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L46104 Tierhaltung Oberösterreich;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des E in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. September 1991, Zl. Pol-4826/1-1990 Stö/Rei, betreffend Übertretung des Oberösterreichischen Tierschutzgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (BH) erließ gegen den Beschwerdeführer das Straferkenntnis vom 6. November 1990, in dessen Spruchabschnitt 1. der Beschwerdeführer für schuldig erkannt wurde, durch das Halten von Schweinen nur unter einem Flugdach (offener Anbau) in seinem näher bezeichneten landwirtschaftlichen Anwesen bei nächtlichen Außentemperaturen von unter -10 Grad bis etwa -16 Grad Celsius diesen Tieren in den Wintermonaten erhebliche Schmerzen zugefügt und somit - mangels Vorliegens einer Ausnahme nach § 2 des Oberösterreichischen Tierschutzgesetzes, LGBl. Nr. 27/1953 (TschG) - Tierquälerei begangen zu haben.
In Spruchabschnitt 2. des angeführten Straferkenntnisses wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, in einem weiteren Stallgebäude seines landwirtschaftlichen Anwesens dort gehaltene Rinder dadurch in ihrer Fütterung vernachlässigt zu haben, daß der in diesem Stall befindliche "Barren und Futtertisch" mit einer mehrere Zentimeter hohen Schmutzschicht bedeckt gewesen sei, sodaß es bei der Aufnahme des auf diese teilweise nasse Schmutzschicht aufgestreuten Futters zu einer Mitaufnahme des Schmutzes durch die Tiere gekommen sei. Auch dadurch habe der Beschwerdeführer - mangels Vorliegens einer Ausnahme gemäß § 2 TSchG - Tierquälerei begangen. Dem Beschwerdeführer wurde hinsichtlich beider in den Spruchabschnitten 1. und 2. dargestellten Sachverhalte die Übertretung des § 1 Abs. 1 und 2 TSchG zur Last gelegt und über ihn gemäß § 4 Abs. 2 TSchG zu Spruchabschnitt 1. eine Geldstrafe von S 2.500,-- (Ersatzarreststrafe 3 Tage) und zu Spruchabschnitt 2. eine Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzarreststrafe 36 Stunden) verhängt.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit ihrem Bescheid vom 16. September 1991 teilweise Folge, indem sie das erstinstanzliche Straferkenntnis in seinem Spruchabschnitt 2. zur Gänze behob und das diesen Schuldvorwurf betreffende Verwaltungsstrafverfahren einstellte. Hinsichtlich Spruchabschnitt 1. wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe vollinhaltlich bestätigt, "daß die als Verwaltungsübertretung zitierte Gesetzesbestimmung im erstinstanzlichen Strafbescheid "1) § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und 2 des Tierschutzgesetzes, LGBl. Nr. 27/1953" zu lauten hat".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit dem sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch in der Berufung geltend gemachten Einwand, nicht der Beschwerdeführer, sondern seine Gattin betreibe die gegenständliche Landwirtschaft, auseinanderzusetzen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 TSchG begeht eine Tierquälerei, wer - ohne daß eine Ausnahme nach § 2 vorliegt und ohne daß Gründe vorliegen, die die öffentlichen Interessen am Tierschutz überwiegen - einem Tier erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.
Gemäß § 4 Abs. 1 TSchG begeht, wer sich der Tierquälerei schuldig macht oder einem auf Grund des § 5 erlassenen Bescheid zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und wird von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis S 3.000,-- oder mit Arrest bis zu 6 Wochen bestraft. Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen unterliegt derselben Strafe, wer duldet, daß eine seiner Aufsicht unterstehende oder in seinen Diensten stehende Person eine Tierquälerei begeht, obwohl er die Tat hätte verhindern können. Die Strafbarkeit ist unabhängig von der Strafbarkeit des unmittelbaren Täters.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid das dem Beschwerdeführer zugerechnete Verhalten dem § 4 Abs. 1 und 2 TSchG untergeordnet. Damit hat sie dem Beschwerdeführer vorgeworfen, entweder als unmittelbarer Täter (Abs. 1) oder zumindest als der seine Aufsichtspflicht Vernachlässigende (Abs. 2) die von ihr als in Widerspruch zu den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes stehend erachtete Haltung von Schweinen bei Kälte nur unter einem Flugdach begangen zu haben. Die Belangung des Beschwerdeführers als Beschuldigter beruht offenbar auf der Annahme, daß der Beschwerdeführer als (grundbücherlicher) (Mit)Eigentümer des landwirtschaftlichen Anwesens für die Betriebsführung und damit auch für die Viehhaltung verantwortlich sei. Diese Annahme vermochte die belangte Behörde aber durch keinerlei in diese Richtung deutende Ermittlungsergebnisse zu stützen. Daß - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift betont hat - die Verantwortung des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren in der "Ichform" gehalten war, konnte sie nicht von ihrer Pflicht, die für die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für die festgestellten Mißstände maßgeblichen Verhältnisse zu erheben, entbinden. Zu Ermittlungen in dieser Hinsicht wäre die belangte Behörde aber im Beschwerdefall umso mehr verpflichtet gewesen, als der Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren in einem am 9. November 1990 - und somit vor Erlassung des am 13. November 1990 dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zugestellten erstinstanzlichen Straferkenntnisses - bei der BH eingelangten Schriftsatz vorgebracht hat, daß die Landwirtschaft, zu der der gegenständliche Schweinestall gehört, zwar im grundbücherlichen Miteigentum des Beschwerdeführers und seiner Gattin stehe, daß aber die Landwirtschaft ausschließlich von der Gattin des Beschwerdeführers betrieben werde, während der Beschwerdeführer selbst eine Großschlächterei betreibe. Dies sei auch der Grund, warum der Beschwerdeführer einer im Verfahren abgelegten Zeugenaussage zufolge nur unregelmäßig in den Stall gekommen sei. Da er nicht Betreiber der Landwirtschaft sei, könne den Beschwerdeführer auch keine Verantwortung für die Tierhaltung treffen. Zum Beweis für sein Vorbringen beantragte der Beschwerdeführer gleichzeitig die Einvernahme seiner Gattin als Zeugin. Die BH ging im erstinstanzlichen Straferkenntnis auf dieses Vorbringen nicht ein. In der dagegen erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer diese Argumentation. Mit dieser setzte sich die belangte Behörde aber weder auseinander noch vernahm sie die Gattin des Beschwerdeführers als Zeugin. Damit kann aber die essentielle Frage, ob der Beschwerdeführer im Beschwerdefall überhaupt als Täter herangezogen werden durfte, auf Grund des bisher ermittelten Sachverhaltes noch nicht beantwortet werden.
Der Sachverhalt bedarf sohin in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung und wurden somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid mußte daher schon deshalb - ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Aufwandersatz bereits die Umsatzsteuer enthalten ist und ein Ersatz von Stempelgebühren für Beilagen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich sind, nicht gewährt werden kann.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991010218.X00Im RIS seit
20.11.2000