TE Vfgh Erkenntnis 1990/9/24 B428/90

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Veröffentlicht am 24.09.1990
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb Tir GVG 1983 §6 Abs1 litc

Leitsatz

Abweisung einer Beschwerde gegen die Versagung der Erteilung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zum Liegenschaftserwerb aufgrund der Annahme mangelnder Selbstbewirtschaftung; keine Willkür, keine Verletzung im Recht auf Niederlassungs- und Erwerbsfreiheit

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Kaufvertrag vom 16. August 1988 erwarb J P als Käufer von M und H J als Verkäufer die Gpn. 808/1 und 808/3 als Nebenbestandteil der KG Galtür aus der Liegenschaft in EZ 144 KG Ischgl.

2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Galtür bei der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 9. Jänner 1989 wurde diesem Rechtserwerb gemäß §4 Abs1 iVm §6 Abs1 litc des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 (im folgenden: GVG 1983) die Zustimmung versagt.

2.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Käufers wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 28. Dezember 1989, Z LGv - 666/4-89, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

    "Nach Meinung der erkennenden Behörde sind ... im ergänzend

durchgeführten Ermittlungsverfahren keine ... Umstände

hervorgekommen, welche dafür sprechen würden, daß die verfahrensgegenständlichen Grundstücke vom Gesuchsteller in einer den aufgezeigten Grundsätzen entsprechenden Weise selbst bewirtschaftet werden würden und sohin eine ausreichend verläßliche Prognose im positiven Sinn nach §6 Abs1 litc GVG 1983 erfolgen könnte. Vielmehr muß der Erstinstanz schlichtweg beigepflichtet werden, wenn sie die Bewirtschaftung der verfahrensgegenständlichen Bergwiesen im Rahmen eines burgenländischen (!) Landwirtschaftsbetriebes für nicht glaubwürdig angesehen hat. Die Behauptung des Berufungswerbers, er werde 'burgenländische Kühe' zur Sömmerung auf die Alm bzw. auf die vertragsgegenständlichen Bergwiesen bringen, muß nach Ansicht der erkennenden Behörde schon auf Grund der Erfahrungen des täglichen Lebens als reine Schutzbehauptung angesehen werden. Im Hinblick darauf erübrigt sich aber auch die Untersuchung der Frage, ob bei der vom Berufungswerber gewählten Art der Bewirtschaftung des Landwirtschaftsbetriebes im Burgenland (vgl. die diesbezüglichen Berufungsausführungen), überhaupt von einer dem GVG 1983 entsprechenden Selbstbewirtschaftung gesprochen werden kann.

Darüberhinaus - und dies erscheint der erkennenden Behörde sehr wesentlich - widerspricht der vorliegende Rechtserwerb ganz allgemein den landwirtschaftlichen Schutzinteressen im Sinne des §4 Abs1 GVG 1983. Es kann nämlich allein schon im Hinblick auf die Entfernung keinesfalls im öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gelegen sein, wenn 'Landwirte' aus dem Burgenland als Käufer landwirtschaftlicher Grundstücke in Tirol auftreten und diese im Rahmen ihres burgenländischen Betriebes bewirtschaften wollen. Daran vermag auch der Hinweis des Berufungswerbers, wonach es heute ohne weiteres möglich sei, die Kühe vom Burgenland nach Galtür zu transportieren, nichts zu ändern."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde des Käufers, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Niederlassung und des Liegenschaftserwerbes sowie der Erwerbsfreiheit (Berufswahl) geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Zu den behaupteten Grundrechtsverletzungen wird in der Beschwerde zunächst geltend gemacht, daß die gegenständlichen Bergwiesen "bestens für die Sömmerung von ca. 10 Stück Fleckvieh" geeignet seien. Die Verkäufer hätten die Bewirtschaftung der in Rede stehenden Bergwiesen schon seit Jahren aufgegeben. Es sei nun durchaus auch möglich, daß jemand nur im Sommer Bauer ist, das zur Sömmerung bestimmte Vieh entweder als Lehnvieh aufnimmt oder die Tiere bei einer Absatzveranstaltung in Tirol kauft, sie dann sömmert und im Herbst entweder weiterveräußert oder in den eigenen Betrieb in das Burgenland bringt. Viehverkehr finde nicht nur von einem Bezirk zum anderen, sondern auch über Bundesländer und über Staaten hinweg statt. "Die entsprechende, im Akt bisher als beabsichtigt bekanntgegebene Wirtschaftsweise ist gewiß nicht glücklich, wurde diese aber mangels erforderlicher Kenntnis auf Seiten des die Eingaben Verfassenden geschrieben." Der Beschwerdeführer werde gewiß bestrebt sein, für den Einsatz seines Kapitals bei Ankauf der Almparzellen auch Erträge zu erzielen und eine entsprechend rentable Bewirtschaftung anzustreben. Wenn ihm dabei an der Förderung, der Gesundheit und Fruchtbarkeit seiner Milchkühe (nicht des "Galtviehs") gelegen sei, so habe dies für ihn auch einen wirtschaftlichen Wert, auch wenn es in den Augen anderer ein Minusposten sei. Wenn die belangte Behörde Bedenken gehabt habe, daß er eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung vornehmen werde, hätte sie von der Möglichkeit Gebrauch machen müssen, die Zustimmung unter einer Auflage zu erteilen; diese hätte sich darauf beziehen können, daß vom Beschwerdeführer Unterstände für das Vieh auf den Bergwiesen zu errichten seien. Die belangte Behörde habe das Gesetz aber auch insofern denkunmöglich ausgelegt, als die vom Beschwerdeführer gekauften Bergwiesen einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb nicht entzogen, sondern erst von ihm der entsprechenden landwirtschaftlichen Bestimmung wieder zugeführt würden. Demnach würden durch den Erwerb die öffentlichen Interessen an der Erhaltung oder Stärkung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht nachteilig, sondern positiv beeinflußt. Ein Eingriff in die Erwerbsbetätigung des Beschwerdeführers sei schließlich auch nur dann zu verneinen, wenn eine Bewirtschaftung der gekauften Grundstücke im Zusammenhang mit dem burgenländischen Betrieb des Beschwerdeführers denkunmöglich sei. Daß der Beschwerdeführer zur Bewirtschaftung der Grundstücke nicht geeignet sei, habe auch die belangte Behörde nicht feststellen können. Der Beschwerdeführer werde daher durch den angefochtenen Bescheid an der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit als Bauer gehindert, was einen unmittelbaren Eingriff in seine Erwerbsfreiheit darstelle. Als selbstbewirtschaftender Bauer im Burgenland sei der Beschwerdeführer auch willens und fähig, die in Rede stehenden Almflächen in Tirol zu bewirtschaften bzw. die erforderlichen Anweisungen zu geben, um die Arbeiten zu überwachen; eine persönliche Handanlegung sei für eine Selbstbewirtschaftung nicht vorausgesetzt. Dem angefochtenen Bescheid zu folgen, bedeute, daß ein Liegenschaftserwerb überhaupt nur bei einer entsprechenden örtlichen Nahebeziehung zulässig wäre.

4.2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Daß die materiell-rechtlich angewendeten Bestimmungen des GVG 1983, nämlich die §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc GVG 1983 verfassungswidrig wären, wird vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet, derartige Bedenken sind auch im Verfassungsgerichtshof nicht entstanden (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der zitierten Bestimmungen ua. VfSlg. 7538/1975, 7544/1975, 7546/1975, 7881/1976, 8718/1979, 9063/1981, zuletzt VfGH 15.6.1990 B1563/89). Ebensowenig wurde behauptet, daß den angewendeten Bestimmungen ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt worden wäre.

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen käme eine Verletzung des Gleichheitsgebotes nur in Frage, wenn die belangte Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985).

All dies ist offenkundig nicht der Fall. Die belangte Behörde hat im Ermittlungsverfahren einen Erhebungsbericht eines Amtsorganes der Tiroler Landesregierung eingeholt. Sie hat auch dem Beschwerdeführer die Verfahrensergebnisse zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben. In dem Erhebungsbericht wird festgestellt, daß die in Rede stehenden Kaufgrundstücke als Alpweide genutzt werden, und darauf verwiesen, daß der Käufer mit seiner Gattin Eigentümer der angrenzenden Gp. 808/2 im Ausmaß von 5.070 m2 sei, auf welcher sich ein Wochenendhaus befinde. Der Käufer habe seinen Hauptwohnsitz in Galtür, wo er mit seiner Gattin ein Kaufhaus betreibe. Mangels eines eigenen landwirtschaftlichen Betriebes verfüge der Käufer in Galtür über keine Wirtschaftsgebäude. In der Berufungsschrift werde vom Käufer ausgeführt, daß das von ihm im Burgenland gehaltene Galtvieh dringend eine Alpungsmöglichkeit in Tirol benötige und daß sich die in 1.800 m Seehöhe befindlichen Bergwiesen nach entsprechender Kultivierung bestens für die Sömmerung von ca. zehn Stück Fleckvieh eignen würde. Im Hinblick auf den Standort des Betriebes des Käufers im Burgenland erscheine ein derartiges Vorhaben aber wohl unrealistisch.

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dieser Auffassung des Amtsorganes gefolgt ist und der Behauptung des Käufers, er werde "burgenländische Kühe zur Sömmerung auf die Alm" bringen, den Erfahrungen des täglichen Lebens folgend keinen Glauben schenkte, kann der belangten Behörde jedenfalls nicht Willkür angelastet werden. Soweit die Beschwerde die Auffassung vertritt, daß eine Selbstbewirtschaftung durch Sömmerung von Vieh auf der Alm auch ohne Transport des burgenländischen Viehs beabsichtigt sei - in der Beschwerde wird in diesem Zusammenhange ausgeführt, daß die "als beabsichtigt bekanntgegebene Wirtschaftsweise ... gewiß nicht glücklich" gewesen sei -, wird in der Gegenschrift zu Recht darauf verwiesen, daß es sich um ein Vorbringen handle, das erstmalig in der Beschwerde gemacht werde. Auch daraus ist jedoch für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen; daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dem Vorbringen des Beschwerdeführers keinen Glauben schenkte und damit zu einer negativen Prognose und zur Verweigerung der Zustimmung kam, kann ihr jedenfalls nicht als unvertretbare Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorgeworfen werden.

4.2.2. Verfehlt ist weiters der Vorwurf des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid verletze ihn in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Niederlassungs- und auf Erwerbsfreiheit. Dem Verfassungsgerichtshof ist nach seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 3248/1957, 10501/1985) nicht ersichtlich, woraus sich ein solcher Vorwurf gegen die belangte Behörde rechtfertigen könnte.

4.2.3. Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, werden durch Art6 StGG nicht ausgeschlossen (VfSlg. 9682/1983). Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht könnte durch den angefochtenen Bescheid somit nur dann berührt worden sein, wenn die Genehmigung des Rechtsgeschäftes versagt worden wäre, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu bevorzugen (VfSlg. 9070/1981, 10797/1986).

Auch der Vorwurf einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Liegenschafterwerbsfreiheit trifft offenkundig nicht zu. Daß die belangte Behörde die Zustimmung zum Rechtserwerb verweigert hätte, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu begünstigen, wird nicht einmal behauptet.

4.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B428.1990

Dokumentnummer

JFT_10099076_90B00428_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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