnis vom 19. Juni 1990 wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt worden war. Wenngleich die belangte Behörde in die Feststellungen des bekämpften Bescheides auch aufgenommen hat, daß der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dieser Tat sein Fahrzeug in einem stark durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe und "in einer unübersichtlichen Linkskurve infolge überhöhter Geschwindigkeit" mit seinem Pkw von der Fahrbahn abgekommen sei, ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers aus dem bekämpften Bescheid nicht ersichtlich, daß die belangte Behörde von einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967, nämlich von einer Tatbegehung unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit ausgegangen wäre. Die hiezu vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Argumente gehen daher ins Leere. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Vorerkenntnis vom 22. Oktober 1991, Zl. 91/11/0033, darauf hingewiesen, daß es zur Annahme einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 im vorliegenden Fall weiterer Feststellungen, insbesondere auch zur eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit, und zur Rücksichtnahme gegenüber anderen Straßenbenützern, bedurft hätte. Derartige zusätzliche Feststellungen konnten von der belangten Behörde offensichtlich nicht getroffen werden.
Zum Ausspruch einer Entziehungsmaßnahme nach § 73 Abs. 1 oder § 74 Abs. 1 KFG 1967 bedarf es ebenso wie bei der Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 noch der Wertung der Tat nach den Kriterien des § 66 Abs. 3 KFG 1967. Dabei ist für die Berufungsbehörde, soweit sie in Ausübung der Kontrollfunktion tätig wird, der Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides maßgebend (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1992, Zl. 91/11/0080, mit weiteren Judikaturhinweisen). Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Vorerkenntnis vom 22. Oktober 1991, Zl. 91/11/0033, hervorgehoben hat, ist der belangten Behörde darin beizupflichten, daß auf Grund der damit verbundenen Gefahren Alkoholdelikte zu den schwerstwiegenden Verstößen gegen straßenpolizeiliche Vorschriften zählen. Mit Recht hat die belangte Behörde daher in dem nun Bescheid darauf Bedacht genommen, daß das Verhalten des Beschwerdeführers am 19. März 1990 als in besonders hohem Maße verwerflich anzusehen ist. Zutreffend hat die belangte Behörde bei Prüfung der Charakterneigung des Beschwerdeführers ferner berücksichtigt, daß er, nachdem er seinen Bruder und eine weitere Person nach Hause gebracht hatte, sein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu dem Zwecke gelenkt hat, mit seinem Cousin B erneut eine Gastwirtschaft aufzusuchen. Dies hat der Beschwerdeführer selbst bei seiner Einvernahme am 30. März 1990 zugestanden.
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kommt es jedoch im Verfahren bei der Entziehung der Lenkerberechtigung nicht auf die Unfallfolgen an (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1991, Zl. 91/11/0033, vom 21. Jänner 1992, Zl. 91/11/0080, u.v.a.). Ungeachtet der von der belangten Behörde zugunsten des Beschwerdeführers vorgenommenen Abänderung des Erstbescheides hat die belangte Behörde die Zeit im Sinne des § 73 Abs. 2 KFG 1967 erneut unrichtig bemessen. Auch wenn die belangte Behörde auch eine Bestrafung des Beschwerdeführers wegen einer Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO 1960 im Jahre 1988 berücksichtigte, ist zugunsten des Beschwerdeführers zu beachten, daß es sich im vorliegenden Fall um das ERSTE ALKOHOLDELIKT des Beschwerdeführers handelte. Diesem Umstand hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 21. Jänner 1992, Zl. 91/11/0080, mit weiteren Judikaturhinweisen) durchgehend besonderes Gewicht beigemessen. Daß den Wertungskriterien des § 66 Abs. 3 KFG 1967 der "seither verstrichenen Zeit" und "des Verhaltens während dieser Zeit" mit Rücksicht auf die Kürze des vom Vorfall vom 19. März 1990 bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 19. Juni 1990 vergangenen Zeitraumes und im Hinblick auf das anhängige Entziehungsverfahren noch keine entscheidende Bedeutung zukommen kann, wurde im Vorerkenntnis bereits ausgesprochen. Daß der Beschwerdeführer jedoch bis zum vorliegenden Alkoholdelikt keine Verwaltungsstraftat in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gesetzt hatte, und auch sonst keine Umstände erkannt werden konnten, daß der Beschwerdeführer zum Alkoholismus neige, bewirkt, daß auch die nunmehr von der belangten Behörde festgesetzte Zeit von 20 Monaten als zu lange zu qualifizieren ist. Im Erkenntnis vom 29. Oktober 1991, Zl. 91/11/0069, betonte der Verwaltungsgerichtshof, daß die jüngere Rechtsprechung, die besonders darauf Bedacht nimmt, ob es sich um das erste Alkoholdelikt des Beschwerdeführers handelt, jenen Überlegungen des Gesetzgebers entspricht, die offenbar dem durch die 12. Kraftfahrgesetz-Novelle eingefügten § 73 Abs. 3 KFG 1967 zugrundelagen, wenn er dort für den Fall der erstmaligen Begehung eines Alkoholdeliktes, bei der die betreffende Person keinen Verkehrsunfall verschuldet hatte, die Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 mit vier Wochen vorgesehen hat. Im Hinblick darauf ist die frühere Rechtsprechung des Gerichtshofes in vergleichbaren Fällen als überholt anzusehen. Dies gilt insbesondere auch für das von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid erwähnte Erkenntnis vom 28. September 1979, Zl. 1530/79, in welchem der Verwaltungsgerichtshof im Falle der Verursachung eines mit dem Tode eines Menschen verbundenen Verkehrsunfalles in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand trotz Fehlens weiterer für die Entziehung der Lenkerberechtigung sprechender Umstände eine Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 von drei Jahren für rechtens erachtete (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1992, Zl. 91/11/0080). Es trifft wohl zu, daß aus der Bestimmung des § 64a KFG 1967 abzuleiten ist, daß der Gesetzgeber offensichtlich bestrebt ist, den "Führerscheinneuling" besonders zur Einhaltung der Straßenverkehrsvorschriften anzuhalten; es konnte aber im vorliegenden Fall aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer erst ca. eineinhalb Jahre im Besitz der Lenkerberechtigung war, mangels gesetzlicher Grundlage nicht noch zusätzlich ein Grund für eine Verlängerung der Entziehungsdauer abgeleitet werden.
Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Demnach waren dem Beschwerdeführer Kosten nur in dem im Spruch bezeichneten Ausmaß zu erstatten, nämlich S 11.120,-- als Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand und Stempelgebühren im Ausmaß von S 450,-- (S 360,-- für die 3 Beschwerdeausfertigungen und S 90,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides).
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992110044.X00Im RIS seit
12.06.2001