TE Vwgh Erkenntnis 1993/1/14 91/09/0230

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Veröffentlicht am 14.01.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

Norm

B-VG Art18 Abs1;
HKG 1946 §57 Abs1 idF 1969/208;
HKG 1946 §57 Abs2 idF 1969/208;
HKG 1946 §57 Abs4 idF 1979/570;
HKG 1946 §57 Abs4 idF 1991/620;
HKG 1946 §57 Abs5 idF 1979/570;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der B & Co GmbH in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 23. Oktober 1991, Zl. Präs. 140-1/91/Wa/N, betreffend Kammerumlagepflicht nach § 57 Abs. 1 und 2 HKG (idF vor der 8. HKG-Novelle), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Aus den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ergibt sich, daß mit Bescheid vom 9. April 1991 über das von der beschwerdeführenden Partei erhobene Rechtsmittel gegen den Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1982 gemäß § 57e Abs. 2 HKG wie folgt entschieden worden ist:

"Die Arbeitsgemeinschaft XY, P-Gasse 54, gebildet ausschließlich aus zwei Gesellschaften, nämlich aus den Firmen "B & Co. Gesellschaft" W, und "I Gesellschaft m.b.H.", B, welche beide jeweils auf Grund entsprechender für einen Wiener Standort ausgestellten (Gewerbe-) Berechtigungen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien und auch der Bundeskammer als Mitglied angehören, ist bzw. war gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 HKG verpflichtet, Kammerumlagen in Form eines Zuschlages zur Gewerbesteuer (Landes- und Bundeskammerumlage) für das Jahr 1982 zu entrichten."

Dieser Bescheid ist von dem gemäß § 53a HKG delegierten Präsidenten der Landeskammer Wien der gewerblichen Wirtschaft erlassen worden.

Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid, der auf Grund seiner Fertigungsklausel dem gemäß § 53a HKG mit Beschluß vom 30. Mai 1980 delegierten Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer zuzurechnen ist, wurde über die Berufung der beschwerdeführenden Partei abweisend entschieden und der vorher genannte Bescheid vom 9. April 1991 bestätigt.

Zur Begründung wird im wesentlichen dargelegt:

Die Behörde erster Instanz habe mit ihrem Bescheid gemäß § 57e Abs. 2 HKG festgestellt, daß die ARGE-XY, P-Gasse 54, W, aus zwei Gesellschaftern, nämlich aus den Firmen "B & Co Gesellschaft" in W, und "I Gesellschaft mbH" in B, gebildet werde. Die ARGE sei gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 HKG verpflichtet, Kammerumlagen in Form eines Zuschlages zur Gewerbesteuer (Landes- und Bundeskammerumlage) für das Jahr 1982 zu entrichten. Die Anwendung dieser Bestimmung ergäbe sich kraft Analogie zu § 57 Abs. 4, fünfter Satz HKG, wonach - falls ein Kammermitglied gemeinsam mit einem oder mit mehr als einem anderen Kammermitglied eine ARGE gebildet habe - die weitere Umlage (Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) durch diese zu entrichten sei.

Die beschwerdeführende Partei habe in ihrer Berufung bestritten, daß für die genannte ARGE für 1982 eine Kammerumlagepflicht in Form eines Zuschlages zur Gewerbesteuer bestehe und habe eingewendet, daß es "für eine Vorschreibung der Landeskammerumlage und der Bundeskammerumlage in Form eines Zuschlages zur Gewerbesteuer" an eine ARGE jeder gesetzlichen Grundlage entbehre. Ein Analogieschluß zwischen § 57 Abs. 4 HKG und § 57 Abs. 1 und 2 HKG werde auf Grund der eindeutigen Formulierung des § 57 Abs. 1 und Abs. 2 HKG als unzulässig gewertet. Weiters sei der erstinstanzliche Bescheid aber auch deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet, weil gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 HKG nur Kammermitglieder einen Zuschlag zur Gewerbesteuer als Landes- und Bundeskammerumlage zu entrichten hätten. Im erstinstanzlichen Bescheid sei auch festgehalten worden, daß Arbeitsgemeinschaften keine Kammermitglieder seien, weil sie über keine Rechtspersönlichkeit verfügten und folglich auch keine Gewerbeberechtigung(en) besitzen könnten. Auch auf Grund dieses Umstandes der Nichtmitgliedschaft sei die Festsetzung einer Umlagepflicht rechtswidrig.

Nach auszugsweiser Wiedergabe der Rechtslage führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, die im § 57 HKG geregelten Kammerumlagen hätten als gemeinsamen Zweck die Bedeckung der Ausgaben auf Landes- und Bundeskammerebene. Als Träger der beiden festgelegten Bemessungsgrundlagen erschienen nach dem Gewerbesteuerrecht und nach dem Sozialversicherungsrecht die einzelnen Kammermitglieder selbst sowie die von ihnen gebildeten Arbeitsgemeinschaften. Die Pflicht zur Leistung von Kammerumlagen werde im § 57 HKG dergestalt geregelt, daß als Verpflichtete für die Leistung der Kammerumlage nach Abs. 4 im Unterschied zur Kammerumlage nach Abs. 1 und Abs. 2 auch Arbeitsgemeinschaften ausdrücklich genannt seien. § 57 Abs. 1 und Abs. 2 HKG erscheine unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung als unvollständige Regelung hinsichtlich der verpflichteten Kammerumlagenträger. Es sei daher von einer echten Regelungslücke auszugehen, die durch Analogie zu § 57 Abs. 4 HKG als einer dem Kammerumlagen-System zugrundeliegenden Regelung zu schließen sei. Unbestritten sei, daß "Arbeitsgemeinschaften" keine Kammermitglieder seien, weil sie keine Rechtspersönlichkeit und folglich auch keine Gewerbeberechtigung besäßen. Die Arbeitsgemeinschaften führten aber auch Sozialversicherungsbeiträge und insbesondere den Dienstgeberbeitrag nach dem Familienlastenausgleichsgesetz ab, ohne sozialversicherungsrechtlicher Dienstgeber zu sein. Vielmehr sei dieser im Kreise der Mitgliedsfirmen der betreffenden Arbeitsgemeinschaft zu suchen. Wie bereits dargestellt, sei es durchaus üblich, daß für einzelne Sachbereiche Arbeitsgemeinschaften als Träger von bestimmten Rechten und Pflichten herangezogen würden, unabhängig von deren Rechtspersönlichkeit oder Mitgliedschaft zu einer Organisation. Die Argumentation hinsichtlich der Nichtmitgliedschaft von Arbeitsgemeinschaften im Rahmen der Kammerorganisation gehe daher rechtlich ins Leere.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 HKG keine Landes- und Bundeskammerumlage in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der genannten ARGE entrichten zu müssen, und bringt im wesentlichen vor:

Die genannte ARGE sei eine Arbeitsgemeinschaft des Baugewerbes in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Arbeitsgemeinschaftsvertrag zwischen der beschwerdeführenden Partei und der I GmbH sei am 17. Juni 1977 abgeschlossen worden. Die genannte ARGE sei als solche nach § 1 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes gewerbesteuerpflichtig. Im wesentlichen bestreitet die beschwerdeführende Partei, daß für die genannte ARGE für 1982 eine Kammerumlagenpflicht in Form eines Zuschlages zur Gewerbesteuer im Sinne des § 57 Abs. 1 und Abs. 2 HKG bestehe, weil es für die Vorschreibung der Landes- und Bundeskammerumlage im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmung überhaupt keine gesetzliche Grundlage gäbe und weil die genannte ARGE nicht Kammermitglied sei. Auf Grund des Gesetzeswortlautes bzw. der dahinterstehenden Zweckrichtung des § 57 Abs. 1 und Abs. 2 HKG sei auch ein Analogieschluß aus § 57 Abs. 4 HKG nicht zulässig, weil es sich hiebei um eine Spezialnorm handle und damit dem Verhältnis zwischen lex specialis und lex generalis widersprochen werde.

§ 57 Abs. 1 und Abs. 2 des Handelskammergesetzes, BGBl. Nr. 182/1946, in der Fassung BGBl. Nr. 208/1969, lauten - soweit dem für den Beschwerdefall Bedeutung zukommt - wie folgt:

"(1) Zur Bedeckung der in den genehmigten Jahresvoranschlägen vorgesehenen, durch Anteile an den Grundumlagen (§ 57a) und den Einverleibungsgebühren (§ 57b), durch Gebühren für Sonderleistungen (§ 57c) und sonstige Einnahmen nicht gedeckten Ausgaben der Landeskammern haben die Kammermitglieder als Landeskammerumlage einen Zuschlag zur Gewerbesteuer zu entrichten, der von den Finanzbehörden des Bundes gemeinsam mit dieser Steuer vorzuschreiben und einzuheben ist ....

(2) Zur Bedeckung der in den genehmigten Jahresvoranschlägen vorgesehenen, durch Gebühren für Sonderleistungen (§ 57c) und sonstige Einnahmen nicht gedeckten Ausgaben der Bundeskammer haben die Kammermitglieder als Bundeskammerumlage einen Zuschlag zur Gewerbesteuer zu entrichten, der von den Finanzbehörden des Bundes gemeinsam mit dieser Steuer vorzuschreiben und einzuheben ist ...."

Gemäß § 57 Abs. 4 und Abs. 5 HKG (in der Fassung BGBl. Nr. 570/1979) können die Landeskammern und die Bundeskammer zur weiteren Deckung ihrer Ausgaben eine weitere Umlage festlegen, die als Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag konzipiert ist. In diesem Zusammenhang findet sich in § 57 Abs. 4 fünfter Satz folgende ausdrückliche Regelung:

"Hat ein Kammermitglied gemeinsam mit einem oder mit mehr als einem anderen Kammermitglied eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, so wird die weitere Umlage hinsichtlich der Arbeitslöhne, die bei der Arbeitsgemeinschaft anfallen, durch diese entrichtet."

Die belangte Behörde vermeint, daß die Regelungen des § 57 Abs. 1 und Abs. 2 HKG unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung als unvollständige Regelungen hinsichtlich der verpflichteten Kammerumlageträger erscheinten und daher von einer echten Regelungslücke auszugehen sei, die durch Analogie zu § 57 Abs. 4 HKG als einer dem Kammerumlagen-System zugrundeliegenden Überlegung zu schließen wäre.

Unbestritten ist jedenfalls, daß Arbeitsgemeinschaften keine Kammermitglieder sind. Wie die belangte Behörde selbst in ihrer Gegenschrift einräumt, konnte erst mit der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991, die "schon lange fällige Regelung für die Kammerumlage nach § 57 Abs. 1 HKG geschaffen werden, wie sie für die Kammerumlage nach § 57 Abs. 4 HKG gilt". Mit Art. I Z. 45 der genannten HKG-Novelle wurde dem § 57 Abs. 1 nach dem ersten Satz folgende Wortfolge eingefügt, die gemäß Art. III Abs. 1 der Novelle mit 1. Jänner 1993 in Kraft tritt:

"Hat ein Kammermitglied gemeinsam mit einem oder mit mehr als einem anderen Kammermitglied eine Arbeitsgemeinschaft auf Dauer gebildet, so wird die Umlage durch die Arbeitsgemeinschaft entrichtet."

Im Bericht des Handelsausschusses (246 der Beilagen, XVIII. GP) wird dazu ausgeführt:

"Es wird nunmehr auch für die Kammerumlage nach § 57 Abs. 1 jene Regelung geschaffen, wie sie für die Kammerumlage nach Abs. 4 bereits auf Grund der Novelle BGBl. Nr. 663/1983 gilt."

Weder aus der gesetzlichen Einfügung mit der 8. HKG-Novelle noch aus dem Bericht des Handelsausschusses ergibt sich ein Ansatzpunkt dafür, daß diese Neuregelung nur eine Klarstellung bzw. Füllung einer echten Gesetzeslücke hätte bringen sollen.

Zu den von der belangten Behörde weiters angestellten Überlegungen zur Analogie in diesem Zusammenhang ist vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips, bezogen auf den Beschwerdefall, grundsätzlich davon auszugehen, daß finanzielle Ansprüche und diesbezüglich belastende Eingriffsmöglichkeiten öffentlicher Stellen nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind. Eine belastende Analogie im Sinne des Vorbringens der belangten Behörde erscheint aber in engen Grenzen insoferne zulässig, als der Sinn der gesetzlichen Regelung EINDEUTIG zeigt, daß der vom Wortlaut der Norm nicht mehr erfaßte Sachverhalt dem geregelten so ähnlich ist, daß seine Außerachtlassung als schwerer Verstoß gegen die Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit gewertet werden müßte. Eine derart weitgehende Ähnlichkeit liegt hinsichtlich der in Frage stehenden gesetzlichen Regelungen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht vor.

Da es solcherart der erfolgten Entscheidung über die Verpflichtung zur Entrichtung einer Kammerumlage in Form eines Zuschlages zur Gewerbesteuer für das Jahr 1982 dem Grunde nach an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung gefehlt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das unbegründete Mehrbegehren an Barauslagen war abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991090230.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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