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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 9. April 1992, Zl. FrB-4250/92, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 9. April 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, ein auf § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot für das "Gebiet der Republik Österreich" erlassen.
Sachverhaltsmäßig ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 9. April 1991 wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und 2 des Suchtgiftgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und wegen des Vergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach den §§ 37 Abs. 1 lit. a und 38 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes zu einer Geldstrafe von S 32.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche) verurteilt worden sei. Der vom Beschwerdeführer gegen dieses Urteil eingebrachten Berufung sei vom Oberlandesgericht Innsbruck mit Urteil vom 23. Oktober 1991 keine Folge gegeben worden. Der Verurteilung nach dem Suchtgiftgesetz sei zugrunde gelegen, daß der Beschwerdeführer gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 100 g Heroin, am 12. Juni 1990 aus Österreich in die Schweiz geschmuggelt und dort verkauft habe. Zum Zeitpunkt der Tat sei der Beschwerdeführer Mitglied einer Rauschgifthändlergruppe gewesen, die sich mit der Verbringung nach Österreich geschmuggelten Heroins in die Schweiz und dem Verkauf in diesem Land befaßt habe. Der Beschwerdeführer habe Suchtgift in einer Menge in Verkehr gesetzt, die geeignet gewesen sei, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen. Er habe in der Absicht gehandelt, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 FrPolG stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer in Österreich sozial voll integriert sei. Er wie auch seine Gattin hielten sich jeweils schon über 20 Jahre im Bundesgebiet auf; ihre beiden Kinder seien in Österreich geboren (1971 bzw. 1973). Dennoch würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aufgrund der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität unverhältnismäßig schwerer wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Im Hinblick auf die von Suchtgiften ausgehende Gefahr für die Volksgesundheit sowie die mit Suchtgiften verbundene Beschaffungs-, Begleit- und Folgekriminalität sei das öffentliche Interesse an der Hintanhaltung des Suchtgifthandels besonders groß. Bei Fremden, die wegen eines Deliktes nach dem Suchtgiftgesetz zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden seien, könne daher trotz erheblicher "persönlicher Einwendungen" die Interessenabwägung nur zu deren Ungunsten ausgehen.
2. Die gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde von diesem - nach Ablehnung ihrer Behandlung - dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten (Beschluß vom 29. September 1992, B 721/92). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides ("Ergänzender Schriftsatz" vom 17. Dezember 1992).
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 FrPolG lauten:
§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.
(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2.
die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
3.
die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen."
2. Die von der belangten Behörde aufgrund der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers nach dem Suchtgiftgesetz angenommene Verwirklichung des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG und das von ihr daraus abgeleitete Vorliegen einer "bestimmten Tatsache im Sinne des Abs. 1" (des § 3 FrPolG), mit der Folge, daß sie die Annahme für gerechtfertigt erachtete, der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, erweist sich als zutreffende, mit der ständigen hg. Rechtsprechung in Einklang befindliche - vom Beschwerdeführer im übrigen auch nicht in Zweifel gezogene - rechtliche Beurteilung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 20. Juli 1992, Zl. 92/18/0290, und vom 30. Juli 1992, Zl. 92/18/0319).
3.1. Der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde habe § 3 Abs. 3 FrPolG unrichtig angewendet, da sie aufgrund der von ihm ins Treffen geführten persönlichen (familiären) Gesichtspunkte (insbesondere langjähriger Aufenthalt seiner Person sowie seiner Gattin und der beiden Kinder in Österreich; aufrechte Beschäftigung aller Genannten; Aufenthalt weiterer Verwandter im Bundesgebiet) zu dem Ergebnis hätte gelangen müssen, daß die mit einem weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich verbundenen Nachteile keinesfalls unverhältnismäßig schwerer wögen als sein Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
3.2. Die belangte Behörde hat die besagten, für den Beschwerdeführer sprechenden Umstände - zu Recht - als erheblich angesehen. Wenn sie ungeachtet dessen zu einem für den Beschwerdeführer negativen Abwägungsergebnis derart gelangte, daß sie unter Hinweis auf die besonderen von der Suchtgiftkriminalität ausgehenden Gefahren für die Allgemeinheit die mit einem Absehen von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer verbundenen nachteiligen Folgen als unverhältnismäßig schwerer wiegend wertete als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht als rechtswidrig zu erkennen ist, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege als das gegenläufige private Interesse des Fremden (vgl. etwa das obzitierte Erkenntnis Zl. 92/18/0319 m. w.N.). An dieser Beurteilung vermag nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer den Beschwerdebehauptungen zufolge vor der in Rede stehenden gerichtlichen Verurteilung unbescholten gewesen sei, er sich nach Verbüßung der verhängten Freiheitsstrafe wohlverhalten habe, und er die Tat nur deshalb begangen habe, weil er unverschuldet arbeitslos geworden sei und seiner Familie keinen angemessenen Unterhalt habe gewähren können. Abgesehen davon, daß der Zeitraum des "Wohlverhaltens" noch viel zu kurz wäre, um verläßliche Schlüsse zugunsten des Beschwerdeführers ziehen zu können, vermöchte keiner der behaupteten Umstände die private Interessenlage des Beschwerdeführers entscheidend zu stärken, aber auch nicht das besonders große Gewicht der hier maßgebenden öffentlichen Interessen zu schwächen.
4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992180475.X00Im RIS seit
20.11.2000