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L34001 Abgabenordnung Burgenland;Norm
BAO §207 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der A P und des P P in N, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in X, , gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 21. Juni 1991, Zl. II-P-18-1991, betreffend Kanalanschlußbeitrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde N), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Erstbeschwerdeführerin betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.
Das Bundesland Burgenland hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Zweitbeschwerdeführer hat dem Bundesland Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 24. Oktober 1989 wurde dem Zweitbeschwerdeführer "gemäß § 5 des Burgenl. Kanalabgabegesetzes, LGBl. 41/1984 in Verbindung mit § 150 der Bgld. Landesabgabenordnung LGBl. Nr. 2/1963 in der geltenden Fassung und in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Andau vom 16. September 1989 ... als Eigentümer des Grundstückes 2282/10 der KG Andau ein Beitrag für den Anschluß an die Kanalisationsanlage" dieser Gemeinde in Höhe von S 50.245,27 unter Anrechnung der geleisteten Vorauszahlungen zur Zahlung vorgeschrieben.
Mit Berufungsbescheid vom 26. März 1990 wurde der gegen den vorgenannten Bescheid vom 24. Oktober 1989 erhobenen Berufung teilweise stattgegeben und die Abgabe mit S 49.570,54 erneut unter Anrechnung der geleisteten Vorauszahlungen nunmehr BEIDEN Beschwerdeführern zur Zahlung vorgeschrieben. Die gegen diesen Bescheid erhobene, nicht im Verwaltungsakt befindliche Vorstellung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Zu der der Abgabenfestsetzung zugrunde liegenden Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. September 1989 und zur behaupteten Verletzung des Äquivalenzprinzips wurde in der Begründung des Vorstellungsbescheides folgendes ausgeführt:
"Gemäß § 2 Abs. 1 Kanalabgabegesetz 1984, LGBl. Nr. 41/1984, sind die Gemeinden ermächtigt, durch Verordnung des Gemeinderates Kanalisationsbeiträge (Erschließungsbeitrag, vorläufiger Anschlußbeitrag, Anschlußbeitrag, Ergänzungsbeitrag, vorläufiger Nachtragsbeitrag, Nachtragsbeitrag) zur Deckung der Errichtungskosten der Kanalisationsanlage nach den Bestimmungen dieses Abschnittes zu erheben. An Kanalisationsbeiträgen darf jedoch jeweils insgesamt nicht mehr erhoben werden, als den von der Gemeinde geleisteten oder voranschlagsmäßig zu leistenden Aufwendungen für die Kanalisationsanlage entspricht.
Die Verordnung des Gemeinderates von N vom 16.9.1989, mit welcher die Einhebung des Kanalanschlußbeitrages verfügt wurde, ist von der Landesregierung geprüft und ordnungsgemäß kundgemacht worden. Auf welche Weise der Beitragssatz festzusetzen ist, bestimmt § 3 leg. cit., diese Vorschrift ist durch die genannte Verordnung eingehalten worden.
Zur Überprüfung einer Verordnung auf Ihre Gesetzmäßigkeit, welche überdies bereits von der Aufsichtsbehörde geprüft wurde, ist der Verfassungsgerichtshof und nicht die erkennende Behörde befugt. Mit den Ausführungen hinsichtlich Kanalfinanzierung, Baukosten, Mehreinnahmen etc. vermag der Vorstellungswerber also nichts zu gewinnen, da dies allenfalls im Rahmen eines Verordnungsprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof von Bedeutung sein könnte. Insbesondere konnte der Vorwurf der gesetzwidrigen Berücksichtigung der Kanalbenützungskosten sowie einer unterschiedlichen Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühren nicht geprüft werden.
Zur behaupteten Verletzung des Äquivalenzprinzips wird festgehalten: Es liegt - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtssprechung (z.B. Slg. 8188/1977) ausgesprochen hat - im Wesen der Beiträge, daß sie ihre Grenzen in der Höhe der Aufwendungen finden, die für die Kanalisationsanlage erforderlich sind. Deshalb dürfen die gesamten Erträge der Kanalisationsbeiträge nicht höher sein als die Kosten, die der Gemeinde durch die Schaffung der Kanalisationsanlage erwachsen. Die Summe der Einnahmen darf sonach die Summe der Ausgaben abzüglich Subventionen nicht übersteigen. Dieses Kostendeckungsprinzip hat der Gemeinderat bei der Festsetzung des Beitragssatzes zu beachten. Eine Verletzung dieses Grundsatzes muß zur Aufhebung der Abgabenverordnung durch die Aufsichtsbehörde oder den Verfassungsgerichtshof führen.
Hinsichtlich eines einzelnen Grundstückes besteht zwischen dem Nutzen aus der Kanalisationsanlage und der Höhe der Gebühren kein Äquivalenzprinzip, z.B. kommt es nicht darauf an, ob ein Gebäude angeschlossen ist sondern nur darauf, ob eine Anschlußpflicht besteht."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, "wegen Gesetzwidrigkeit seines Inhaltes infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften" erhobene Beschwerde. Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer durch die Abgabenfestsetzung als solche in ihren Rechten verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin haftet dem angefochtenen Bescheid deswegen eine inhaltliche Rechtswidrigkeit an, weil die belangte Behörde die Vorstellung gegen den gemeindebehördlichen Berufungsbescheid abgewiesen hat, obwohl der Erstbeschwerdeführerin - unter Verkürzung einer Instanz - erstmals mit dem Berufungsbescheid die strittige Abgabe zur Zahlung vorgeschrieben worden ist; nach dem Inhalt des im Verwaltungsakt befindlichen erstinstanzlichen Abgabenbescheides war dieser nämlich ausschließlich an den Zweitbeschwerdeführer gerichtet worden (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1992, Zl. 89/17/0193). Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes insoweit aufgehoben werden, als er die Erstbeschwerdeführerin betrifft.
Hinsichtlich der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers ist folgendes zu bemerken:
Soweit die Beschwerde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet, hat der Zweitbeschwerdeführer nicht dargetan, was er bei Vermeidung der Mängel vorgebracht hätte. Da somit die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht aufgezeigt wurde, konnten derartige Mängel nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 610, zitierte hg. Rechtsprechung).
Zu den in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Normbedenken ist folgendes zu sagen:
Gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. September 1989 bringt die Beschwerde vor, "um zur gesetzlich geforderten Äquivalenz zu gelangen", seien Anschlußgebühr und Benützungsgebühr (unzulässigerweise) gemeinsam als Grundlage herangezogen worden. Rechne man von den sich daraus ergebenden veranschlagten Baukosten von rund S 91,000.000,-- die nicht rückzahlbaren Landeszuschüsse von rund S 9,000.000,-- ab und stelle man den sich daraus ergebenden Differenzbetrag der Summe aus den Sollanschlußbeiträgen von rund S 44,000.000,-- und aufgenommenen Darlehensmitteln von rund S 55,000.000,-- gegenüber, so gelange man zu einer "Überdeckung" von rund S 17,000.000,--. In die veranschlagten Baukosten seien zu Unrecht auch Annuitäten für Darlehensaufnahmen einbezogen worden. Bei Ansatz der Baukosten sei auch nicht beachtet worden, daß derartige Kosten gemäß § 156 Bgld. LAO innerhalb von drei Jahren verjährten. Daraus ergebe sich, daß die in Rede stehende Verordnung "nicht mit dem Burgenländischen Kanalanschlußgesetz konform" sei. Formal gegen den angefochtenen Bescheid, in Wahrheit aber ebenfalls gegen die in Rede stehende Verordnung richtet sich auch der Vorwurf, im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung seien noch nicht alle Errichtungskosten abgerechnet worden, wie es das Gesetz verlange; desgleichen seien nicht alle Berechnungsflächen in der Gemeinde berücksichtigt worden. Die vorgeschriebenen Anschlußbeiträge seien auch nicht in Sollbeträgen, sondern in Istbeträgen verrechnet worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die im Beschwerdefall präjudiziellen Bestimmungen der genannten Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken, die einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung dieser Bestimmungen rechtfertigen würden. Der Verwaltungsgerichtshof verweist hiezu auf seine Ausführungen im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 91/17/0115, denen aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles noch folgendes hinzuzufügen ist:
Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt hat, liegt es im Wesen einer Gebühr im Sinne des Finanzausgleichsgesetzes, daß ihre Höhe der Leistung der Gemeinde äquivalent sein muß. Der Grundsatz gebietet, daß die gesamten Erträge der Gebühren für die Benützung solcher Einrichtungen und Anlagen zuzüglich sonstiger Einnahmen nicht höher sein dürfen als die gesamten Kosten, die der Gemeinde durch die Schaffung, die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung erwachsen. Die Gemeinden dürfen ihre Einrichtungen, die sie für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betreiben, den Benützern nur zu angemessenen Preisen (Gebühren) zur Verfügung stellen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. Juni 1980, Slg. Nr. 8847/1980). Das Äquivalenzprinzip erfordert, daß die Anschluß- und die laufende Gebühr ZUSAMMEN diesem Grundsatz entsprechen (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1986, V 5/86-8, und vom 27. Juni 1986, B 842/84, und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zu den Baukosten gehören entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführer auch ZINSEN FÜR DARLEHEN, die für die Finanzierung der Errichtung einer Kanalanlage aufgenommen wurden (siehe § 11 Abs. 2 lit. b Bgld KAbG). Anders als die für die Errichtung einer Kanalisationsanlage gewährten, nicht rückzuzahlenden Zuschüsse mindern aber die zur Finanzierung der Errichtung der Kanalisationsanlage aufgenommenen DARLEHENSMITTEL nicht jenen Betrag, der durch Kanalisationsbeiträge gedeckt werden darf (vgl. § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und 2 KAbG). Schon angesichts der Höhe der von den Beschwerdeführern unrichtig beurteilten Darlehensmittel hegt der Verwaltungsgerichtshof nicht das Bedenken, daß der Beitragssatz mit der in Rede stehenden Verordnung gesetzwidrig (überhöht) festgesetzt worden wäre. Der Bemessungsverjährung unterliegen im übrigen nicht die Baukosten, sondern ausschließlich Abgabenansprüche.
Aus diesen Erwägungen mußte die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Von der Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen der gestellten Anträge - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991170128.X00Im RIS seit
15.05.2001