Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 1. Oktober 1991, Zl. FrB-4250/91, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 1. Oktober 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 iVm § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) gestütztes, bis 31. Dezember 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.
In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer seit 1987 wegen zahlreicher Verwaltungsübertretungen, darunter dreier Übertretungen des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO, rechtskräftig bestraft worden sei. Gleichzeitig mit der ersten Bestrafung wegen Lenkens eines Kfz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Straferkenntnis vom 7. Juli 1987) sei dem Beschwerdeführer der "Führerscheinentzug" sowie die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Wiederholungsfall angedroht worden. Gleichzeitig mit seiner zweiten Bestrafung wegen des gleichen Deliktes (Straferkenntnis vom 29. September 1989) sei dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung auf die Dauer von sechs Monaten entzogen worden. Aufgrund dieser schwerwiegenden Verfehlungen sei dem Beschwerdeführer von der Verwaltungsbehörde am 25. Jänner 1990 neuerlich mitgeteilt worden, daß er bei nochmaligem Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu rechnen habe. Von dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme sei Abstand genommen worden, weil "gravierende persönliche Verhältnisse" vorgelegen seien. Trotz der vorhergegangenen Bestrafungen, der kraftfahrrechtlichen Maßnahmen und der zweimaligen Androhung der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes für den Wiederholungsfall sei der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 16. Mai 1991 neuerlich wegen Lenkens eines Kfz in alkoholbeeinträchtigtem Zustand bestraft worden. Aufgrund dieses Sachverhaltes sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten gewesen. In Anbetracht der Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers und der von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, wobei in dieser Hinsicht der 15jährige Aufenthalt des Beschwerdeführers, sowie der 20jährige Aufenthalt seiner Gattin in Österreich und die damit gegebene Integration der Genannten wie auch deren hier geborener Kinder zu berücksichtigen gewesen seien.
2. Die gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde von diesem - nachdem deren Behandlung abgelehnt worden war (Beschluß vom 9. Juni 1992, B 1375/91-6) - mit Beschluß vom 20. Oktober 1992,
B 1375/91-8, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG iVm § 87 Abs. 3 VerfGG 1953 dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Beschwerdeergänzung vom 10. Dezember 1992) erachtet sich der Beschwerdeführer in dem "Recht, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Aufenthaltsverbot verhängt zu bekommen", verletzt, behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt aus diesen Gründen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Rechtsansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe aufgrund seiner drei rechtskräftigen Bestrafungen jeweils wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 erster Fall FrPolG verwirklicht, unbekämpft. Dazu, daß die behördliche Subsumtion keinen rechtlichen Bedenken begegnet, sei auf die ständige hg. Rechtsprechung verwiesen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0451, m. w.N.).
2.1. Nach Auffassung des Beschwerdeführers enthält der angefochtene Bescheid insofern keine ausreichende Begründung, als - im Rahmen der Anwendung des § 3 Abs. 3 FrPolG - nicht dargelegt werde, inwiefern eine zwingende Notwendigkeit zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes bestehe bzw. nicht gelindere Mittel den angestrebten Verwaltungszweck herbeiführen könnten.
2.2. Dieser Vorwurf ist nicht gerechtfertigt. Die belangte Behörde hat unter Gegenüberstellung der im Beschwerdefall maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einerseits und der persönlichen (familiären), für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechenden Interessen anderseits dargetan, daß und weshalb sie zur Wahrung der in Rede stehenden öffentlichen Interessen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer für geboten erachtet und die Abstandnahme von dieser Maßnahme unverhältnismäßig schwerer wiegen würde als seine nachteiligen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Dem vermochte die Beschwerde außer der wiedergegebenen unsubstantiierten Behauptung nichts entgegenzusetzen.
3. Aber auch der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machenden Rüge des Beschwerdeführers vermag der Gerichtshof nicht beizupflichten. Im Gegensatz zu der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist das von der belangten Behörde in Handhabung des § 3 Abs. 3 FrPolG erzielte Ergebnis, daß die maßgeblichen öffentlichen Interessen unverhältnismäßig gewichtiger seien als die gegenläufigen zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Interessen, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Dies ungeachtet des aus verschiedenen von der belangten Behörde aufgezeigten Umständen resultierenden großen Ausmaßes der Integration des Beschwerdeführers und seiner Familie und des daraus zutreffend abgeleiteten erheblichen Gewichtes der im Grunde des § 3 Abs. 3 FrPolG zu beachtenden privaten Interessen. Denn die von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit und die solcherart herbeigeführte Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit wurde von der belangten Behörde zu Recht als besonders groß gewertet. Darüber hinaus war die im bekämpften Bescheid hervorgehobene Tatsache der zweimaligen (letztlich fruchtlos gebliebenen) Androhung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für den Fall eines neuerlichen Verstoßes gegen die österreichische Rechtsordnung im Rahmen der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 FrPolG keineswegs gering zu veranschlagen, wirft sie doch ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber rechtlich geschützten Werten, insbesondere der körperlichen Sicherheit Dritter, und ist durchaus geeignet, die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für das besagte öffentliche Interesse noch zu unterstreichen.
4. Was den Beschwerdehinweis anlangt, der Verwaltungsgerichtshof werde im Hinblick darauf, daß "Art. 8 EMRK insgesamt zweimal im Normtext des § 3 Fremdenpolizeigesetz als einfachgesetzliche Norm transformiert ist", auch die "internationale Menschenrechtssprechung" anzuwenden haben, aus der sich ergebe, "daß das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer Lichtjahre von jener Güterabwägung entfernt ist, die die Menschenrechtskonvention gebieten würde", so vermag dieses Vorbringen konkrete Darlegungen, welche die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung rechtswidrig erscheinen ließe, nicht zu ersetzen.
5. Schließlich sei noch in Erwiderung auf die vom Beschwerdeführer "ausdrücklich auch für den Verwaltungsgerichtshof" aufrechterhaltenen "Rügen und Normprüfungsanregungen der verfassungsgerichtlichen Beschwerde" bemerkt, daß der Verfassungsgerichtshof diese Bedenken nicht geteilt hat (vgl. Beschluß vom 9. Juni 1992, B 1375/91-6), und sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt sieht, sie nochmals an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
6. Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Normen und MaterienEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992180426.X00Im RIS seit
12.06.2001