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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des O in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 17. Juli 1992, Zl. VwSen-100532/2/Weg/Ri, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer einer am 1. Dezember 1991 begangenen Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 für schuldig erkannt. Über ihn wurde - in Herabsetzung der von der Erstbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, mit S 11.000,-- bemessenen Strafe - eine Geldstrafe von S 8.000,-- (11 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bekämpft lediglich die Strafbemessung. Er macht geltend, daß § 20 VStG anzuwenden gewesen wäre. Nach dieser Bestimmung kann die Mindeststrafe - die in Ansehung einer Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 S 8.000,-- beträgt - bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn u.a. die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Auf die Anwendung dieser Bestimmung besteht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Rechtsanspruch (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 1992, Zl. 91/02/0158).
Die belangte Behörde hat die - vom Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsstrafverfahren begehrte - Anwendung des § 20 VStG deswegen verweigert, weil ihrer Auffassung nach die Strafbemessungsgründe zwar die Verhängung der Mindeststrafe, nicht aber die Ausübung des außerordentlichen Milderungsrechtes rechtfertigten. Erschwerende Umstände lägen nicht vor. Die absolute Unbescholtenheit des Beschwerdeführers stelle bei einem schon eine mehrjährige Fahrpraxis aufweisenden Beschuldigten "einen von der Gewichtung her nicht unwesentlichen Milderungsgrund dar". Das Ausmaß der Überschreitung des Grenzwertes des Alkoholgehaltes der Atemluft sei mit 0,44 mg/l "relativ geringfügig"; "ohne diese Verwaltungsübertretung bagatellisieren zu wollen" liege "kein so hoher Gefährdungsgrad der Verkehrssicherheit vor, wie dies bei einer größeren Überschreitung des Grenzwertes der Fall wäre". Die persönlichen Verhältnisse wurden - vom Beschwerdeführer unbekämpft - mit einem Einkommen von S 20.000,-- monatlich, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten angenommen. Die vom Beschwerdeführer zusätzlich ins Treffen geführten Milderungsgründe lägen nicht vor: Der Beschwerdeführer habe kein "reumütiges Geständnis" abgelegt; die geltend gemachte Unbesonnenheit sei auf die Alkoholisierung zurückzuführen. Immerhin sei der Grenzwert des Alkoholgehaltes der Atemluft um 10 Prozent überschritten worden.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Beschwerdeführers, daß § 20 VStG anzuwenden gewesen wäre. Zu den von der belangten Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers verwerteten Umständen der völligen Unbescholtenheit und der geringen Überschreitung des in Rede stehenden Grenzwertes hätten die vom Beschwerdeführer zusätzlich angeführten Tatsachen, daß keine nachteiligen Folgen der Tat zu verzeichnen waren und der Beschwerdeführer offenbar bei einer Verkehrskontrolle angehalten wurde und in keinen Verkehrsunfall verwickelt war, ebenfalls zu Gunsten des Beschwerdeführers bei der Strafbemessung berücksichtigt werden müssen. Das von der belangten Behörde hervorgehobene Ausmaß der Alkoholisierung kann an dem Ergebnis nichts ändern, denn die in Rede stehenden 10 Prozent des Grenzwertes entsprechen einer Menge an alkoholischen Getränken, die - für sich gesehen - als sehr gering bezeichnet werden muß. Dem Beschwerdeführer kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, daß die Vorgangsweise der belangten Behörde die Regelung des § 20 VStG - was Erwachsene betrifft - praktisch gegenstandslos machen würde. Daß § 20 VStG auf die Alkoholdelikte im Sinne des § 99 Abs. 1 StVO 1960 im Hinblick auf ihre besondere Verwerflichkeit überhaupt nicht anzuwenden wäre, kann dem Gesetz nicht entnommen werden und entspricht auch nicht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis vom 27. Mai 1992).
Die Nichtanwendung des § 20 VStG belastet den angefochtenen Bescheid somit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Ermessen Erschwerende und mildernde Umstände AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992020280.X00Im RIS seit
12.06.2001