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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Stmk 1968 §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde der M in V, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 6. Juni 1990, Zl. 03-12 Ba 106-90/3, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) Firma R AG in K,
2) Mag. S in V und 3) Stadtgemeinde V, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die erstmitbeteiligte Partei ließ während der Zeit vom 17. Oktober bis 19. Oktober 1988 auf den Grundstücken 345/1 und 345/2 der Kastralgemeinde X, Liegenschaft V, Y-Weg, einen Zubau an dem dort bereits befindlichen, 1,5-geschossigen Wohnhauses ausführen.
Nach einer am 3. November 1988 verfügten Baueinstellung wegen ungesetzlicher Bauführung hat die erstmitbeteiligte Partei am 25. November 1988 um Erteilung der Baubewilligung für eine Hauseingangsüberdachung mit Windfang bei der Stadtgemeinde V angesucht.
Die Beschwerdeführerin hatte bei der mündlichen Bauverhandlung am 23. Februar 1989 im wesentlichen vorgebracht, daß bei dem Vorhaben, das als Umbau anzusehen sei, die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände nicht eingehalten würden.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Februar 1989 wurde der erstmitbeteiligten Partei die Baubewilligung für das streitgegenständliche Bauobjekt mit bestimmten Auflagen erteilt, wonach unter anderem die nordwest- und südwestseitige 2 m hohe Stützmauer auf ca. 92 cm abzusenken sei, damit der Vorplatz nicht als gedeckter Vorraum erscheine und daher nicht als Gebäude angesehen werden könne. Es verbliebe daher nur die Vordachkonstruktion, die an den Ecken auf zwei Stützen abgefangen wird. Der verbaute Windfang würde von der Nachbargrundstücksgrenze einen Abstand von 3 m, das (offene) Vordach mit Stützen einen Abstand von 1,10 m aufweisen.
Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 4. Jänner 1990 im wesentlichen mit der Begründung keine Folge, daß der angebaute Windfang als Gebäude die Abstandsvorschrift des § 4 der Stmk. BO von 3 m einhalte. Die Zugangsüberdachung sei nach drei Seiten offen; es seien durch die Errichtung dieser Überdachung für die Beschwerdeführerin auch keinerlei das örtliche Ausmaß übersteigende Belästigungen oder Gefährdungen zu erwarten. Die Zugangsüberdachung als untergeordnetes Bauwerk habe daher mit geringerem Abstand zugelassen werden können.
Die gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Vorstellung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Dazu führte sie aus, daß das Vordach kein Gebäude im Sinne des § 4 Stmk. BO darstelle, weshalb auch keine Abstände entsprechend § 4 Abs. 1 der Stmk. BO einzuhalten seien. Eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte sei mangels Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 bis 3 Stmk. BO demnach nicht gegeben. Einer später gegebenenfalls erfolgenden Verglasung des Vorbaues sei baupolizeilich zu begegnen. Eine durch das genehmigte Bauvorhaben bedingte Entwertung des Nachbargrundstückes der Beschwerdeführerin sei mangels subjektiv öffentlicher Nachbarrechte ebensowenig zu berücksichtigen wie die Frage, ob Niederschlagswässer das Grundstück der Vorstellungswerberin beeinträchtigen könnten, da Folgen außergewöhnlicher Erscheinungen über den Inhalt der auszusprechenden Baubewilligung hinaus, nicht zu berücksichtigen seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 25. September 1990, B 868/90-4, ihre Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Die belangte Behörde erstattete - wie die erstmitbeteiligte
Partei - eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der Stmk. BO 1968, LGBl. Nr. 149 in der noch anzuwendenden Fassung
der Novelle LGBl. Nr. 12/1985, lauten:
"§ 4
Abstände
(1) Gebäude müssen entweder unmittelbar aneinander gebaut werden oder voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinander gebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beidersetigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt. Eine Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrundgrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, als die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt. Bei Gebäuden ohne die übliche Geschoßeinteilung errechnet sich die Geschoßanzahl aus der Gebäudehöhe in Metern, geteilt durch 3.
(2) Die Baubehörde kann bei Gebäuden auf einem und demselben Bauplatz auch geringere Abstände der Gebäude voneinander festsetzten. Bei kleineren, ebenerdigen, unbewohnten Bauten von untergeordneter Bedeutung, wie z.B. bei Geräteschuppen, Kleingaragen, Waschküchen, Holzlagen u. dgl., können geringere Astände von den Nachbargrundgrenzen und Nachbargebäuden festgesetzt werden. Reichen, das sind Gebäudeabstände von weniger als 2 m, sind verboten.
(3) Läßt der Verwendungszweck von Bauten eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Nachbarschaft erwarten, so kann die Baubehörde auch größere Abstände als die im Abs. 1 festgelegten festsetzen."
Wie sich aus dem im Akt befindlichen Bauplan, der Baubeschreibung und der unter Auflagen erteilten Baubewilligung ergibt, wurde der Windfang unter Einhaltung der Abstandvorschriften des § 4 Abs. 1 Stmk. BO errichtet. Hinsichtlich des zugebauten Vordaches wurde die Baubewilligung unter der Maßgabe erteilt, daß nur die Vordachkonstruktion verbleibt, die an den Ecken auf zwei Stützen abgefangen wird. Gegenstand der Baubewilligung im Hinblick auf das Vordach ist daher nur die Vordachkonstruktion als solche, ohne Verglasung und ohne die für eine solche Verglasung notwendigen Metallhalterungen, was die Beschwerdeführerin offenbar übersieht.
Nach der von der Vorstellungsbehörde zutreffend wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1974, Zl. 120/74, Slg. N.F. Nr. 8625/A) umfaßt § 4 Stmk. BO für den Begriff "Bauten" drei Inhalte, und zwar
1)
im weiteren Sinne, das sind alle a) Gebäude und
b) sonstigen baulichen Herstellungen, die dem Begriff "Bau" zu unterstellen sind,
2)
den einen Teil der Bauten im weiteren Sinn, nämlich alle "Gebäude" sowie
3)
den anderen Teil der "Bauten" im weiteren Sinn, nämlich alle baulichen Herstellungen, die keine Gebäude sind.
Nur für "Gebäude" werden in Abs. 1 des § 4 Stmk. BO 1968 konkrete Abstände festgelegt. Ein Gebäude ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein nach den Regeln der Baukunst allseits umschlossener Raum (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1963, Slg. N.F. Nr. 5951/A).
Das genehmigte Bauvorhaben des Vordaches stellt kein "Gebäude" dar, da ein nach den Regeln der Baukunst allseits umschlossener Raum nicht gegeben ist.
Für "Bauten", die keine "Gebäude" sind, enthält § 4 Stmk. BO 1968 keine Vorschriften über Abstände, weshalb solche nicht einzuhalten sind (vgl. dazu das oben genannte hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8625/A, und auch das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1987, Zl. 84/06/0181, BauSlg. Nr. 849).
Eine andere Betrachtungsweise mit der Folge, daß die Abstandsvorschriften des § 4 Abs. 1 Stmk. BO zu beachten wären, ergibt sich auch nicht durch einen "Zubaucharakter" des bewilligten Bauvorhabens. Mangels Raumbildung liegt nämlich auch keine Vergrößerung des bestehenden Wohnhauses in waagrechter Richtung, also ein mit dem bestehenden Wohnhaus eine Einheit bildender Zubau vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1989, Zl. 87/06/0084).
Auch im Hinblick auf § 4 Abs. 3 Stmk. BO vermag das Beschwerdevorbringen nicht zu überzeugen. Wie in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes u.a. im Erkenntnis vom 13. April 1989, Zl. 86/06/0215, dargelegt, bezieht sich die Verweisung lediglich auf das Ausmaß der festzusetzenden Abstände, nicht aber auf die bei Gebäuden einzuhaltende Mindestabstände des § 4 Abs. 1 Stmk. BO. Daß aber der Verwendungszweck des Vordaches eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder gar Gefährdung des Nachbaren erwarten ließe, die eine Festsetzung (größerer) Abstände rechtfertigen würde, kann wohl nicht ernstlich behauptet werden.
Die Vorstellungsbehörde erkannte richtig, daß die Niederschlagswässer nach dem bewilligten Bauvorhaben im Regelfall keine Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes hervorrufen können und etwaige außergewöhnliche Erscheinungen im Bauverfahren nicht zu berücksichtigen sind.
Da die belangte Behörde zu Recht auf das TATSÄCHLICH bewilligte Bauvorhaben (ohne Verglasung und hiefür angebrachte Vorrichtungen) abgestellt, eine Raumbildung verneint und für Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben auf baupolizeiliche Maßnahmen verwiesen hat, war die Beschwerde mangels Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Beschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Gebäude Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1990060202.X00Im RIS seit
11.07.2001