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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. August 1992, Zl. MD-VfR-B XXIII-18/92, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In einer an den Wiener Magistrat gerichteten Anzeige vom 23. November 1990 brachte der Vertreter von Nachbarn des Beschwerdeführers vor, daß dieser unmittelbar an der Grundstücksgrenze auf dem Garagendach einen Kompressor laut einem beiliegenden Foto montiert habe. Da die Anlage meist bis in die Nacht und am Wochenende betrieben werde und jegliche Schallisolierung fehle, wurde um eine Überprüfung ersucht. Nach hier nicht wesentlichen Verfahrensschritten veranlaßte ein Amtssachverständiger der Umweltschutzabteilung des Wiener Magistrates eine Lärmmessung mittels eines Meßtonbandes in der Zeit vom 9. Oktober 1991, 14.00 Uhr, bis zum 11. Oktober 1991, 14.00 Uhr, wobei der Meßpunkt am hofseitigen Balkon, schräg oberhalb des genannten Kompressors gelegen war. Hiebei wurden Störgeräuschpegel durch den Betrieb des Kompressors von 90 dB(A) und Störgeräusche, hervorgerufen durch Schleifen, von 62 bis 64 dB(A) bei einem Grundgeräuschpegel von 45 dB(A) gemessen. Der Sachverständige vertrat in seiner gutächtlichen Äußerung vom 22. November 1991 die Ansicht, daß von den gemessenen Geräuschen jeweils ein Wert von 5 dB abzuziehen sei, um zu jenen Werten zu gelangen, die in den hofseitigen Räumen bei geöffnetem Fenster auftreten. Die medizinische Amtssachverständige des Bezirksgesundheitsamtes für den
23. Bezirk vertrat im Hinblick auf die gemessenen Werte in ihrer Stellungnahme vom 3. Jänner 1992 die Auffassung, daß diese eindeutig erhöht und als gesundheitsgefährdend zu bezeichnen seien, da nervöse Störungen, Schlafstörungen und dadurch vegetative Überreizungen und in der Folge psychosomatische Krankheiten entstehen könnten.
Bei der am 26. Februar 1992 durchgeführten Augenscheinsverhandlung stellte der die Verhandlung leitende Amtssachverständige des Wiener Magistrats fest, daß sich auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers hinter dem Einfamilienhaus in der bewilligten Garage ein transportabler Kompressor mit 1,1 kW Motorleistung und einer Ausgangsleistung von ca. 230 l/min. und einem Windkessel von 35 l Fassungsvermögen befinde. Weiters befinde sich auf dem Garagendach zur Erhöhung der Luftleistung ein weiterer stationär angebrachter Windkessel von ca. 200 l Fassungsvermögen. Der Kompessor werde für Stemmarbeiten und für Farbspritzarbeiten verwendet. Durch diese Anlagen würden die Bewohner der anschließenden Liegenschaft gesundheitsgefährdend belästigt. In diesem Zusammenhang wurde auf die bisher eingeholten Stellungnahmen verwiesen. Der Verhandlungsschrift zufolge gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab.
Mit Bescheid vom 27. Februar 1992 erteilte der Magistrat dem Beschwerdeführer den auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien gestützten Auftrag, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft des Bescheides den Betrieb des transportablen Kompressors mit dem Windkessel (200 l) am Garagendach aufzulassen. Nach dem Spruch des Bescheides gilt dieser Auftrag nicht, wenn innerhalb der gleichen Frist um nachträgliche Bewilligung angesucht und diese in der Folge erwirkt wird. Im Hinblick auf das Ergebnis der Augenscheinsverhandlung und die eingeholten Stellungnahmen qualifizierte der Wiener Magistrat die beschriebene Anlage als eine solche, für die nach § 61 der Bauordnung für Wien eine Bewilligung zu erwirken ist.
Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies die Bauoberbehörde für Wien mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der hier maßgeblichen Bestimmung des § 61 der Bauordnung für Wien vertrat die Berufungsbehörde die Auffassung, daß es sich um eine Anlage im Sinne der genannten Gesetzesstelle handle, sei doch der Begriff der Anlage jener der gewerblichen Betriebsanlage nachgebildet, nur daß hier das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit fehle. Wenn auch von einer solchen Anlage zu fordern sei, daß sie eine örtlich gebundene Einrichtung sein müsse, schließe dies doch die Bedachtnahme auf nicht stabile oder nicht örtlich gebundene Einrichtungen keineswegs aus. Das Merkmal der örtlichen Gebundenheit sei nicht nur dann gegeben, wenn die Einrichtung schon ihrer physischen Natur nach unbeweglich sei, sondern auch dann, wenn die ihrer Natur nach zwar bewegliche Einrichtung nach der Absicht des Betreibers ausschließlich oder doch überwiegend und für längere Zeit an einem bestimmten Standort der Entfaltung der durchzuführenden Tätigkeit dienen soll. Die Beweglichkeit des Kompressors und des auf dem Garagendach "aufgelegten Windkessels" schließe somit die Qualifikation dieser Geräte als Anlage nicht aus, da sie doch regelmäßig auf derselben Liegenschaft zum Einsatz kommen. Auch die Ausführungen des Beschwerdeführers gegen die vom umwelttechnischen Amtssachverständigen vorgenommenen Lärmmessungen und deren Interpretation durch den medizinischen Sachverständigen könnten nichts daran ändern, daß zumindest die Eignung der Anlage bestehe, Nachbarn über das zulässige Ausmaß hinaus zu belästigen. Zulässig sei das örtlich zumutbare Ausmaß, jedoch unter Berücksichtigung der Flächenwidmung. Die Liegenschaft sei nach dem Flächenwidmungsplan im Wohngebiet gelegen und sohin seien nach § 6 Abs. 6 der Bauordnung für Wien Geräusche zu vermeiden, die Gefahren oder den Wohnzweck beeinträchtigende Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen geeignet seien. Eine solche Eignung gehe aus den eingeholten Stellungnahmen zweifelsfrei hervor, womit die Genehmigungsbedürftigkeit der Anlage gegeben sei. Über die Genehmigungsfähigkeit sei erst in einem einzuleitenden Bewilligungsverfahren zu entscheiden.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 61 der Bauordnung für Wien (BO) hat folgenden Wortlaut:
"Anlagen, die geeignet sind, eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen oder die Nachbarschaft in einer das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigenden Weise unter Berücksichtigung der Bestimmungen über die Flächenwidmung und der für das entsprechende Widmungsgebiet zulässigen Nutzungen (§ 6) zu belästigen, bedürfen einer Bewilligung, sofern sie nicht nach bundesgesetzlichen oder nach anderen landesgesetzlichen Vorschriften zu bewilligen sind. In der Bewilligung sind jene Auflagen vorzuschreiben, die notwendig sind, um eine unzulässige Beeinträchtigung hintanzuhalten; ist dies durch Auflagen nicht möglich, ist die Bewilligung zu versagen."
Nach § 129 Abs. 10 Satz 1 BO sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.
Der Beschwerdeführer selbst führt in der Sachverhaltsdarstellung seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof aus, daß er sich neben der genannten Garage den in einem Lichtbild dargestellten, einfachen Arbeitsplatz geschaffen und dort auch den beanstandeten Kompressor abgestellt habe. Mit dem Hinweis, daß weder der Kompressor noch der auf dem Dach der Garage befindliche Windkessel mit dem Boden fest verbunden sei, kann der Anlagencharakter nach § 61 BO nicht zu Recht in Zweifel gezogen werden, muß es sich doch um keine bauliche Anlage handeln, deren Bewilligungspflicht im § 60 Abs. 1 lit. b BO näher umschrieben ist. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht finden, daß der von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides verwendete Begriff einer Anlage, wie er für die gewerbliche Betriebsanlage definiert wurde, § 61 BO nicht unterstellt werden könnte. Gerade die der Beschwerde angeschlossenen Fotos zeigen deutlich, daß der Kompressor nicht isoliert von dem auf dem Garagendach befestigten Windkessel zu beurteilen ist, vielmehr die Verbindung dieser Teile die Annahme des Vorliegens einer Anlage (Funktionseinheit) rechtfertigt, die an einem bestimmten Ort der regelmäßigen Durchführung bestimmter Arbeiten dient. Diese gesetzliche Regelung des § 61 BO dient nun, wie schon dem Wortlaut unschwer zu entnehmen ist, dem Zweck, auch dort einen Schutz von Menschen durch Gefahren und Belästigungen zu gewährleisten, wo eine Bewilligungspflicht nach bundesgesetzlichen oder anderen landesgesetzlichen Vorschriften nicht gegeben ist. Hiebei kommt es aber, was der Beschwerdeführer offensichtlich verkennt, nicht darauf an, ob tatsächlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeigeführt oder die Nachbarschaft in einer das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigenden Weise belästigt wird, sondern darauf, daß diese Anlage geeignet ist, solche Gefahren oder Belästigungen zu ermöglichen. Dieser Tatbestand ist durch das bisher durchgeführte Ermittlungsverfahren ausreichend klargestellt, wobei darauf hinzuweisen ist, daß in der das Verfahren einleitenden Anzeige ein Betrieb bis in die Nacht und am Wochenende behauptet worden war, der freilich durch das bisherige Ermittlungsverfahren nicht bewiesen worden ist.
Im übrigen hat die belangte Behörde zur Frage der Belästigung in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf hingewiesen, daß der technische Amtssachverständige in seiner Stellungnahme zu dem festgestellten Störgeräuschpegel zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß ein Wert von 5 dB abzuziehen sei, weil bereits der hofseitige Balkon vom Schutzzweck des § 61 BO umfaßt ist; tatsächlich soll ja der Nachbar schon an der Grundgrenze nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden.
Da schon auf Grund der dargelegten Erwägungen die Beschwerde unbegründet ist, erübrigte sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen. Bemerkt sei jedoch noch, daß der im § 61 BO verwendete Klammerausdruck entgegen der Meinung des Beschwerdeführers eindeutig zum Ausdruck bringt, daß hinsichtlich der Frage des örtlich zumutbaren Ausmaßes die jeweils im Flächenwidmungsplan festgesetzte Widmung ausschlaggebend ist, und schreibt doch § 6 BO die danach zulässigen Nutzungen vor. Ob das dabei verwendete Gerät für jeden Heimwerker in Betracht kommt oder nicht, ist nach § 61 BO nicht von Bedeutung. Wenn schließlich der Beschwerdeführer darauf verweist, daß die bisher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behandelten Anlagen bedeutende maschinelle Ausstattungen eines Gebäudes gewesen seien, dies hier jedoch nicht der Fall sei, so kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß es sich im Beschwerdefall um eine Ausdehnung des Begriffes der Anlage im Sinne des § 61 BO handle, der mit der bisherigen Judikatur nicht im Einklang stehe. Zur Anwendung des § 129 Abs. 10 Satz 1 BO ist noch festzustellen, daß diese Gesetzesstelle die Erlassung eines Beseitigungsauftrages anordnet, die angeordnete Auflassungsverpflichtung gegenüber der Beseitigung aber ein Minus darstellt, sodaß der Beschwerdeführer durch den erteilten Auftrag nicht in seinen Rechten verletzt worden ist.
Die sohin unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992050259.X00Im RIS seit
03.05.2001