Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FinStrG §125 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der R in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat) vom 10. Mai 1991, Zl. 910/2-2/P-1989, betreffend Bestrafung wegen Hinterziehung von Abgaben gemäß § 33 Abs. 1 und 2 lit. a und b Finanzstrafgesetz sowie Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Straf- und Kostenausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1982 wurde durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen die Beschwerdeführerin ein Finanzstrafverfahren wegen Verdachtes der Abgabenhinterziehung eingeleitet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat sprach dieser im Jahr 1985 mit einem verkündeten Bescheid seine Unzuständigkeit aus, weil der strafbestimmende Wertbetrag von S 532.255,--, von dem S 512.816,-- auf Abgabenhinterziehungen entfielen, die Zuständigkeit des Gerichtes begründe. Gegen diesen unter der Bezeichnung "Erkenntnis" ausgefertigten Bescheid erhob der Amtsbeauftragte im Jahre 1986 "Berufung". Der Berufungssenat gab dieser Berufung nicht Folge.
Hierauf erstattete die Finanzstrafbehörde erster Instanz Anzeige wegen derselben Finanzvergehen durch Abgabenhinterziehung an die Staatsanwaltschaft.
Die Ratskammer des Gerichtshofes erster Instanz sprach mit Beschluß aus, daß dem Gericht die Ahndung der Taten als Finanzvergehen nicht zukomme, seine Zuständigkeit sei nämlich im Hinblick auf die FinStrG-Nov 1985 nicht gegeben, weil das Finanzstrafverfahren erst nach dem 1. Jänner 1986 bei Gericht anhängig geworden sei.
Auf Grund dieses Beschlusses wurde das Finanzstrafverfahren vor dem Spruchsenat fortgesetzt. Die Beschwerdeführerin bekannte sich zwar schuldig, bestritt jedoch die Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde.
Der Spruchsenat erkannte die Beschwerdeführerin am 20. Oktober 1988 der Finanzvergehen schuldig und verhängte über sie eine Geldstrafe von S 180.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Monate). Die Fortsetzung des Finanzstrafverfahrens gründete der Spruchsenat auf § 54 Abs. 5 FinStrG. Die Höhe der Geldstrafe begründete er damit, daß sich der strafbestimmende Wertbetrag auf S 512.816,-- belaufe, sodaß die Strafobergrenze S 1,025.632,-- betrage. Als erschwerend wertete die Behörde erster Instanz die Tatbegehung über einen längeren Zeitraum sowie das Zusammentreffen verschiedener Finanzvergehen, als mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit, das volle Geständnis sowie die Begleichung der Abgabenrückstände. Sie nahm auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Sorgepflichten der Beschwerdeführerin bei der Strafbemessung Rücksicht.
Die belangte Behörde gab mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Berufung gegen das Erkenntnis des Spruchsenates nur insoweit Folge, als sie die Strafe auf S 100.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Monat herabsetzte. Die belangte Behörde bejahte die Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde erster Instanz sowie die Voraussetzung für die Fortsetzung des Finanzstrafverfahrens und ergänzte die Strafzumessungsgründe um den Milderungsumstand, daß die Taten längere Zeit zurückliegen und sich die Beschwerdeführerin seither wohlverhalten habe.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 9. Juni 1992, B 726/91-3).
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, nur im Rahmen der geltenden Gesetze und unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bestraft zu werden. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die Beschwerdeführerin begründet die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit damit, die Voraussetzungen für eine Fortsetzung des Finanzstrafverfahrens gemäß § 54 Abs. 5 FinStrG seien nicht vorgelegen, weil keine vorläufige Einstellung des Verfahrens erfolgt sei. Vielmehr sei das Finanzstrafverfahren vom Spruchsenat mit einem anfechtbaren, der Rechtskraft fähigen Bescheid durch Unzuständigkeitsentscheidung eingestellt worden. Die neuerliche Entscheidung verstoße daher gegen das aus der Rechtskraft folgende Wiederholungsverbot. Selbst wenn man eine formlose Verfahrensfortsetzung für möglich halten sollte, wäre der Spruchsenat gemäß Art II § 3 Abs. 1 und 2 FinStrG-Nov 1985 wieder nicht zuständig gewesen, weil das Verfahren vor dem 1. Jänner 1986 vor dem Senat anhängig und dieser damals nicht zuständig gewesen sei. Die Strafhöhe bekämpft die Beschwerdeführerin mit der Begründung, die belangte Behörde habe sich weder ausreichend mit ihren Vermögens- und Familienverhältnissen beschäftigt noch die Milderungs- und Erschwerungsgründe richtig bewertet und gegen einander abgewogen, sodaß eine viel zu hohe Strafe verhängt worden sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Da die ausdrückliche Bezeichnung des Beschwerdepunktes so allgemein gehalten ist, daß sie allein das von der Beschwerdeführerin als verletzt bezeichnete subjektive Recht nicht erkennen läßt, muß die Begründung der Beschwerde zum Verständnis des Beschwerdepunktes herangezogen werden. Danach erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt, nicht unter Mißachtung des Grundsatzes "ne bis in idem" oder der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung der Finanzvergehen schuldig erkannt zu werden, allenfalls nicht unangemessen bestraft zu werden.
Die Behauptung in der Gegenschrift, die Unzuständigkeitsentscheidung des Spruchsenates habe ihre Grundlage in § 125 Abs 1 FinStrG, ist unrichtig, weil diese Vorschrift nur zur Anwendung gelangt, wenn der Spruchsenat seine Zuständigkeit deshalb verneint, weil die Zuständigkeit des Einzelorganes der Finanzstrafbehörde gegeben ist (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1992, 92/15/0010).
Eine Einstellung des Finanzstrafverfahrens ist durch die Finanzstrafbehörde nicht erfolgt. Die gegenteilige Behauptung der Beschwerdeführerin ist unrichtig. Der Spruchsenat hat sich allerdings nach § 64 Abs. 2 FinStrG für unzuständig erklärt, weil die Zuständigkeit des Gerichtes gegeben sei.
Gemäß § 64 Abs. 2 FinStrG hat der Spruchsenat seine Nichtzuständigkeit auszusprechen, wenn sich ergibt, daß das Gericht zuständig wäre. Bei einem solchen Unzuständigkeitsausspruch handelt es sich nach dem Willen des Gesetzgebers um eine bloße verfahrensleitende Anordnung (vgl. EBzRV zum FinStrG, 295 BlgNR 8. GP, 69). An dieser Qualität der Erledigung ändert die Bezeichnung als Erkenntnis ebensowenig wie die meritorische Erledigung einer dagegen erhobenen Berufung des Amtsbeauftragten durch den Berufungssenat. Die Bezeichnung als Bescheid macht eine verfahrensleitende Anordnung noch nicht zu einem das Verfahren beendenden Bescheid, zumal auch verfahrensleitende Anordnungen als (verfahrensrechtliche) Bescheide bezeichnet werden können (vgl. etwa Reeger - Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, Seite 339/340 und Seite 807/808; Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, Seite 225). Die Unterscheidung zwischen einem das Verfahren beendenden Bescheid und einer verfahrensleitenden Anordnung kann daher nicht nach der Bezeichnung "Bescheid" erfolgen, sondern nur aus dem Inhalt der Erledigung. Ein Ausspruch gemäß § 64 Abs. 2 FinStrG, der sich auf die Erklärung der Unzuständigkeit beschränkt, weil nach Ansicht des Spruchsenates die Zuständigkeit des Gerichtes gegeben ist, bildet daher, gleichgültig, ob die Erledigung als Anordnung, Verfügung oder als Bescheid bezeichnet ist, keine das Verfahren beendende Entscheidung, sondern eine verfahrensleitende Anordnung, die lediglich bezweckt, dem Gericht Gelegenheit zur Erledigung der Finanzstrafsache zu geben. Eine rechtskräftige Erledigung der Frage der Unzuständigkeit der Finanzstrafbehörde zugunsten der Gerichtszuständigkeit ist daher durch die verfahrensleitende Anordnung des Spruchsenates nicht erfolgt. Es liegt daher auch kein negativer Kompetenzkonflikt zwischen Gericht und Finanzstrafbehörde (Spruchsenat) vor. Über die gerichtliche Zuständigkeit in Abgrenzung zur Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde hat nämlich das Gericht zu entscheiden (vgl. den bereits oben zitierten Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1992). Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher nicht die Meinung, es bestehe bei einem Vorgehen des Spruchsenates gemäß § 64 Abs 2 FinStrG vor der Entscheidung des Gerichtes über seine Zuständigkeit grundsätzlich die Möglichkeit eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen Gericht und Spruchsenat (vgl. Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, Rz 4 zu
§ 54 FinStrG).
Da die Ratskammer des Gerichtshofes erster Instanz ausgesprochen hat, die Ahndung der Taten als Finanzvergehen komme dem Gericht nicht zu, hatte die Finanzstrafbehörde von ihrer Zuständigkeit auszugehen und das Verfahren fortzusetzen. Wird das gerichtliche Verfahren nämlich rechtskräftig durch eine Entscheidung, die auf der Ablehnung der Zuständigkeit beruht (Unzuständigkeitsentscheidung), beendet, so hat die Finanzstrafbehörde das Finanzstrafverfahren fortzusetzen (§ 54 Abs. 5 FinStrG). Ob die Unzuständigkeitsentscheidung des Gerichtes mit dem Gesetz übereinstimmt, ist dabei nicht entscheidend. Die Beschwerdeführerin beruft sich daher zum Nachweis der Unzuständigkeit der Finanzstrafbehörde zu Unrecht auf die Übergangsvorschriften der FinStrG-Nov 1985.
Da die Beschwerdeführerin nichts weiter gegen die Rechtmäßigkeit des Schuldspruches vorgetragen hat, wird sie durch diesen in ihren vom Beschwerdepunkt umfaßten Rechten nicht verletzt, weshalb die Beschwerde insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Was die Beschwerdeführerin gegen die Strafbemessung vorträgt, ist nicht geeignet, Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit zu erwecken, zumal dem Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung der in ihr gelegenen Ermessensübung nur gemäß der Art. 130 Abs. 2 B-VG zusteht. Ihre Rechtswidrigkeit ergibt sich jedoch daraus, daß der Spruchsenat bei der Bestrafung von einer Strafobergrenze von S 1,025.632,-- ausgegangen ist und die belangte Behörde diesen Strafrahmen nicht korrigiert hat.
Gemäß § 54 Abs. 5 FinStrG darf im fortgesetzten Verfahren der Bestrafung kein höherer strafbestimmender Wertbetrag zugrundegelegt werden, als er der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit entspricht.
Gemäß Art II § 3 Abs 2 FinStrG-Nov 1985 haben die Änderungen der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte und Finanzstrafbehörden auf bereits anhängige Strafverfahren keinen Einfluß. Auf Finanzstrafverfahren, die bereits vor dem 1. Jänner 1986 anhängig waren, sind daher noch die strafbestimmenden Wertbeträge für die finanzstrafbehördliche Zuständigkeit in der Fassung des Gesetzes vor der FinStrG-Nov 1985 anzuwenden.
Da das Finanzstrafverfahren vor dem 1. Jänner 1986 eingeleitet worden ist, darf der Bestrafung kein höherer strafbestimmender Wertbetrag zugrundegelegt werden als S 500.000,--. Die belangte Behörde ist jedoch bei ihrer Bestrafung in Übereinstimmung mit dem Spruchsenat von einem strafbestimmenden Wertbetrag von S 512.816,-- ausgegangen.
Hiedurch belastete sie die Strafbemessung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, was zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich des Straf- und Kostenausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. An Aufwandersatz für Bundesstempel stehen nur sechs Eingabengebühren a S 120,-- zu (Abtretungsantrag an den Verfassungsgerichtshof 3-fach, Schriftsatz zur Mängelbehebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde 3-fach). Das Aufwandersatzmehrbegehren für Bundesstempel war daher abzuweisen. Der Schriftsatzaufwand ist mit insgesamt S 11.120,-- pauschaliert.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992140164.X00Im RIS seit
11.07.2001