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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der Wählergruppe "Unpolitische Wirtschaftsliste des
österreichischen Weingroßhandels", vertreten durch den Zustellungsbevollmächtigten O in S, dieser vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. Jänner 1992, Zl. 38.500/8-III/10/91, betreffend Zurückweisung eines Einspruches gegen die Ermittlung des Ergebnisses der am 14. November 1990 durchgeführten Wahlen in die Bundessektionsleitungen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Hauptwahlkommission bei der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (in der Folge kurz: HWK) schrieb am 4. Oktober 1990 gemäß §§ 26 bis 28 der Handelskammer-Wahlordnung - HKWO, BGBl. Nr. 364/1969 idF gemäß BGBl. Nr. 503/1989 (§ 100 Abs. 1 iVm § 94 Abs. 1 des Handelskammergesetzes - HKG, BGBl. Nr. 182/1946 idF gemäß BGBl. Nr. 663/1983) für den 14. November 1990 die "Wahlen in die Bundessektionsleitungen (Wahlen der Kammerräte/Delegierte der Fachverbände im Kammertag/)" aus. Gemäß dieser Wahlkundmachung mußten Wahlvorschläge spätestens am Dienstag, dem 16. Oktober 1990, um 24 Uhr bei der HWK eingelangt sein.
Die Wählergruppe "Unpolitische Wirtschaftsliste des österreichischen Weingroßhandels" (in der Folge kurz: Beschwerdeführerin) nahm am 12. und am 15. Oktober 1990 durch ihren Zustellungsbevollmächtigten schriftlich gegen die Abhaltung der Wahlen in dieser Form Stellung, weil sie die Wahlkundmachung erst am Freitag, dem 12. Oktober 1990, erhalten habe und ihr daher für die Einreichung eines Wahlvorschlages unter Berücksichtigung des Wochenendes nur eine unangemessen kurze Frist zur Verfügung stehe. Einen Wahlvorschlag hat die Beschwerdeführerin weder vor noch nach dem 16. Oktober 1990 eingebracht.
Tatsächlich wurde für alle zu wählenden (sechs) Bundessektionsleitungen nur je ein gültiger Wahlvorschlag eingereicht. Daraufhin sah die HWK in sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 5 HKWO von der Fortsetzung des Wahlverfahrens ab und erklärte die Wahlwerber dieser Wahlvorschläge mit 14. November 1990 für gewählt (Kundmachung vom 18. Oktober 1990).
Den dagegen von der Beschwerdeführerin und von ihrem Zustellungsbevollmächtigten gemäß § 91 Abs. 1 (§ 100 Abs. 1 und § 95 Abs. 4 letzter Satz) HKG erhobenen Einspruch wies die HWK mit ihrem Bescheid vom 27. Dezember 1990 mit der Begründung zurück, daß die Beschwerdeführerin mangels Einreichung eines Wahlvorschlages zu einem solchen Einspruch nicht legitimiert sei, und O daher auch nicht als Zustellungsbevollmächtigter im Sinne der HKWO anzusehen sei. Außerdem habe der Einspruch nicht der Vorschrift des § 22 HKWO entsprochen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerin und ihr Zustellungsbevollmächtigter Beschwerde gemäß § 91 Abs. 4 (§ 100 Abs. 1 und § 95 Abs. 4 letzter Satz) HKG.
In der Folge erhob die Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 91/09/0207 Säumnisbeschwerde gegen die belangte Behörde, welche den versäumten (nunmehr angefochtenen) Bescheid jedoch am 15. Jänner 1992 nachholte, weshalb das Verfahren über die Säumnisbeschwerde mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1992 gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eingestellt wurde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. Jänner 1992 hat die belangte Behörde der Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der HWK vom 27. Dezember 1990 "aus den zutreffenden Gründen des (bei ihr) angefochtenen Bescheides" keine Folge gegeben. Ergänzend führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, die Prüfung durch die HWK im Einspruchsverfahren habe sich auf die "Ermittlung des Wahlergebnisses" zu beschränken. Nicht zu prüfen sei in diesem Verfahren demnach, ob die im betreffenden Wahlverfahren nicht als Wählergruppe kandidierende Beschwerdeführerin in ihrer Möglichkeit, an den Wahlen in die Bundessektionsleitung teilzunehmen, gehindert oder verkürzt worden sei. Zur Geltendmachung derartiger, nicht die ziffernmäßige Ermittlung betreffender Rechtswidrigkeiten wäre vielmehr die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof offengestanden.
Diesen Bescheid hat der Zustellungsbevollmächtigte der Beschwerdeführerin mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bekämpft, welcher diese Beschwerde jedoch mit Beschluß vom 29. September 1992, B 286/92-3, zurückwies, weil "nach dem klaren Wortlaut des § 91 HKG" die Geltendmachung von Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens nur Wählergruppen, nicht aber deren Zustellungsbevollmächtigten persönlich, zukomme.
Ferner hat die Beschwerdeführerin die Wahlen in die Bundessektionsleitungen gemäß Art. 141 B-VG beim Verfassungsgerichtshof angefochten. Diese Wahlanfechtung hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 29. September 1992, W I-1/92-10, ebenfalls zurückgewiesen. Die Wahlanfechtung sei deshalb unzulässig, weil hiezu gemäß § 67 Abs. 2 VerfGG 1953 nur Wählergruppen (Parteien) berechtigt seien, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge (rechtzeitig) vorgelegt hätten. Die Beschwerdeführerin hätte deshalb ihr Interesse, an dieser Wahl als kandidierende Wählergruppe teilnehmen zu wollen, etwa dadurch bekunden müssen, daß sie "einen Wahlvorschlag zumindest während des ihrer Ansicht nach gesetzlich vorgesehenen Zeitraumes einreichen" hätte müssen, um die Richtigkeit ihrer Auffassung in einem verfassungsgerichtlichen Wahlanfechtungsverfahren nachprüfen lassen zu können.
Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Jänner 1992 auch mit der vorliegenden Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft. Sie macht darin als inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend, daß ihr für die Erstattung von Wahlvorschlägen in gesetzwidriger Weise nur vier Tage zur Verfügung gestanden seien, wobei in diese Frist auch ein Wochenende gefallen sei. Die HWK habe die Bestimmungen der HKWO und des HKG nicht eingehalten und dadurch das Verfahren mit wesentlichen Mängeln belastet.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde gemäß § 12 Abs. 3 VwGG im Fünfersenat erwogen:
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, und zwar nach Erschöpfung des Instanzenzuges.
Gemäß Art. 133 Z. 1 B-VG sind von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes die Angelegenheiten ausgeschlossen, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören.
Der Verfassungsgerichtshof erkennt u.a. gemäß Art. 141 Abs. 1 lit. a B-VG über die Anfechtungen der Wahl des Bundespräsidenten sowie von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern und zu den satzungsgebenden Organen (Vertretungskörpern) der gesetzlichen beruflichen Vertretungen.
Die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Landeskammern, Bundeskammer) sind gesetzliche berufliche Vertretungen im Sinne des Art. 141 Abs. 1 lit. a B-VG (vgl. dazu etwa VfGH-Slg. 8644, 4584, 1936, sowie § 1 HKG). Satzungsgebendes Organ für den Bereich der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft ist der Kammertag (§ 24 HKG, siehe dazu näher Korinek, Wirtschaftliche Selbstverwaltung, Springer, Wien 1970, S. 58; ferner VfGH-Slg. 3433).
Der Kammertag setzt sich gemäß § 24 Abs. 1 HKG wie folgt zusammen:
a. aus dem Präsidium der Bundeskammer (das sind gemäß § 22 Abs. 1 HKG der Präsident und die beiden Vizepräsidenten der Bundeskammer);
b. aus den Präsidien der (gemäß § 34 Abs. 1 HKG insgesamt sechs) Sektionen der Bundeskammer (das sind gemäß den §§ 25 und 12 Abs. 1 HKG jeweils der Obmann und seine beiden Stellvertreter, die gemäß den §§ 101 und 96 HKG aus den in die Bundessektionsleitungen Gewählten zu wählen sind);
c. aus den Präsidien sowie 42 Delegierten der Landeskammern sowie
d. aus 35 Delegierten der Fachverbände (diese
35 Delegierten sind identisch mit den Mitgliedern der Bundessektionsleitungen, die nicht gemäß b. in deren Präsidien gewählt wurden, vgl. dazu Korinek, aaO, Anm. 80 auf S. 55).
Mit den von der HWK am 4. Oktober 1990 kundgemachten "Wahlen in die Bundessektionsleitungen (Wahlen der Kammerräte/Delegierte der Fachverbände im Kammertag/)" waren daher insgesamt 53 Mitglieder (davon 18 gemäß b. und 35 gemäß d.) des für die Bundeskammer satzungsgebenden Kammertages zu wählen, wie dies auch im § 100 Abs. 2 HKG vorgesehen ist. Es handelte sich daher um eine Wahl zu einem satzungsgebenden Organ der Bundeskammer im Sinne des Art. 141 Abs. 1 lit. a B-VG (dafür spricht auch das Anliegen der B-VG-Novelle BGBl. Nr. 12/1958, mit der im Art. 141 Abs. 1 B-VG die Entscheidung über die Anfechtung von Wahlen zu den satzungsgebenden Organen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen in die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes übertragen wurde, vgl. die EBzRV, 315 der Beilagen, NR VIII.GP). Gemäß § 68 Abs. 1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein. Der Verfassungsgerichtshof hat daraus abgeleitet, daß bei derartigen Wahlen nur der Weg der Anfechtung nach Art. 141 B-VG offensteht. Sieht das betreffende Wahlgesetz einen Instanzenzug vor, so bildet eine solche Entscheidung der Wahlbehörde nur einen Teilakt des Wahlverfahrens, der nicht mit Bescheidbeschwerde angefochten werden kann (siehe dazu den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 26. November 1990, B 1078/90-8, und die dort angeführte Vorjudikatur). Die Beschwerdeführerin hat diesen Weg auch beschritten, allerdings infolge eines vom Verfassungsgerichtshof aufgegriffenen Formmangels ohne Erfolg.
Im Sinne dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hat auch der Verwaltungsgerichtshof Bescheidbeschwerden, welche Wahlen im Sinne des Art. 141 B-VG betreffen, wegen Unzuständigkeit (Art. 133 Z. 1 B-VG) zurückgewiesen (siehe dazu etwa die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1990, Zl. 90/01/0135, und vom 23. April 1986, Zlen. 86/01/0063, 0073). Die vorliegende Beschwerde bildet keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzugehen.
Es ist somit die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes für die Behandlung der vorliegenden Beschwerde ausgeschlossen, weshalb diese gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie 51 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992090059.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009