TE Vwgh Erkenntnis 1993/1/20 92/01/0774

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Veröffentlicht am 20.01.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AVG §65;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des U in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Juni 1992, Zl. 4.317.413/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Juni 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem jugoslawischen Staatsangehörigen aus dem Kosovo, der am 24. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner ersten Befragung im Asylverfahren am 3. Juli 1991 angegeben, seit 25. Mai 1990 Mitglied der politischen Organisation "BESA" gewesen zu sein, bei der es sich um eine Gruppe der albanischen Minderheit im Kosovo handle. An dem genannten Tag habe er mit dieser Gruppe in Pec an einer Demonstration für die Freiheit des Kosovo und die Rechte der albanischen Minderheit teilgenommen. Er habe sich dann noch an mehreren Demonstrationen beteiligt, ohne jedoch sagen zu können, wie oft und wann diese stattgefunden hätten. Als er am 15. Juni 1991 abends nach Hause gekommen sei, habe ihm seine Gattin erzählt, daß er von der Polizei gesucht worden sei. Man habe eine Vorladung hinterlassen, daß er sich bei der Polizei in Pec "melden" solle. Da schon viele seiner Bekannten, die auch an Demonstrationen teilgenommen hätten, von der Polizei verhaftet und eingesperrt worden seien, habe er es mit der Angst zu tun bekommen und sich daher entschlossen, mit seiner Familie Jugoslawien zu verlassen, um sich einer eventuellen Verhaftung und Bestrafung wegen der Teilnahme an den Demonstrationen zu entziehen. Er sei im Besitz eines jugoslawischen Reisepasses gewesen, welcher ihm jedoch nach seiner ersten Teilnahme an einer Demonstration im Zuge einer bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchung von der Polizei weggenommen worden sei.

Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung ausschließlich den sich daraus ergebenden Sachverhalt zugrunde gelegt, weil sie dem darüber hinausgehenden bzw. davon abweichenden Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 22. August 1991 keinen Glauben geschenkt hat. Der Beschwerdeführer bekämpft die dabei vorgenommene Beweiswürdigung und vertritt die Auffassung, daß auch dieses weitere Vorbringen - bei dem es sich im wesentlichen darum handelte, daß der Beschwerdeführer nach der Demonstration am 25. Mai 1990, die er nunmehr ausführlicher schilderte, drei Tage in Polizeihaft gewesen und "insbesondere zur Demonstration befragt" worden sei, die Polizei seit damals etwa 10mal bis 15mal zu seinem Haus gekommen sei, um nach ihm "Nachschau zu halten", er aber nie angetroffen worden sei, worauf es keine weiteren behördlichen Schritte gegeben habe, und am 15. Juni 1991 seine Gattin auch sein Reisedokument der Polizei habe aushändigen müssen - beachtlich gewesen wäre. Dem Beschwerdeführer ist aber - ohne daß darauf näher einzugehen ist - die (von der belangten Behörde gemäß § 25 Abs. 2 leg. cit. bereits anzuwendende) Bestimmung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 entgegenzuhalten, wonach der Bundesminister für Inneres seiner Entscheidung über eine zulässige Berufung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hat. Es war daher schon aus diesem Grunde nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde auf das Berufungsvorbringen, soweit es die Behauptung neuer Tatsachen enthielt, nicht Bedacht genommen hat, zumal keiner der im § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 angeführten Fälle vorlag.

Geht man aber vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz aus, so ist der belangten Behörde - ungeachtet dessen, ob dies auch dann zutreffen würde, wenn das Berufungsvorbringen mitzuberücksichtigen gewesen wäre - darin beizupflichten, daß der Beschwerdeführer keine Umstände glaubhaft gemacht hat, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht, aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründe verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befinde. Richtig ist im Sinne des Beschwerdevorbringens, daß bei Beurteilung der Frage, ob dies der Fall ist, die allgemeine Lage im Heimatland des Asylwerbers auch Rückschlüsse auf seine konkrete Situation zulassen und daher von Bedeutung sein kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1992, Zlen. 92/01/0600-0602). Das bedeutet allerdings nicht, daß auf Grund der - vom Beschwerdeführer als offenkundige Tatsache gemäß § 45 Abs. 1 AVG bezeichneten - allgemeinen Lage der Albaner im Kosovo, wonach "diese Volksgruppe von der serbisch dominierten Bürokratie massiver Repression ausgesetzt ist", der Beschwerdeführer jedenfalls einer individuell gegen ihn gerichteten Verfolgung unterliegt. In der von ihm behaupteten Vorladung zur Polizei kann für sich allein noch keine Verfolgungshandlung erblickt werden (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0514). Der Beschwerdeführer hat lediglich die Vermutung geäußert, daß die Vorladung im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an (von ihm, abgesehen von der ersten vom 25. Mai 1990 und daher am 15. Juni 1991 schon mehr als ein Jahr zurückliegenden, zeitlich gar nicht näher bestimmten) Demonstrationen stehe. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte und der Beschwerdeführer wegen seiner Teilnahme an verbotenen Demonstrationen des weiteren, wie er auf Grund gleichgelagerter Fälle befürchtet habe, festgenommen und angehalten worden wäre, würde dies ohne Hinzutreten weiterer, ins Gewicht fallender Umstände keine Verfolgung aus einem der Konventionsgründe, insbesondere auch nicht aus dem der Nationalität, darstellen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1990, Zl. 90/01/0136, und vom 25. November 1992, Zlen. 92/01/0585, 0586). Derartige Umstände hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Daß sein Reisepaß beschlagnahmt wurde - was im übrigen, für sich allein betrachtet, ebenfalls nicht als Verfolgung im Sinne der Konvention anzusehen ist (vgl. auch dazu das zuletzt zitierte Erkenntnis vom 25. November 1992) -, läßt seine konkrete Situation diesbezüglich nicht in einem anderen Licht erscheinen. Wenn auch im Verbot von Demonstrationen eine Beschränkung des Versammlungsrechtes gelegen ist, die nicht alle Bewohner im Heimatland des Beschwerdeführers im gleichen Ausmaß treffen, vermag dies an der vorgenommenen Beurteilung aus den dargelegten Gründen nichts zu ändern.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010774.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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