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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §39 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. September 1992, Zl. UVS-03/15/01499/92, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. September 1992 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 27. März 1992 um 8.59 Uhr an einem bestimmten Ort in Wien als Fahrer eines Straßenbahnwagens unter näher angeführten Umständen eine Beschädigung an einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw verursacht und es sodann als an diesem Verkehrsunfall ursächlich Beteiligter unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle von diesem Unfall zu verständigen. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 5 StVO haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die im Abs. 1 genannten Personen - es sind dies alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht - die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Der Beschwerdeführer bestreitet zwar weder seine ursächliche Beteiligung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden noch die Unterlassung des Nachweises seines Namens und seiner Anschrift, wirft aber der belangten Behörde vor, übersehen zu haben, daß er dem Unfallgegner anläßlich des Unfalles einen Vordruck übergeben habe, aus welchem der "Eigentümer (bzw. Betriebsunternehmer)" des von ihm gelenkten Straßenbahnzuges, mit dem sich der Geschädigte zwecks Schadensregulierung auseinanderzusetzen habe, klar ersichtlich gewesen sei. § 4 Abs. 5 StVO eröffne den ursächlich Beteiligten die Möglichkeit, anstelle einer Verständigung der nächsten Polizeidienststelle entweder die eigenen Daten oder jene der Person, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, einander nachzuweisen, was im vorliegenden Fall geschehen sei. Damit vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun:
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. März 1992, Zl. 92/03/0041) darf eine Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle im Sinne des ersten Satzes des § 4 Abs. 5 StVO nach dem zweiten Satz der genannten Bestimmung nur unterbleiben, wenn die in § 4 Abs. 1 leg. cit. genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Beim vorliegenden Sachverhalt war ein Eingehen auf die Frage, was rechtens wäre, wenn auch das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug beschädigt worden wäre, entbehrlich:
Entsprechend der Aktenlage ist nämlich beim vorliegenden Verkehrsunfall nicht auch das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug beschädigt worden. Sohin kann schon aus diesem Grunde nicht davon ausgegangen werden, daß ein Identitätsnachweis für eine Person "in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist" erbracht wurde. Zur Befreiung von der Meldepflicht bedurfte es daher jedenfalls des Identitätsnachweises des Beschwerdeführers als des gemäß § 4 Abs. 1 StVO am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuglenkers dem dadurch allein Geschädigten gegenüber (vgl. zum Ganzen neuerlich das hg. Erkenntnis vom 4. März 1992, Zl. 92/03/0041). In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß auch der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte "Normzweck" des § 4 Abs. 5 StVO, der nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 89/02/0062) darin besteht, die Identität der Beteiligten für allfällige Schadensregelungen festzustellen, keine andere Auslegung nahelegt, liegt es doch auf der Hand, daß die Kenntnis des Namens und der Anschrift des am Verkehrsunfall beteiligten gegnerischen Fahrzeuglenkers bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen - gegenüber wem auch immer - maßgebliche Bedeutung hat.
Zu den vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Auslegung des § 4 Abs. 5 zweiter Satz StVO unter dem Blickwinkel des Grundrechtes auf Datenschutz (§ 1 DSG) angestellten verfassungsrechtlichen Überlegungen ist zu bemerken, daß der Beschwerdeführer offenbar dabei den normativen Gehalt des § 4 Abs. 5 StVO verkennt: Der Gesetzgeber hat nämlich hier keine alternative Verpflichtung auferlegt und deren Unterlassung unter Strafe gestellt, sondern dies NUR hinsichtlich einer Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle angeordnet; eine solche Meldung ist immer dann zu erstatten, wenn ein Identitätsnachweis nicht möglich ist oder zwar erbracht werden kann, jedoch - aus welchen Gründen immer - nicht vorgenommen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1981, Zl. 81/02/0131). Bei dem im zweiten Satz des § 4 Abs. 5 StVO geregelten Nachweis der Identität handelt es sich sohin um eine "Rechtswohltat" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1969, Zl. 1648/67), deren Inanspruchnahme dem Betroffenen freisteht und wodurch er sich von der im ersten Satz dieser Bestimmung enthaltenen Verpflichtung befreien kann. Von da her gesehen besteht schon deshalb kein Anlaß für die vom Beschwerdeführer als erforderlich erachtete Auslegung des zweiten Satzes des § 4 Abs. 5 StVO im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Datenschutz.
Die belangte Behörde konnte aber auch zu Recht davon ausgehen, daß dem Beschwerdeführer ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist: Der von ihm ins Treffen geführte Umstand, daß er dem Unfallgegner aufgrund eines entsprechenden "Dienstauftrages" seinen Namen und seine Anschrift nicht mitgeteilt habe, geht schon deshalb ins Leere, weil er damit allein die Behauptung der Unmöglichkeit, die oben angeführte "Rechtswohltat" des zweiten Satzes des § 4 Abs. 5 StVO in Anspruch nehmen zu können, aufstellte, was allerdings die Verpflichtung zur Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle nicht berührte. Auf einen Rechtsirrtum vermochte sich der Beschwerdeführer als ausgebildeter Lenker des Straßenbahnzuges gleichfalls nicht mit Erfolg berufen.
Aber auch mit dem Hinweis, die belangte Behörde habe es trotz der Vorschrift des § 51e VStG unterlassen, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun: Es kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ausgegangen ist. Selbst wenn dies nämlich nicht der Fall wäre, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen, daß dem dadurch bewirkten Verfahrensmangel im Beschwerdefall Relevanz zukäme. Daß ein rechtswidriges Unterbleiben der öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung in jedem Fall die Aufhebung des Berufungsbescheides nach sich ziehen müßte, ist dem Gesetz fremd (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0212). Der Schuldspruch ist daher frei von Rechtsirrtum.
Auch die Strafbemessung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen: Was zunächst das diesbezügliche Beschwerdevorbringen im Zusammenhang mit dem Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung anlangt, so ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen. Ein Absehen von der Verhängung einer Strafe gemäß § 21 Abs. 1 erster Satz VStG kommt nur bei Geringfügigkeit des Verschuldens in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1992, Zl. 90/19/0499), wofür sich allerdings kein Anhaltspunkt bietet; insbesondere zeigen die obigen Darlegungen des Gerichtshofes, daß sich der Beschwerdeführer von vornherein nicht auf den erwähnten Dienstauftrag berufen konnte. Eine Überschreitung des der belangten Behörde eingeräumten Ermessensspielraumes ist selbst dann, wenn dem Beschwerdeführer der Milderungsgrund des § 34 Z. 13 StGB zugute gekommen wäre, nicht erkennbar.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
MeldepflichtIdentitätsnachweisBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992020295.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
24.02.2011