Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §62 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des W in X, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. August 1992, Zl. I/7-St-H-91128, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 5. August 1990 an bestimmten Orten in Gerasdorf 1. gegen 0.40 Uhr einen Pkw gelenkt und dabei nicht vor der Haltelinie angehalten, obwohl die Verkehrsampel der Kreuzung LS 1115 - B 7 rotes Licht gezeigt habe und dies als Zeichen für "Halt" gelte;
2. gegen 0.50 Uhr gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert, obwohl vermutet habe werden können, daß er den Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Der Beschwerdeführer habe hiedurch Verwaltungsübertretungen zu 1. nach § 38 Abs. 5 StVO, zu 2. nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO begangen. Es wurden zu 1. eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden), zu 2. eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe 10 Tage) verhängt.
Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hält eine Bestrafung nach § 38 Abs. 5 StVO wegen Verfolgungsverjährung für unzulässig, weil eine Verfolgungshandlung nur wegen Übertretung des § 58 Abs. 5 StVO (eine Bestimmung, die es gar nicht gebe) gesetzt worden sei.
Dem ist entgegenzuhalten, daß es für eine Verfolgungshandlung nicht erforderlich ist, dem Beschuldigten die Subsumtion der ihm angelasteten Übertretung in einer dem § 44a Z. 2 VStG entsprechenden Weise zur Kenntnis zu bringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0192). Die belangte Behörde war zur Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift auch nach Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist berechtigt, da dem Beschwerdeführer kein anderer Sachverhalt zur Last gelegt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1992, Zlen. 92/02/0006, 0007).
Das Schwergewicht der Beschwerde liegt in der Bekämpfung der Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei der Lenker eines von Gendarmeriebeamten verfolgten Pkws gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof kann im Rahmen der ihm insoweit zustehenden Kontrollbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) aber nicht finden, daß die Beweiswürdigung der belangten Behörde rechtswidrig wäre:
Es trifft zwar zu, daß die vom Amtssachverständigen angenommenen Fahrgeschwindigkeiten durch den Akteninhalt nicht gedeckt sind. Diese Fahrgeschwindigkeiten waren aber nur für das Gutachtensergebnis von Bedeutung, eine Einholung des Fahrzeuges des Beschwerdeführers durch das Gendarmeriefahrzeug sei leicht möglich gewesen. Hingegen wird die entscheidungswesentliche Aussage des Sachverständigen, auf Grund der örtlichen Gegebenheiten könne den Angaben der Gendarmeriebeamten über deren Möglichkeit, den verfolgten Pkw zu beobachten, nicht widersprochen werden, hievon nicht berührt. Die Ausführungen des Beschwerdeführers über mögliche Fahrgeschwindigkeiten gehen somit ins Leere. Der Erstellung einer Maßskizze bedurfte es in Hinblick auf die vom Beschwerdeführer selbst vorgelegte Landkartenkopie samt Lichtbildern und die von einem der beteiligten Gendarmeriebeamten angefertigte Handskizze, die dem Sachverständigen vorlagen, nicht. Auch die Durchführung eines Ortsaugenscheins war entbehrlich.
Was angebliche Widersprüche zwischen den Aussagen des Zeugen W. vom 3. Oktober 1990 und vom 6. November 1990 anlangt, so hat dieser Zeuge bei beiden Vernehmungen angegeben, der Beschwerdeführer sei aus dem verfolgten Pkw ausgestiegen. Daß er in einem Fall ausgesagt hat, der Beschwerdeführer sei zunächst noch ca. 5 Minuten im Fahrzeug sitzen geblieben, mußte bei der belangten Behörde keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen und damit an der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers hervorrufen.
Die belangte Behörde war auch nicht verpflichtet, einen vom Beschwerdeführer mehr als eineinhalb Jahre nach der Tat genannten Heurigenwirt darüber zu vernehmen, ob er den Beschwerdeführer damals in seinem Lokal gesehen habe, weil es auf den Ort eines Alkoholkonsums des Beschwerdeführers nicht ankam. Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß die belangte Behörde eine - ebenfalls mehr als eineinhalb Jahre nach der Tat beantragte - "Tatzeugin" nicht vernommen habe. Hiezu ist zu bemerken, daß aus der bloßen Feststellung, der Pkw des Beschwerdeführers sei mehrere Stunden vor dem Vorfall vor seinem Haus abgestellt worden, für den Beschwerdeführer nichts gewonnen wäre. Daß die "Tatzeugin" ein späteres Lenken des Kraftfahrzeuges durch den Beschwerdeführer hätte ausschließen können, hat dieser nicht behauptet. Auch bestreitet er nicht, daß er von den Gendarmeriebeamten um 0.50 Uhr außerhalb seines Hauses angetroffen wurde; eine Begleitung durch eine weitere Person ist nicht aktenkundig. Der Verwaltungsgerichtshof kann im Beschwerdefall nicht finden, daß in der Unterlassung beantragter Beweisaufnahmen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentliche Verfahrensmängel gelegen wären.
Zur Strafbemessung behauptet der Beschwerdeführer ein krasses Mißverhältnis zwischen der wegen Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO verhängten Geldstrafe von S 10.000,-- und der diesbezüglichen Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen, welches zu begründen gewesen wäre.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe nicht nach einem festen Umrechnungsschlüssel zu bemessen. Ein erhebliches Mißverhältnis zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe besteht im Beschwerdefall nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 92/02/0076): Die Geldstrafe wurde im Ausmaß von 20 % der Höchststrafe festgesetzt, bei der Ersatzfreiheitsstrafe wurde der Strafrahmen zu 23,8 % ausgeschöpft. Eine vom Beschwerdeführer vermißte besondere Begründung war somit entbehrlich. Bemerkt sei, daß Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe von der belangten Behörde gegenüber dem erstinstanzlichen Straferkenntnis im selben Verhältnis herabgesetzt wurden.
Soweit sich der Beschwerdeführer schließlich dadurch beschwert erachtet, daß ihm hinsichtlich der Übertretung des § 38 Abs. 5 StVO Kosten des Berufungsverfahren auferlegt wurden, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Bestimmung des § 65 VStG dann nicht Platz greift, wenn die Berufungsbehörde - wie hier - bloß eine rechtliche Qualifikation der Tat ändert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 1991, Zl. 90/03/0029).
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Berufungsbescheid Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Geldstrafe und Arreststrafe Spruch der Berufungsbehörde (siehe auch AVG §66 Abs4 Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides) Umfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des RechtsgrundesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992020283.X00Im RIS seit
20.11.2000