TE Vwgh Erkenntnis 1993/1/12 92/11/0210

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Veröffentlicht am 12.01.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §64 Abs1;
AVG §64 Abs2;
KDV 1967 §30 Abs2;
KDV 1967 §31;
KDV 1967 §34 Abs1 litb;
KDV 1967 §34 Abs1 litd;
KDV 1967 §34 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs2;
KFG 1967 §64;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 10. Juli 1992, Zl. I/7-St-M-9212, betreffend Erteilung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war im Besitz einer von der Erstbehörde erteilten, mit 7. April 1992 befristeten Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen B, C, E, F und G. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 23. März 1992 auf "Streichung bzw. Verlängerung" der im Führerschein eingetragenen Frist gemäß § 64 Abs. 2 KFG 1967 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bestätigte auch die Aussprüche der Erstbehörde, daß nach § 73 Abs. 2 KFG 1967, dem Beschwerdeführer bis zur Wiedererlangung der körperlichen Eignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf und daß der Berufung gegen den Erstbescheid gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt wird.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, und mitgeteilt, daß auf die Einbringung einer Gegenschrift verzichtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, daß die oben wiedergegebenen Aussprüche nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 und nach § 64 Abs. 2 AVG objektiv rechtswidrig sind. Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Lenkerberechtigung, somit auf Erteilung der Lenkerberechtigung für die Zeit nach ihrem Erlöschen infolge Fristablaufes. In einem Erteilungsverfahren haben Absprüche nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 und § 64 Abs. 2 AVG keinerlei Berechtigung. Eine Lenkerberechtigung darf nur nach Prüfung u. a. der Erteilungsvoraussetzung der körperlichen Eignung erfolgen. Die Erteilung hat zu unterbleiben, wenn ihr Nichtvorliegen festgestellt wird. Der in Rede stehende Ausspruch ist daher rechtswidrig, verletzt aber keine Rechte des Beschwerdeführers, weil er nichts anderes anordnet, als sich bereits aus dem Gesetz ergibt.

Gleiches gilt in Ansehung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den Erstbescheid betreffend Verweigerung der Erteilung der Lenkerberechtigung. Eine Berufung gegen einen Bescheid dieses Inhaltes ist keiner aufschiebenden Wirkung zugänglich; die vom Beschwerdeführer angestrebte Änderung seiner Rechte kann nicht im Wege der Erhebung einer Berufung der nach § 64 Abs. 1 AVG die aufschiebende Wirkung zukommt, herbeigeführt werden. Der Beschwerdeführer hätte die Lenkerberechtigung auch dann nicht, wenn der betreffende Ausspruch der Erstbehörde unterblieben wäre oder wenn die belangte Behörde als Berufungsbehörde den in Rede stehenden Ausspruch aufgehoben hätte.

2. Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, daß die Behörden des Verwaltungsverfahrens ihrer Verpflichtung nach § 13a AVG nicht nachgekommen wären. Sie wären verpflichtet gewesen, den unvertretenen Beschwerdeführer darüber zu belehren, daß er das amtsärztliche Gutachten vom 15. April 1992, in welchem seine körperliche Nichteignung festgestellt wurde, durch die Stellung von Beweisanträgen und Beibringung anderer Gutachten zu widerlegen versuchen könne. Es hätte sich dabei nicht um eine Beratung in materiell-rechtlicher Hinsicht, sondern um die Unterweisung über Verfahrenshandlungen gehandelt. Zur Wesentlichkeit dieses behaupteten Verfahrensmangels führt er aus, aus diesem Grunde könne ihm von der belangten Behörde nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine Gutachten und Befunde vorgelegt habe, aus denen resultiere, daß er kein Alkoholiker sei. Er habe aber laienhaft aufzuzeigen versucht, daß er kein Alkoholiker und daher zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet sei.

Im Gutachten des amtsärztlichen Sachverständigen der Erstbehörde und diesem folgend in den Bescheiden beider Instanzen wurde die Annahme der körperlichen Nichteignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen mit einer deutlichen Verschlechterung der Sehkraft mit Zeichen der Progredienz sowie mit extrem erhöhten MCV-Werten und Leberwerten bei hochgradigem Verdacht auf chronischen Alkoholmißbrauch begründet. Der Beschwerdeführer hätte daher durch den Nachweis, daß "er kein Alkoholiker sei", (noch) nicht einen anders lautenden Bescheid herbeiführen können. Er wendet sich in seiner Beschwerde nicht gegen die Annahme, er weise die erforderliche körperliche Eignung wegen einer Minderung der optischen Wahrnehmungsfähigkeit nicht auf. Er hat sich im übrigen auch im Verwaltungsverfahren - insbesondere in seiner Berufung - lediglich mit dem Umstand auseinandergesetzt, daß bei ihm eine auf Alkoholmißbrauch zurückzuführende Erkrankung vorliege.

3. Das Beschwerdeargument, die belangte Behörde habe es unterlassen, den Arbeitgeber des Beschwerdeführers darüber einzuvernehmen, ob der Beschwerdeführer aus dessen Sicht Alkoholmißbrauch betreibe, geht zudem ins Leere, da die Frage der körperlichen Eignung eine medizinische Sachverständigenfrage ist, die allein aus dem körperlichen Zustand der betreffenden Person zu beantworten ist (§ 67 Abs. 2 KFG 1967).

4. Dennoch hat die Beschwerde im Ergebnis Erfolg. Der augenfachärztliche Befund, auf den sich der ärztliche Sachverständige beruft, billigt dem Beschwerdeführer - bei deutlicher Abnahme gegenüber dem Vorbefund aus dem Jahre 1991 - eine gerade noch ausreichende Sehschärfe - 0,5 auf beiden Augen (§ 35 Abs. 5 letzter Satz KDV 1967) - zu. Da der Beschwerdeführer in seiner Berufung zum Ausdruck gebracht hat, daß er nur mehr die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B anstrebe und er "auf die großen Klassen verzichten" würde, hätte mit der "Verschlechterung der Sehkraft" für sich allein noch nicht die Versagung der Lenkerberechtigung für die in Rede stehende Kraftfahrzeuggruppe begründet werden dürfen. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer nach der Aktenlage seit dem Jahr 1978 im Besitz einer Lenkerberechtigung ist und Kraftfahrzeuge gelenkt hat. Selbst bei begründeter Annahme eines Gebrechens im Bereiche der Augen wäre daher von Amts wegen zu prüfen gewesen, ob und inwieweit nicht ein Ausgleich durch erlangte Geübtheit im Sinne des § 30 Abs. 2 KDV 1967 eingetreten ist.

Was den Verdacht des Vorliegens eines chronischen Alkoholmißbrauchs anlangt, so weist der Beschwerdeführer zutreffend darauf hin, daß ein derartiger Verdacht zur Verneinung der Eignung der betreffenden Person nicht hinreicht. Soweit damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, beim Beschwerdeführer liege ein gesundheitlicher Mangel im Sinne des § 34 Abs. 1 lit. d KDV 1967 (Alkoholabhängigkeit oder chronischer Alkoholismus) vor, so wäre jedenfalls § 34 Abs. 3 KDV 1967 verletzt, wonach eine solche Feststellung nur auf Grund einer fachärztlichen Untersuchung, die eine Prüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit einzubeziehen hat, getroffen werden darf (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1990, Zl. 90/11/0102).

Da die belangte Behörde den maßgebenden Sachverhalt unvollständig ermittelt und Verfahrensvorschriften verletzt hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalsätzen nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992110210.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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