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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des P in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 29. September 1992, Zl. VIIa-410.376, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 10. Oktober 1991 war dem Devolutionsantrag des Beschwerdeführers stattgegeben, in der Sache jedoch der Bauantrag mit der Begründung einer für das betreffende Grundstück bestehenden Bausperre, die die Gemeinde L inzwischen erlassen hatte, abgewiesen worden. Nachdem der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben und darin auch die dem Bescheid zugrundeliegende Bausperrenverordnung der Gemeinde bekämpft hatte, hob die Gemeindevertretung in der Sitzung vom 2. Juli 1992 die Bausperre für den hier relevanten Bereich der Grundparzelle 578/7 der KG L auf. Daraufhin brachte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 10. August 1992 einen Wiederaufnahmeantrag ein, den die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 69 AVG zurückwies. Sie ging davon aus, daß von den darin genannten Tatbeständen lediglich die lit. c in Betracht komme, daß nämlich der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig gewesen sei und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiezu zuständigen Behörde in wesentlichen Punkten anders entschieden worden sei. Die Frage der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung bilde jedoch nach der Rechtsprechung keine Vorfrage. Mit dem Wegfall der Bausperre seien zwar die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Baubewilligung gegeben, es bedürfe jedoch hiezu eines neuerlichen Bauantrages, der bei der Bezirkshauptmannschaft als für die Entscheidung in erster Instanz wiederum zuständigen Baubehörde einzubringen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des Bescheides. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht "auf Fortsetzung, Wiederaufnahme bzw. (Neu-)Durchführung des Verfahrens" verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Es mag sein, daß sich der Beschwerdeführer in seinem Wiederaufnahmeantrag nicht ausdrücklich auf § 69 AVG gestützt hat; der Verwaltungsgerichtshof kann jedoch darin, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von einem Wiederaufnahmeantrag nach § 69 AVG ausgegangen ist, keine Aktenwidrigkeit erkennen. Kennt doch entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz keine andere für eine Partei durchsetzbare Möglichkeit der "Wiederaufnahme" (selbst im weitesten Sinn) als die nach § 69 AVG vorgesehenen Tatbestände. Wenn sich der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer "durchaus darüber im klaren" war, daß es im nunmehrigen Verfahrensstadium "mehrere Antragsmöglichkeiten oder Rechtsbehelfe" gegeben habe, wäre es ihm frei gestanden, sie entsprechend auszuführen und nicht bloß die "Wiederaufnahme" des Verfahrens zu beantragen. Die neuerliche Durchführung eines abgeschlossenen Verfahrens wegen neuer Entscheidungssachverhalte (nova producta) setzt nämlich keine Wiederaufnahme eines Verfahrens voraus. Die belangte Behörde hat völlig zutreffend dargelegt, daß es wegen veränderter Rechtslage eines neuerlichen Bauansuchens (einer Wiederholung des bisherigen) bedürfe, das mangels bestehender Sondervorschriften in erster Instanz einzubringen sei. Dieser zutreffenden Rechtsansicht entgegenzutreten hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht einmal versucht. Inwiefern daher eine "mangelhafte Entscheidungsbegründung" vorliegen sollte, wie der Beschwerdeführer vermeint, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.
Es trifft daher auch nicht zu, daß der angefochtene Bescheid sich "mit keinem Wort mit der Frage befaßt" habe, ob nicht nach Wegfall der Bausperre in der Sache selbst neuerlich zu entscheiden wäre. Vielmehr wurde der Beschwerdeführer ohnehin auf die Antragstellung bei der ersten Instanz verwiesen. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang (nämlich nach Wegfall der Bausperre) auf Verzögerungen verweist, die er zum Anlaß seiner Beschwerdeführung an die "Menschenrechtsinstanz" nehmen werde, muß er darauf verwiesen werden, daß er diese Verzögerungen durch Unterlassung der Einbringung eines entsprechenden Antrages in erster Instanz selbst zu verantworten hat.
Schließlich meint der Beschwerdeführer, daß der Umstand, daß die belangte Behörde "unter Zitierung einer uralten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes" die Ansicht vertreten habe, daß die Frage der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung keine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG darstellen könne, eine "unzulässige Verkürzung der Gesamtproblematik" darstelle. Dabei geht er jedoch offensichtlich am eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des § 38 AVG vorbei. Danach ist nämlich eine Behörde, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu ENTSCHEIDEN wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung (selbst) zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Richtig erkennt nämlich der Beschwerdeführer zwar, daß die Verordnung eine generelle Norm ist, meint jedoch, daß es sich bei der Frage der Gesetzmäßigkeit der Bausperre um eine Frage handle, deren Überprüfung in die Zuständigkeit der Gemeindeaufsichtsbehörde gefallen wäre. Dabei verkennt er jedoch, daß es im vorliegenden Zusammenhang ohne jede Bedeutung ist, ob die belangte Behörde bei Erlassung des Bescheides vom 10. Oktober 1991 BERECHTIGT gewesen wäre, "die Bausperre wegen Gesetzwidrigkeit im Gemeindeaufsichtsweg zu beheben". Tatsächlich wurde die Bausperreverordnung erst mit Beschluß des Gemeinderates vom 2. Juli 1992 aufgehoben; da diese Aufhebung nicht zurückwirkt (daher auch nicht auf den Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 10. Oktober 1991), kann die damit bewirkte Änderung der Rechtslage auch unter Zugrundelegung der - unzutreffenden - Auffassung des Beschwerdeführers, unter keinem Gesichtspunkt die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 10. Oktober 1991 abgeschlossenen Verfahrens rechtfertigen. Die belangte Behörde hat daher selbst unter Zugrundelegung der (abzulehnenden) Rechtsansicht des Beschwerdeführers völlig zu Recht auch das Vorliegen des Wiederaufnahmsgrundes nach § 69 Abs. 1 lit. c AVG verneint.
Da sich bereits aus dem Vorbringen der Beschwerde ergibt, daß Rechte des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992060240.X00Im RIS seit
20.11.2000