Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §27 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 15. August 1992, Zl. Senat-MD-91-031, betreffend Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (mitbeteiligte Partei: Y in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 10. April 1991 wurde die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für schuldig befunden, sie habe es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der G.-AG zu verantworten, daß am 25. September 1990 in der Filiale dieser AG an einem näher beschriebenen Ort in V gegen zwei näher angeführte Vorschriften der AAV verstoßen worden sei. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über die mitbeteiligte Partei Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Der gegen Spruchpunkt 2) dieses Straferkenntnisses erhobenen Berufung der mitbeteiligten Partei gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 5. August 1992 Folge, indem sie das erstinstanzliche Straferkenntnis insoweit behob und gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG die Einstellung des Strafverfahrens verfügte.
In der Begründung wurde - soweit für die Erledigung der vorliegenden Beschwerde wesentlich - ausgeführt, gemäß § 51 Abs. 1 VStG stehe dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen worden sei. Der gesamte Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses enthalte keine ausdrückliche Nennung des Tatortes. Angegeben sei lediglich der Name der G.-AG (ohne Angabe eines Unternehmenssitzes), für die die mitbeteiligte Partei gemäß § 9 VStG die Verantwortung trage. Angegeben sei ferner der Standort der Unternehmensfiliale in V, in der die Übertretung der AAV durch das Arbeitsinspektorat festgestellt worden sei. Mangels einer ausdrücklichen Tatortangabe und des Vorliegens einer einzigen Ortsangabe (in V) sei der unabhängige Verwaltungssenat "zwangsläufig" zu dem Ergebnis gelangt, daß dieser Ort von der ersten Instanz als Tatort angenommen worden sei, weshalb sich der unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich gemäß § 51 Abs. 1 VStG für die Entscheidung über die Berufung als zuständig erachte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs. 1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 12. März 1990, Zlen. 90/19/0091, 0092, 0093) kommt es für den Bereich des VStG in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen - und dies trifft auch auf in Filialen gegliederte Unternehmungen zu -, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird (also insbesondere nicht auf den Ort des Filialbetriebes); vielmehr ist gemäß § 27 Abs. 1 VStG örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Als Ort, an dem die gebotenen Vorsorgehandlungen unterlassen wurden, ist der Sitz der Unternehmensleitung anzusehen.
Im vorliegenden Fall läßt sich allerdings weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 10. April 1991 insoweit der Tatort entnehmen; vielmehr ist die in diesem Straferkenntnis enthaltene örtliche Umschreibung der Filiale lediglich als ein - wenn auch wesentliches - Sachverhaltselement im Sinne des § 44a Z. 1 VStG anzusehen. Für einen solchen Fall hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Oktober 1991, Zlen. G 187/91, G 269/91, im Zusammenhang mit der Prüfung des § 51 Abs. 1 VStG in Hinsicht auf seine Verfassungsmäßigkeit ausgeführt, daß der Tatzuschreibung in örtlicher Beziehung der konkretisierte Tatvorwurf, wie er sich aus den Akten in Verbindung mit der Bescheidbegründung in der Regel notwendig ergebe, zugrunde gelegt werden müsse. Im vorliegenden Beschwerdefall ist entsprechend der Aktenlage der Sitz der Leitung des Unternehmens, zu dem die in Rede stehende Filiale gehört, nicht in Niederösterreich, sondern in Wien gelegen.
Damit aber war die belangte Behörde im Grunde des § 51 Abs. 1 VStG für die Erledigung der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung örtlich nicht zuständig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen bzw. die weiteren Ausführungen in den Gegenschriften der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei weiter einzugehen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992180416.X00Im RIS seit
20.11.2000