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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §10 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der W in E, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 27. August 1992, Zl. 9/01-23.174/23-1991, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1986, Zl. 86/11/0030, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde ein Bescheid der belangten Behörde vom 13. Februar 1986 wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben, mit dem der Beschwerdeführerin die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 wegen Fehlens der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen entzogen worden war. In der Begründung des Erkenntnisses vom 2. Juli 1986 wurde ausgeführt, daß die belangte Behörde über die gegen einen Mandatsbescheid vom 13. September 1984 erhobene Vorstellung entschieden habe; für das fortzusetzende Verfahren wurde angemerkt, daß hinsichtlich der Annahme der Nichteignung der Beschwerdeführerin Verfahrensmängel unterlaufen seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über die durch die Aufhebung des Vorbescheides vom 13. Februar 1986 "wiederauflebende Berufung" (gemeint ist offenbar gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 23. November 1984 betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 73 Abs. 1 KFG wegen - geistiger (?) - Nichteignung der Beschwerdeführerin) entschieden. Der Spruch des angefochtenen Bescheides lautet:
"Der Berufung wird gemäß § 73 Abs. 1 und 2 KFG 1967, BGBl. Nr. 267, i.d.g.F., i.V.m. § 69 Abs. 1 lit. b leg. cit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B eine bedingte Lenkerberechtigung erteilt. Gleichzeitig wird diese Lenkerberechtigung ab Ausstellung des Führerscheines auf 1 Jahr befristet. Darüberhinaus ist von der Genannten die fachliche Befähigung durch Ablegung der erforderlichen Lehrbefähigungsprüfung (vereinfachte Prüfung) vor Ausgabe des Führerscheines nachzuweisen. Rechtzeitig vor Ablauf dieser befristeten Lenkerberechtigung ist um deren Verlängerung anzusuchen und hat sich die Genannte zwecks Feststellung ihrer weiteren geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B einer neuerlichen amtsärztlichen Kontrolluntersuchung zu unterziehen.
Gemäß § 71 Abs. 1 KFG 1967 ist die Befristung der Lenkerberechtigung in den Führerschein einzutragen."
In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Hinblick auf die Darstellung des Sachverhaltes in der Gegenschrift der belangten Behörde sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zur Feststellung aus dem vorgelegten Verwaltungsakt veranlaßt, daß der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid vom 23. November 1984 nicht die aufschiebende Wirkung aberkannt worden ist. Die Beschwerdeführerin befand sich daher im Laufe des Berufungsverfahrens (d.i. bis zur Erlassung des Vorbescheides vom 13. Februar 1986 - am 27. Februar 1986 - sowie vom 19. August 1986 - dem Tag der Zustellung des hg. Erkenntnisses vom 2. Juli 1986 - an) im Besitz einer Lenkerberechtigung.
2. Sache des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG war der Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides, somit die Entziehung der Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin. Der Inhalt des - oben wiedergegebenen - Spruches des angefochtenen Bescheides ist unklar. Einerseits werden die Abs. 1 und 2 des § 73 KFG 1967 zitiert, welche Bestimmungen die Entziehung der Lenkerberechtigung zum Inhalt haben und was daher dem ersten Anschein nach auf eine Entscheidung in der Sache schließen ließe. Nach der weiteren Zitierung des § 69 Abs. 1 lit. b KFG 1967 wird jedoch ausdrücklich die Erteilung einer befristeten Lenkerberechtigung verfügt. Vor "Ausgabe" des Führerscheines - von der an die Frist zu laufen habe - müsse die Beschwerdeführerin eine "Lehrbefähigungsprüfung" (gemeint ist wohl Lenkerprüfung) ablegen.
Die zitierten Aussprüche sind dahin zu deuten, daß der Beschwerdeführerin, ohne daß dies ausdrücklich zum Ausdruck gebracht wird, die Lenkerberechtigung entzogen und ihr eine neue (befristete) Lenkerberechtigung erteilt wird. Die Erteilung wird von der erfolgreichen Ablegung einer Prüfung abhängig gemacht.
Auf dem Boden des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes - ob zu Recht oder nicht, kann hier dahinstehen -, daß die Beschwerdeführerin derzeit geistig und körperlich geeignet sei, Kraftfahrzeuge der in Rede stehenden Gruppe zu lenken, daß aber Nachuntersuchungen hinsichtlich dieser Eignungsvoraussetzungen erforderlich seien, wäre die von der belangten Behörde als Berufungsbehörde einzuschlagende Vorgangsweise gewesen, die bestehende Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 zu befristen. Die Befristung einer Lenkerberechtigung ist eine erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werdende Entziehung. Dazu wäre die belangte Behörde im Lichte ihrer Entscheidungsbefugnis als Berufungsbehörde demnach berechtigt gewesen. Nicht berechtigt war sie aber zur Entziehung der Lenkerberechtigung und davon zeitlich verschobenen Erteilung einer neuen (befristeten) Lenkerberechtigung.
Der geschilderte Verstoß der belangten Behörde gegen ihre Entscheidungsbefugnis nach § 66 Abs. 4 AVG hat auch eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin zur Folge. Bei der Verfügung einer Befristung der bestehenden Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin wäre sie
- kontinuierlich - im Besitz ihrer Lenkerberechtigung geblieben; diese Berechtigung wäre erst nach Ablauf der Frist erloschen. Auf Grund des angefochtenen Bescheides ist die Beschwerdeführerin mit dessen Erlassung ihrer Lenkerberechtigung verlustig geworden. Die Erteilung der Lenkerberechtigung wurde auch von einer Bedingung abhängig gemacht, die sie im Falle der Befristung nicht zu erfüllen hätte.
Weitere Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides liegen jedenfalls darin, daß der Beschwerdeführerin der Nachweis ihrer fachlichen Befähigung durch die Ablegung einer Lenkerprüfung auferlegt wird. Dies ist im Hinblick auf die dafür gegebene Begründung, es sei "im Hinblick auf die Zeit seit der Entziehung der Lenkerberechtigung" erforderlich, gesetzwidrig, weil die Beschwerdeführerin vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ihre Lenkerberechtigung hatte. Wenn sich im Entziehungsverfahren Bedenken gegen die aufrechte fachliche Befähigung ergeben, so hat die Behörde
-
gegebenenfalls durch eine Aufforderung gemäß § 75 Abs. 2 erster Satz KFG 1967 - die Durchführung einer entsprechenden Prüfung zu veranlassen. Das Gesetz enthält aber keine Bestimmung, die die Vorgangsweise der belangten Behörde decken würde. Sollte die belangte Behörde die Regelung des § 67 Abs. 4a KFG 1967 im Auge gehabt haben, so wäre ihr der bereits erwähnte Umstand entgegen zu halten, daß die Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin nicht erloschen ist und sie auch nicht um die Erteilung einer Lenkerberechtigung angesucht hat.
Schließlich ist es rechtswidrig, im Falle der Erteilung einer befristeten Lenkerberechtigung die Belehrung über die Möglichkeit einer Antragstellung auf "Verlängerung" vor Ablauf der Frist in der Form in den Spruch aufzunehmen, wie es im angefochtenen Bescheid geschehen ist. Nach der sprachlichen Fassung dieses Spruchteiles wird der Beschwerdeführerin eine
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vollstreckbare (?) - Handlungsverpflichtung auferlegt. Dazu bietet das Gesetz ebenfalls keine Grundlage.
Der Ausspruch hinsichtlich der Eintragung der Befristung in den Führerschein betrifft lediglich eine Verpflichtung der Behörde. Er hat daher keine Aufnahme in den Spruch zu finden.
Zum Beschwerdevorbringen betreffend im Verwaltungsverfahren unterlaufene Zustellmängel sei lediglich angemerkt, daß der Rechtsanwalt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Zl. 86/11/0030 seine Vollmacht nur gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof ausgewiesen hat. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren Erledigungen an die Beschwerdeführerin selbst gerichtet hat. Sie hätte freilich das Einschreiten des Beschwerdevertreters für die Beschwerdeführerin im Jahre 1987 zum Anlaß nehmen müssen, den Nachweis der Bevollmächtigung auch im Verwaltungsverfahren zu verlangen.
Der angefochtene Bescheid ist schon aus den oben genannten Gründen inhaltlich rechtswidrig. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalsätzen nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist.
Schlagworte
Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Rechtsverletzung sonstige Fälle Umfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte Parteistellung Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992110227.X00Im RIS seit
19.03.2001