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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §39 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des H in B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. Februar 1991, Zl. Ge-44.578/5-1990/P/Kai, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. Februar 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe "als handelsrechtlicher Geschäftsführer der K-Gesellschaft m.b.H. in B, am 25. September 1989 von der A Ges.m.b.H., Werk X, 6074 kg Azetylen-Gasreinigungsmasse und am 10. Oktober 1989 von der A Ges.m.b.H., Werk Y, 3100 kg Azetylen-Gasreinigungsmasse als Sonderabfall entgegengenommen und somit das konzessionierte "Gewerbe" Sonderabfallsammler und -beseitiger ohne die erforderliche Konzession gemäß § 248a GewO 1973 idF der GewO-Novelle 1988 ausgeübt".
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 iVm § 248a GewO 1973 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) verhängt wurde.
Zur Begründung wurde - nach Darstellung des Berufungsvorbringens und des im ergänzenden Ermittlungsverfahren unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens festgestellten Sachverhaltes - im wesentlichen ausgeführt, in rechtlicher Hinsicht sei vorerst davon auszugehen gewesen, daß gemäß Art. IV Punkt 9 des am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, die Bestimmungen über die Konzessionspflicht betreffend das Gewerbe "Sonderabfallsammler und -beseitiger, Altölsammler und -verwerter" gemäß §§ 248a bis 248e GewO 1973 zwar aufgehoben worden seien und somit im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr in Geltung gewesen seien. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes richte sich jedoch die Strafbarkeit einer Tat im Anwendungsbereich des VStG nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht. Der Auffassung des Beschwerdeführers, es könne von einem subjektiv vorwerfbaren schuldhaften Verhalten nicht gesprochen werden, habe die Berufungsbehörde nicht folgen können. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genüge zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimme. Darüber hinaus werde nach diesen Bestimmungen das Verschulden beim Ungehorsamsdelikt gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 widerleglich vermutet. Das vom Beschwerdeführer zum Nachweis der Schuldlosigkeit unterbreitete Tatsachenvorbringen sei aber für einen Entlastungsbeweis nicht ausreichend gewesen. Schon die Tatsache, daß für das Sammeln und Behandeln von Abfällen deren schadlose Beseitigung gemeinsam mit Hausmüll wegen ihrer Beschaffenheit nicht oder erst nach spezieller Aufbereitung möglich sei (Sonderabfälle), durch "spezielle umfassende gesetzliche Materien (Sonderabfallgesetz bzw. Abfallwirtschaftsgesetz)" im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer geregelten Entsorgung dieser Stoffe zahlreichen Beschränkungen, Aufzeichnungspflichten und sonstigen (vorbeugenden) Maßnahmen unterworfen werde, zeige, daß für die Ausübung dieser Tätigkeit ein überaus hoher Sorgfaltsmaßstab anzusetzen sei. So werde auch im Rahmen der für Sonderabfallsammler und -behandler notwendigen Erlaubnis (§ 11 Sonderabfallgesetz bzw. § 15 Abfallwirtschaftsgesetz) ein hoher Grad an Verläßlichkeit gefordert. Verweise nun der Beschwerdeführer auf organisatorische und personelle Verflechtungen beim Arbeitsvorgang der Entgegennahme der gegenständlichen Gasreinigungsmassen, so könne ihn diese Tatsache von der Einhaltung dieses Sorgfaltsmaßstabes, der auch die genaue Einhaltung der rechtlichen Vorschriften, die beim Tätigwerden als Sonderabfallsammler und -behandler zu beachten seien, umfasse, nicht befreien. Auf Grund des Bescheides vom 8. Jänner 1986, mit dem der K-Gesellschaft m.b.H. eine Erlaubnis gemäß § 11 Sonderabfallgesetz zur Ausübung der Tätigkeit eines Sonderabfallsammlers eingeräumt worden sei, sei in Spruchpunkt I lit. c die Auflage normiert worden, daß zum Nachweis der Mitwirkung der fachlich befähigten Person bei der Sammlung von Sonderabfällen diese den auszustellenden Begleitschein mit zu unterzeichnen habe. Diese vorgeschriebene Vorgangsweise sei bei der Ausstellung der beiden gegenständlichen Begleitscheine nicht eingehalten worden. Dies bekräftige den Vorwurf, daß es der Beschwerdeführer bei der Entgegennahme der Sonderabfälle "am 25.9.1990 und am 10.10.1990" (gemeint wohl: 25. September 1989 und am 10. Oktober 1989) an der gebotenen Sorgfalt habe fehlen lassen, sodaß sein Verhalten zumindest als fahrlässig und damit als schuldhaft zu qualifizieren gewesen sei. Zum Strafausmaß sei zu bemerken, daß dieses bei einem Strafrahmen von bis zu S 50.000,-- im untersten Bereich gelegen sei.
Erschwerungsgründe seien keine zu berücksichtigen gewesen. Zu berücksichtigen sei gewesen, daß es nur zweimal zu unbefugten Entgegennahmen von Sonderabfällen gekommen sei, die Tat sonst keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen habe, sowie die ordnungsgemäße Führung der Begleitscheine. Auch aus general- und spezialpräventiven Erwägungen entspreche das Strafausmaß dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat. Sie sei dem Beschwerdeführer auch wirtschaftlich zumutbar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (zusammengefaßt) im wesentlichen vor, die belangte Behörde hätte das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung nicht als erwiesen annehmen dürfen. Schon in seiner Rechtfertigung habe er vorgebracht, daß er die Azetylen-Gasreinigungsmasse lediglich versehentlich nach Ablauf der gesetzlichen Übergangsfrist übernommen habe; die vorgeschriebenen Begleitscheine seien ordnungsgemäß an die Unterabteilung Abfall-Wirtschaft des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung übersandt worden. Im übrigen sei nicht nachgewiesen, daß es sich bei der Azetylen-Gasreinigungsmasse tatsächlich um Sonderabfall handle; die bloße Behauptung stelle keinen hinreichenden Beweis dafür dar. Die belangte Behörde sei im übrigen selber nicht davon ausgegangen, daß es sich bei der übernommenen Azetylen-Gasreinigungsmasse um Sonderabfall handle, jedenfalls habe sie selbst keinerlei Feststellungen dahin gehend getroffen, daß die K-Gesellschaft m.b.H. tatsächlich Sonderabfall übernommen habe und somit unbefugt das "Gewerbe" des Sonderabfallsammlers bzw. -beseitigers ausgeübt habe. Die Aussage des verantwortlichen Betriebsleiters der "Firma A in N" sei hiefür nicht beweiskräftig.
Auch liege kein ausreichendes Verschulden vor, weil die Entgegennahme auf Grund der engen persönlichen und organisatorischen Verflechtung der K-Gesellschaft m.b.H. mit der "Firma Z", welche die Azetylen-Gasreinigungsmasse weiterverarbeite, lediglich versehentlich erfolgt sei. Auch die Meinung der belangten Behörde, das fahrlässige Verhalten des Beschwerdeführers werde auch dadurch bekräftigt, daß er die im seinerzeitigen Bewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht erfüllt habe, sei verfehlt, weil es im vorliegenden Fall nicht um diese Frage gehe.
Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe § 19 VStG unrichtig angewendet; sie habe "zwar Erhebungen über allfällige Einkommens- und Vermögensverhältnisse durchgeführt", habe aber "im Bescheid keinerlei Angaben über die Einkommens- bzw. Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers gemacht", sondern sich lediglich mit der Feststellung begnügt, daß die ausgesprochene Strafe im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens liege und bei der Berücksichtigung der erhobenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse als tat- und schuldangemessen zu bezeichnen sei. Da die belangte Behörde es unterlassen habe, die erhobenen Einkommens- bzw. Vermögensverhältnisse bei der Strafbemessung in ihren Bescheid aufzunehmen, sei dieser mit Rechtswidrigkeit belastet. Da der Beschwerdeführer bisher noch wegen keiner Verwaltungsübertretung bestraft worden sei, sei die verhängte Strafe im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen zu hoch.
Zuletzt rügt der Beschwerdeführer, daß er als handelsrechtlicher Geschäftsführer bestraft worden sei; dies sei unzulässig, da es sich bei den von der belangten Behörde angewandten Bestimmungen um solche der Gewerbeordnung handle. Die belangte Behörde hätte daher richtig den gewerberechtlichen Geschäftsführer bestrafen müssen. Auch sei ohne entsprechende Ermittlungen die Feststellung getroffen worden, der Beschwerdeführer sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der K-Gesellschaft m.b.H.
Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer ein konzessioniertes Gewerbe (§ 5 Z. 2) ohne die erforderliche Konzession ausübt.
Nach § 248a Abs. 1 GewO 1973 - diese Bestimmung ist im vorliegenden Fall als im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (19. Juni 1990) in Geltung stehende Norm anzuwenden (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 89/04/0078), unterlagen der Konzessionspflicht
1.
das Abholen und Entgegennehmen von Sonderabfällen;
2.
das Verwerten, Ablagern und sonstige Behandeln von Sonderabfällen;
3.
das Abholen und Entgegennehmen von Altölen;
4.
das Aufbereiten (Reinigen, Be- und Verarbeiten) von Altölen sowie die Energiegewinnung aus Altölen.
Nach der - im vorliegenden Fall anzuwendenden - Bestimmung des § 376 Z. 34a GewO 1973 bedurften Personen, die zu einer Tätigkeit, die durch § 248a GewO 1973 an eine Konzession gebunden wurde (Sonderabfallsammler und -beseitiger, Altölsammler und -verwerter), am 1. Jänner 1989 berechtigt sind, zur weiteren Ausübung ihrer Tätigkeit einer Konzession gemäß § 248a in einem ihrer bisherigen Tätigkeit sachlich entsprechenden Umfang. ...
Wenn der Beschwerdeführer rügt, der gewerberechtliche Geschäftsführer sei für die Nichteinhaltung einer gewerberechtlichen Norm zu strafen gewesen, ist darauf hinzuweisen, daß nach der Aktenlage (unbestritten) infolge Nichtansuchens um Konzessionserteilung bis 30. Juni 1989 die bis einschließlich 30. Juni 1989 vorhanden gewesene Gewerbeberechtigung wegfiel (§ 376 Z. 34a Abs. 1 und Abs. 2 GewO 1973); im (späteren) Tatzeitpunkt konnte somit ein gewerberechtlicher Geschäftsführer nicht mehr vorhanden gewesen sein. Die in § 9 Abs. 1 und § 370 Abs. 2 GewO 1973 getroffene selbständige - und gegenüber § 9 Abs. 1 VStG subsidiäre-Regelung hinsichtlich der Delegierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der nach außen zur Vertretung berufenen Organe juristischer Personen konnte somit gar nicht zum Tragen kommen. Ein zeichnungsberechtigter (handelsrechtlicher) Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H. ist aber ein gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Gesellschaft und als solches nach der angeführten Gesetzesstelle für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die Gesellschaft strafrechtlich verantwortlich (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1986, Zl. 85/04/0229). Daß aber die belangte Behörde nicht hätte davon ausgehen dürfen, der Beschwerdeführer sei (handelsrechtlicher) Geschäftsführer der in Frage stehenden Gesellschaft, vermag vor dem Hintergrund der Aktenlage die nicht konkretisierte Verfahrensrüge, die Feststellung, der Beschwerdeführer sei (handelsrechtlicher) Geschäftsführer - was in der Berufung ausdrücklich als "richtig" bezeichnet wurde -, sei ohne entsprechende Ermittlungen getroffen worden, nicht aufzuzeigen.
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde hinsichtlich der Erfüllung des objektiven Tatbestandes aber unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften vorbringt, die belangte Behörde habe nur behauptet, es handle sich um Sonderabfall, habe aber keinerlei Feststellungen getroffen, daß die K-Gesellschaft m.b.H. tatsächlich Sonderabfall übernommen habe, ist er im Recht.
Die belangte Behörde begnügte sich im angefochtenen Bescheid nämlich mit dem Hinweis, daß es auf Grund näher bezeichneter Begleitscheine feststehe, die in Frage stehende Gesellschaft habe Azetylen-Gasreinigungsmassen übernommen. Ob es sich dabei um Sonderabfall im Sinne des Gesetzes handelt, blieb unerörtert. Damit aber unterließ es die belangte Behörde, der ihr obliegenden Ermittlungs- und Begründungspflicht im amtswegigen Bereich ausreichend nachzukommen, und es ergibt sich auch kein Anhaltspunkt dafür, daß in diesem Zusammenhang etwa eine Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers anzunehmen gewesen wäre.
Aus dem dargelegten Grund belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufgehoben werden, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Parteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991040113.X00Im RIS seit
11.07.2001