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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §161 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. L in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat) vom 29. März 1988, Zl. 30.374/3/88, betreffend Einkommensteuer 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist praktischer Arzt. Im Jahr 1984 erlitt er einen Verkehrsunfall, der eine Arbeitsunfähigkeit von ca. 1 Monat und anschließend eine nur eingeschränkte Arbeitsfähigkeit zur Folge hatte. Im Jahr 1985 erhielt er von einem Versicherungsunternehmen eine Entschädigung für Verdienstentgang, die er dem Finanzamt gegenüber mit einem Betrag von S 234.358,-- erklärte und für die er den begünstigten Steuersatz nach § 37 EStG 1972 beantragte.
Das Finanzamt versagte die genannte Tarifbegünstigung mit der Begründung, daß eine Entschädigung für Verdienstentgang nur dann steuerbegünstigt sei, wenn sie einen mehrjährigen Zeitraum betreffe und zur Gänze in einem Veranlagungszeitraum zufließe. Diese Voraussetzung treffe im Beschwerdefall nicht zu.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Die Rechtsansicht, eine Entschädigung für Verdienstentgang sei nur dann mit dem begünstigten Steuersatz gemäß § 37 EStG 1972 zu versteuern, wenn sie einen mehrjährigen Zeitraum betreffe, sei im Gesetz nicht gedeckt. Der Verkehrsunfall sei vom Beschwerdeführer nicht verschuldet gewesen und stelle daher ein außerordentliches Ereignis dar. In der Folge wurde die für Verdienstentgang bezahlte Entschädigung von S 234.358,-- auf S 212.935,-- richtiggestellt.
Das Finanzamt gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung teilweise statt, indem es die Entschädigung auf das richtiggestellte Ausmaß herabsetzte. Die Tarifbegünstigung des § 37 EStG 1972 wurde jedoch nicht zuerkannt.
Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die Verdienstentgangsentschädigung falle unter § 32 Z. 1 EStG 1972 und sei daher nach § 37 leg. cit. begünstigt. Eine über den inswoweit klaren Wortlaut des Gesetzes hinausgehende Auslegung nach dem Grundsatz "in dubio pro fisco" sei unzulässig.
Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde der Beschwerdeführer unter anderem aufgefordert, die Ausgaben im Zusammenhang mit einem Ärztekongreß in Kaprun aufzugliedern und durch Belege nachzuweisen. Dieser Aufforderung entsprach der Beschwerdeführer in der Weise, daß er Programm, Teilnahmebestätigung und Zahlungsbeleg vorlegte und darauf hinwies, daß im bezahlten Betrag von S 12.900,-- die Kongreßgebühr von S 1.700,-- sowie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung enthalten seien.
Die belangte Behörde gab der Berufung teilweise Folge. Sie setzte, der Berufungsvorentscheidung folgend, die Verdienstentgangsentschädigung mit S 212.935,-- fest, erhöhte die Betriebseinnahmen um einen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht strittigen Betrag und verböserte die erstinstanzliche Entscheidung, indem sie den bisher als Betriebsausgabe anerkannten Kosten für die Teilnahme an dem oben erwähnten Ärztekongreß ("1. Kapruner Sportärzte-Woche") die steuerliche Anerkennung versagte. Die Tarifbegünstigung des § 37 EStG 1972 für die Verdienstentgangsentschädigung wurde ebenfalls nicht zuerkannt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Verdienstentgangsentschädigung:
Unbestritten ist, daß es sich bei der Verdienstentgangsentschädigung um eine Entschädigung im Sinne des § 32 Z. 1 lit. a EStG 1972 handelt, die als Ersatz für entgangene Einnahmen gewährt wurde. Derartige Entschädigungen werden im § 37 Abs. 2 Z. 4 EStG 1972 als außerordentliche Einkünfte genannt, für die die Tarifbegünstigung des § 37 Abs. 1 leg. cit. in Anspruch genommen werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt allerdings unter Bezugnahme auf den Sinn dieser Begünstigung in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die zitierte Tarifbegünstigung nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nur dann zum Tragen kommen soll, wenn die damit bewirkte Progressionsmilderung Einkünfte betrifft, die zusammengeballt in einem Jahr anfallen, üblicherweise aber verteilt auf mehrere Wirtschaftsperioden zu erfassen wären. Außerordentliche Einkünfte liegen demnach nur dann vor, wenn die Einkünfte wirtschaftlich als das Ergebnis einer mehrjährigen Tätigkeit anzusehen sind und zusammengeballt in einem Jahr anfallen. Dies gilt uneingeschränkt für die in § 37 Abs. 2 Z. 1 bis 4 EStG 1972 genannten Einkünfte (siehe das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1992, 90/14/0130, und die dort näher ausgeführten Entscheidungsgründe, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird). Diese Auslegung findet auch im Wortlaut des Gesetzes, der von "außerordentlichen" (und nicht nur von begünstigten) Einkünften spricht, ihre Deckung.
Wenn der Beschwerdeführer auf Veräußerungs- und Übergangsgewinne (= Gewinne infolge eines Wechsels der Gewinnermittlungsart) Bezug nimmt, die sich "schon begrifflich nicht auf einen mehrjährigen Zeitraum erstrecken" könnten und dennoch begünstigt seien, so ist ihm das eben zitierte sowie das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1992, 88/14/0053, entgegenzuhalten. In diesen beiden Erkenntnissen hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, daß auch Veräußerungs- und Übergangsgewinne nur dann gemäß § 37 EStG 1972 begünstigt sind, wenn sie zu einer zusammengeballten Erfassung stiller Reserven bzw. von Betriebsvorfällen mehrerer Wirtschaftsperioden in einer Veranlagungsperiode führen. Die Beschwerde erweist sich somit in diesem Punkt als unbegründet, zumal der Beschwerdeführer der Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, daß die Entschädigung keinen mehrjährigen Zeitraum betroffen hat, nicht entgegengetreten ist.
2. Kosten für die Teilnahme an der 1. Kapruner Sportärzte-Woche:
Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, daß ihm im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit geboten worden sei, sich zur betrieblichen Veranlassung der Teilnahme an der 1. Kapruner Sportärzte-Woche zu äußern. Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift darauf, daß der Beschwerdeführer aufgefordert worden sei, "die entsprechenden Aufzeichnungen zur Einsicht vorzulegen, aus denen sich die Berechtigung zur Geltendmachung" ergebe. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß mit der bloßen Aufforderung zur Vorlage von Beweismitteln noch nicht vollinhaltlich der Vorschrift des § 161 Abs. 2 und 3 BAO entsprochen wird, wonach die Abgabenbehörde dem Abgabepflichtigen allfällige Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung bekanntzugeben und ihm jene Punkte zur vorherigen Äußerung mitzuteilen hat, in denen eine wesentliche Abweichung zu seinen Ungunsten in Frage kommt. Dieser Vorschrift genügt die Abgabenbehörde nur, wenn ihre Mitteilung deutlich erkennen läßt, daß sie Bedenken gegen die Richtigkeit bestimmter Angaben des Abgabepflichtigen hat. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde ihren Vorhalt wie folgt konkretisiert:
"Die Ausgaben im Zusammenhang mit dem Ärztekongreß in Kaprun vom 8.12. bis 14.12.1985 mögen aufgeschlüsselt und durch Belege (Programm, Teilnahmebestätigung, Zahlungsbeleg und Kongreßgebühr) nachgewiesen werden."
Diesem Vorhalt ist der Beschwerdeführer nachgekommen, indem er Programm, Teilnahme- und Zahlungsbestätigung vorgelegt und darauf hingewiesen hat, daß in den Kosten auch die Kongreßgebühr enthalten sei. Nähere Mitteilungen darüber, aus welchen Gründen für ihn als Arzt eine berufliche Veranlassung bestanden habe, an dem genannten Kongreß teilzunehmen, hat die belangte Behörde vom Beschwerdeführer nicht begehrt. Für diesen mußte daher auch nicht erkennbar sein, daß die belangte Behörde grundsätzliche Bedenken gegen den Betriebsausgabencharakter der betreffenden Kosten hatte. Daraus folgt, daß dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit geboten wurde, derartige Bedenken zu zerstreuen. Gerade diesem Zweck dient aber die Vorschrift des § 161 Abs. 2 und 3 BAO. Solange die Abgabenbehörde dem Abgabepflichtigen allfällige Bedenken gegen die Richtigkeit seiner Abgabenerklärung nicht vorhält und ihm die beabsichtigte Änderung zu seinen Ungunsten nicht mitteilt, besteht für diesen auch keine Veranlassung, von sich aus die näheren Umstände und Beweggründe offenzulegen, die geeignet sind, einen Aufwand, der seiner Art nach durchaus als Betriebsausgabe in Betracht kommt, näher zu erläutern und zu spezifizieren.
Der Beschwerdeführer ist daher im Recht, wenn er in der Vorgangsweise der belangten Behörde einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften erblickt. Dessenungeachtet erweist sich die Beschwerde auch in diesem Punkt als unbegründet, weil das Außerachtlassen von Verfahrensvorschriften nur dann zur Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG führen kann, wenn die belangte Behörde bei Einhaltung der Vorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dies ist im Beschwerdefall aus folgenden Gründen zu verneinen:
Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 dürfen Aufwendungen für die Lebensführung, welche die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, auch wenn sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Aus diesem Grund muß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gerade bei Aufwendungen, die auch in den Kreis der privaten Lebensführung fallen können, ein strenger Maßstab angelegt und eine genaue Unterscheidung vorgenommen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1986, Zl. 86/14/0031).
Über die Abzugsfähigkeit des Aufwandes für die Teilnahme an Studienreisen, Kongressen, Tagungen udgl. liegt eine umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 16 Abs. 1 EStG 1972 allgemein, Seite 36 ff, § 20 EStG 1972 Seite 22/5 ff mit zahlreichen Judikaturhinweisen). Zu den Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit, die alle zusammen erfüllt sein müssen, soll nicht § 20 EStG 1972 zum Zug kommen, zählt unter anderem, daß das Programm und seine Durchführung derart einseitig und nahezu ausschließlich auf interessierte Teilnehmer der Berufsgruppe des Steuerpflichtigen abgestellt sein müssen, daß sie jeglicher Anziehungskraft auf andere als in der spezifischen Richtung beruflich interessierte Teilnehmer entbehren (vgl. aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1989, Zl. 86/14/0100). Der Verwaltungsgerichtshof hat dementsprechend die Kosten von Reisen, deren Gegenstand ein sogenanntes Mischprogramm ist, in den Bereich der privaten Lebensführung verwiesen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 21. Oktober 1986).
Andere allgemein interessierende Programmpunkte ("Privatzeiten") dürfen nicht mehr Raum als jenen einnehmen, der während der laufenden Berufsausübung als Freizeit regelmäßig zu anderen als beruflichen Betätigungen verwendet wird; hiebei ist auf eine "Normalarbeitszeit" von durchschnittlich 8 Stunden täglich abzustellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. September 1986, Zl. 86/14/0019, und vom 13. Dezember 1988, Zl. 88/14/0002).
Auch im Beschwerdefall muß das Kongreßprogramm als Mischprogramm im dargestellten Sinn angesehen werden: Bereits in der Einführung des Progammes wird ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, sich "im Rahmenprogramm ... unter Anleitung von speziell ausgewählten Ski-Trainern ... individuell auf die Saison vorzubereiten". Weiters wird der Gewißheit Ausdruck verliehen, daß sich die Teilnehmer "in unserer sportlich-gemütlichen Atmosphäre besonders wohl fühlen werden". Das Programm selbst ist dadurch gekennzeichnet, daß täglich die Zeit von 9.00 bis 16.30 Uhr (am Freitag dem 13. Dezember 1985 nur bis 16.00 Uhr) als vortragsfreier Zeitraum für das Skifahren benutzt werden konnte. Das daran anschließende, durch das Abendessen unterbrochene Vortrags- und Kursprogramm vermag nichts an dem Umstand zu ändern, daß praktisch der gesamte Zeitraum, der Winterurlaubern üblicherweise für die Ausübung des Skisportes zur Verfügung steht, auch den Kongreßteilnehmern für diese typische Freizeitbeschäftigung zur Verfügung stand.
Dadurch, daß die Österreichische Ärztekammer mit Beschluß vom 28. März 1984 für die sportmedizinische Fortbildung ein Mindesterfordernis von
"a) 45 Stunden sportmedizinische Fortbildung ... und
b) 45 Stunden Theorie und Praxis der Leibesübungen ..."
festgsetzt hat, wird ein nicht näher spezifiziertes "Skitraining", dessen Eignung für die individuelle Vorbereitung auf die Wintersaison ausdrücklich hervorgehoben wird, nicht zur beruflich bedingten Tätigkeit eines Arztes, selbst wenn damit die Erlangung eines "Sportarztdiploms" durch die Österreichische Ärztekammer und den Österreichischen Sportärzteverband ermöglicht sein sollte.
Die belangte Behörde hat daher den Kosten für die Teilnahme an dem genannten Kongreß zu Recht die Anerkennung als Betriebsausgaben versagt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch aus einem anderen Grund als inhaltlich rechtswidrig:
Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde die Kosten für die Teilnahme am Ärztekongreß zuzüglich Umsatzsteuer dem erklärten Gewinn hinzugerechnet hat, obwohl diese Kosten nur mit ihrem Nettobetrag (also ohne Umsatzsteuer) als Betriebsausgabe geltend gemacht worden seien. In ihrer Gegenschrift bezeichnet die belangte Behörde dies als Versehen, gibt also selbst zu, den Gewinn irrtümlich um S 1.120,-- (das ist die vom Beschwerdeführer bezifferte Differenz) zu hoch angesetzt zu haben, meint aber, daß diese Differenz von "geringem Umfang" sei. Sie verkennt dabei offensichtlich, daß der Gerichtshof die Rechtswidrigkeit eines angefochtenen Bescheides auch dann wahrzunehmen hat, wenn ihre Auswirkung geringfügig sein mag. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob eine rechtswidrigerweise vorgenommene Erhöhung der Abgabenbemessungsgrundlage um mehr als S 1.000,-- tatsächlich als bloß geringfügig anzusehen ist.
Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1988140108.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008