TE Vwgh Erkenntnis 1993/1/12 92/11/0205

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Veröffentlicht am 12.01.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §69 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §73;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §74;
KFG 1967 §75 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Juli 1992, Zl. MA 64-8/206/92, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 3. September 1991 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend für die Dauer von zehn Monaten von der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 25. August 1991, demnach bis 25. Juni 1992, entzogen. Grund für diese Maßnahme war, daß der Beschwerdeführer am 25. August 1991 um 19.05 Uhr auf einer näher genannten Straßenstelle in Wien ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und zuvor einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet habe. Der Mandatsbescheid vom 3. September 1991 erwuchs mangels Erhebung einer Vorstellung in Rechtskraft.

Mit Schreiben vom 24. September 1991 übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen der Bundespolizeidirektion Wien eine Ausfertigung der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos Niederösterreich vom 29. August 1991 samt einigen Beilagen. Nach dem Inhalt der übermittelten Unterlagen hat der Beschwerdeführer am 25. August 1991 gegen

20.55 Uhr auf einer näher bezeichneten Stelle der A 2 Südautobahn in Niederösterreich ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden verschuldet.

Mit Schreiben vom 23. März 1992 ersuchte der Beschwerdeführer um Ausfolgung seines am 25. August 1991 abgenommenen Führerscheines.

Mit Bescheid vom 26. März 1992 entzog die Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B und sprach gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 aus, daß dem Beschwerdeführer "für die Zeit von zehn Monaten, das ist vom Tag der vorgesehenen Wiedererteilung an sohin vom 26.6.1992 bis 26.4.1993 keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 26. März 1992 erhobenen Berufung keine Folge gegeben und dieser Bescheid bestätigt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt. Das Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung ist insoferne ein einheitliches, als die Behörde das Vorliegen aller Erteilungsvoraussetzungen zu beurteilen hat, und - bei Feststellung, daß nicht mehr alle Erteilungsvoraussetzungen gegeben sind - die Lenkerberechtigung zu entziehen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 auszusprechen hat, wie lange der betreffende Lenker nicht im Besitze seiner Lenkerberechtigung sein soll bzw. ihm eine neue Lenkerberechtigung nicht erteilt werden darf. Die Prognoseentscheidung hat sie auf Grund aller bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides verwirklichten Tatsachen zu treffen. Mit dem Eintritt der Rechtskraft eines Entziehungsbescheides wegen Verkehrsunzuverlässigkeit steht fest, daß der betreffende Lenker zu diesem Zeitpunkt nicht verkehrszuverlässig ist und zu welchem Zeitpunkt frühestens mit der Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit gerechnet werden kann. Eine neuerliche Entziehung der Lenkerberechtigung wegen des Vorliegens von Tatsachen, die vor der Zustellung des in Rechtskraft erwachsenen Entziehungsbescheides verwirklicht worden sind, ist nicht zulässig (eine Ausnahme von diesem Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens hat der Verwaltungsgerichtshof lediglich im Zusammenhang mit einer Entziehung nach § 73 Abs. 3 KFG 1967 anerkannt; vgl. das Erkenntnis vom 17. November 1992, Zl. 91/11/0140). Erlangt die Behörde nach Eintritt der Rechtskraft eines Entziehungsbescheides von Tatsachen Kenntnis, die sie ohne ihr Verschulden im rechtskräftig abgeschlossenen Entziehungsverfahren nicht verwendet hat, so stellt dies einen Grund für eine amtswegige Wiederaufnahme des Entziehungsverfahrens dar. Derart wird die Behörde in die Lage versetzt, ihr erst nachträglich zur Kenntnis gelangte Umstände der Art der Entziehung (§ 73 oder § 74 KFG 1967) nach oder in bezug auf die Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 mitzuberücksichtigen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 1990, Zl. 89/11/0224).

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben dies verkannt und wegen der zweiten am 25. August 1991 verwirklichten bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 eine zweite Entziehung der Lenkerberechtigung vom Ende der im Zusammenhang mit der ersten Entziehung festgesetzten Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 an verfügt. Dies belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992110205.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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