TE Vwgh Erkenntnis 1993/1/25 91/15/0036

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Veröffentlicht am 25.01.1993
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Index

32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

UStG 1972 §10 Abs1 idF 1983/587;
UStG 1972 §10 Abs2 Z9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des Dr. H in F, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 7. Februar 1991, Zl B 244-3/90, betreffend Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Juli 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt neben seiner Facharztpraxis auch ein Sanatorium für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In seiner Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Juli 1990 nahm er für die Umsätze aus dem Sanatoriumsbetrieb unter Hinweis darauf, daß das Sanatorium als Krankenanstalt anzusehen sei, für welche auch eine Betriebsbewilligung nach dem Steiermärkischen Krankenanstaltengesetz erteilt worden sei, den gemäß § 10 Abs 2 Z 9 UStG ermäßigten Steuersatz von 10 vH in Anspruch. Davon abweichend unterzog das Finanzamt die "Sanatoriumsumsätze" (ebenso wie die im Rahmen der Facharztpraxis des Beschwerdeführers erzielten Umsätze) in dem die Umsatzsteuer für den Monat Juli 1990 festsetzenden Abgabenbescheid dem Normalsteuersatz (von 20 vH).

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Berufung ab. Dies sinngemäß mit der Begründung, zwecks Vermeidung einer Ungleichbehandlung von gleichartigen ärztlichen Leistungen im Umsatzsteuerrecht müsse § 10 Abs 2 Z 9 UStG verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß er dann nicht zur Anwendung komme, wenn die Einkünfte aus der Krankenanstalt den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne des § 22 Z 1 EStG 1988 zuzuordnen seien; und zwar auch deswegen, weil in derartigen Fällen die persönliche (leitende und eigenverantwortliche) Tätigkeit des Arztes und nicht der "Umsatz einer Krankenanstalt" im Vordergrund stehe. Davon ausgehend seien die vom Beschwerdeführer im Rahmen seines Sanatoriums erbrachten persönlichen ärztlichen Leistungen dem Normalsteuersatz zu unterziehen. Gleiches gelte für die nicht auf die ärztlichen Behandlungen durch den Beschwerdeführer entfallenden Komponenten der vom Sanatorium erbrachten Leistungen - nämlich die Beherbergung, Verpflegung und pflegerische Betreuung der stationär aufgenommenen Patienten, und Anästhesien durch Fremdärzte -, weil insofern unselbständige Nebenleistungen zu den eigentlichen ärztlichen Behandlungsleistungen vorlägen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt, weil ihm für die im Rahmen des Sanatoriums als einer Krankenanstalt erzielten Umsätze der gemäß § 10 Abs 2 Z 9 UStG ermäßigte Steuersatz gebühre; hilfsweise, falls seine ärztlichen Leistungen im Rahmen des Sanatoriumsbetriebes nicht nach dieser Bestimmung begünstigt seien, daß (wenigstens) die Beherbergungs-, Verpflegungs- und Betreuungsleistungen dem begünstigten Steuersatz nach dieser Gesetzesstelle zu unterziehen seien.

Die belangte Behörde beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 10 Abs 1 UStG beträgt die Steuer 20 von Hundert der Bemessungsgrundlage. Nach Abs 2 ermäßigt sie sich auf 10 von Hundert unter anderem für

"9. die Umsätze der Kranken- und Pflegeanstalten, der Alters-, Blinden- und Siechenheime sowie jener Anstalten, die eine Bewilligung als Kuranstalt oder Kureinrichtung nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften über natürliche Heilvorkommen und Kurorte besitzen, soweit es sich um Leistungen handelt, die unmittelbar mit der Kranken- und Kurbehandlung oder unmittelbar mit der Betreuung der Pfleglinge im Zusammenhang stehen;".

Bis zur Novelle BGBl Nr 410/1988 unterlagen neben anderen Tätigkeiten auch ärztliche Leistungen einem ermäßigten Satz von 10 von Hundert der Umsatzsteuer (Z 7 lit a).

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1992, G 64/92-11, hat der Gerichtshof aus Anlaß eines anderen Beschwerdefalles ausgesprochen, daß § 10 Abs 2 Z 9 UStG nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. In der Begründung dieses Erkenntnisses heißt es hiezu nach Darstellung der Erwägungen der Bundesregierung wie folgt:

"Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Ausführungen der Bundesregierung insgesamt zutreffen. Die Bedenken des Gerichtshofes lassen sich jedenfalls im Ergebnis zerstreuen. Zunächst ist der Bundesregierung einzuräumen, daß die besonderen Kosten der Behandlung und Betreuung durch nichtärztliches Personal ein wesentliches Merkmal der Kranken- und Pflegeanstalten und der sonstigen in § 10 Abs 1 Z 9 UStG genannten Einrichtungen ist, das eine besondere Behandlung der Leistungen dieser Anstalten insgesamt rechtfertigt. Dazu hat die Bundesregierung in der Verhandlung noch zutreffend dargetan, daß in den genannten Anstalten alle typischen Leistungen unmittelbar mit der Kranken- und Kurbehandlung (der Behandlung der Pfleglinge) in Zusammenhang stehen und nur außergewöhnliche Leistungen, wie die Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal, der Verkauf von medizinischen Geräten oder von Lebensmitteln in der Kantine oder die Überlassung von Fernsprechgeräten einen solch unmittelbaren Zusammenhang nicht aufweisen. Sodann ist in Betracht zu ziehen, daß die Umsätze der Träger der Sozialversicherung von der Umsatzsteuer befreit sind (§ 6 Abs. 6 UStG) und auch für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen Zwecken dienen, ein ermäßigter Steuersatz vorgesehen ist (§ 10 Abs 2 Z 12 UStG), sodaß die in Prüfung stehende Begünstigung im wesentlichen nur für Privatspitäler und -pflegeanstalten und auch dort nur für Leistungen an Privatpatienten oder außerhalb der Pflichtleistungen von Bedeutung ist.

Wenn der Gesetzgeber nun solchen - mit den schon begünstigten Anstalten in Konkurrenz stehenden - Einrichtungen wegen des höheren Anteils an nichtärztlichen Betreuungs- und Pflegeleistungen gleichfalls den günstigeren Steuersatz zubilligt und damit das Gewicht auf den Zusammenhang legt, in dem die verschiedenen Leistungen, darunter eben auch die ärztlichen, erbracht werden, nimmt er entgegen der vorläufigen Annahme des Prüfungsbeschlusses doch auf Unterschiede Bezug, die einen von der Besteuerung ärztlicher Leistung außerhalb dieser Einrichtungen abweichenden Steuersatz tragen können. Daß sich im Einzelfall auch eine Kranken- und Pflegeanstalt unter dem für die Begünstigung maßgeblichen Gesichtspunkt der ärztlichen (Gemeinschafts-)Praxis nähern und umgekehrt (die ärztliche Gemeinschaft-)Praxis insofern Züge einer Krankenanstalt des einschlägigen Typs annehmen könne, mache diese Anknüpfung an den institutionellen Rahmen, in dem die ärztliche Leistung jeweils als eine unter anderen Leistungen eines Unternehmens erbracht werde, nicht unsachlich."

Ausgehend von diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes erscheint die den angefochtenen Bescheid tragende Begründung rechtlich verfehlt, eine verfassungskonforme Auslegung des § 10 Abs 2 Z 9 UStG erfordere, daß auf ärztliche Leistungen im Rahmen einer Krankenanstalt und außerhalb dieses Rahmens der Normalsteuersatz angewendet werde und daß auch die im Rahmen einer solchen Anstalt erbrachten nichtärztlichen Betreuungs- und Pflegeleistungen wegen ihres Charakters als unselbständige Nebenleistungen der ärztlichen Leistungen nicht begünstigt seien. Soweit die belangte Behörde schließlich meint, im Beschwerdefall stehe die persönliche (leitende und eigenverantwortliche) Tätigkeit des Beschwerdeführers und nicht der "Umsatz einer Krankenanstalt" im Vordergrund, stützt sich diese Beurteilung nicht auf die Ergebnisse eines insoweit mängelfreien Ermittlungsverfahrens. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt hat, ob für das Sanatorium des Beschwerdeführers überhaupt eine Bewilligung nach dem Krankenanstaltenrecht erteilt worden ist und welche ärztlichen Leistungen des Beschwerdeführers in der Facharztpraxis und welche im Sanatorium ausgeführt worden sind, wurde lediglich die persönliche (leitende und eigenverantwortliche) Tätigkeit des Beschwerdeführers hervorgehoben, ohne aber näher darzulegen, welcher besonderen Umstände wegen das Sanatorium so betrieben wird, daß bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die ärztlichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers in der Facharztpraxis und im Sanatorium nach der Verkehrsauffassung eine Einheit darstellen. Maßstab hiefür wäre ein enger sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang dieser Tätigkeiten, wobei das Ausmaß der objektiven organisatorischen, wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtung der beiden Tätigkeiten entscheidend wäre (vgl hiezu Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch 1972, Rz 26 zu § 4 betreffend Merkmale für das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes).

Im Beschwerdefall wurde darüberhinaus nicht geprüft, welcher sachliche und wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den ärztlichen Leistungen des Beschwerdeführers in seiner Facharztpraxis und den Leistungen, die nach seiner Behauptung dem Sanatorium zuzurechnen sind, nämlich den ärztlichen Leistungen des Beschwerdeführers, des Anästhesisten und den Betreuungs- und Pflegeleistungen, besteht. Hiebei könnte auch von Bedeutung sein, wie das Rechtsverhältnis zwischen dem Sanatorium und dem Anästhesisten gestaltet ist und ob die nichtärztlichen Leistungen selbständige Leistungen oder unselbständige Nebenleistungen darstellen (vgl hiezu beispielsweise die hg Erkenntnisse vom 17. September 1990, Zlen 89/15/0048 und 0051).

Die im Beschwerdefall unbestrittenen Besonderheiten - nämlich, daß die Facharztpraxis des Beschwerdeführers und das Sanatorium im selben Gebäude betrieben wurden und daß nur Patienten aus der Facharztpraxis des Beschwerdeführers in das Sanatorium aufgenommen wurden - stellen wohl gewichtige Indizien für das Vorliegen eines engen wirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenhanges zwischen dem Betrieb der Facharztpraxis und dem der Krankenanstalt und somit Teilaspekte des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes dar, vermögen aber Feststellungen über die nach dem oben Gesagten sonst noch bedeutsamen Merkmale nicht zu ersetzen.

Auf Grund des Gesagten mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, und zwar weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991150036.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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