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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AAV §100;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des G in X, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. Dezember 1992, Zl. Ge-50.360/6-1992/Pan/Ws, betreffend Bestrafung wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Hinsichtlich der Vorgeschichte dieses Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0136, verwiesen. Mit diesem war der Bescheid der belangten Behörde vom 4. März 1992 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden, weil die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Fehlen der Mittel- und Fußwehr angelastet und diesen Sachverhalt zur Gänze dem § 46 Abs. 6 AAV subsumiert hatte, obwohl (allein) das Fehlen der Mittelwehr als Verstoß gegen diese Vorschrift zu werten und dem Beschwerdeführer als weitere Verwaltungsübertretung das Fehlen der Fußwehr als Verstoß gegen § 19 Abs. 4 der Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954 (BV), anzulasten gewesen wäre. Die belangte Behörde habe daher - so der Gerichtshof im zitierten Erkenntnis - die Rechtslage verkannt, als sie einerseits teilweise gegen die Vorschrift des § 44a lit. b VStG 1950 verstoßen habe und andererseits den Beschwerdeführer anstelle zweier Verwaltungsübertretungen nur einer solchen für schuldig befunden und hiefür auch nur eine Strafe verhängt habe.
Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Dezember 1992 im Instanzenzug für schuldig befunden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer bestimmten Ges.m.b.H., die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin einer näher angeführten Kommanditgesellschaft sei, als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufenes Organ zu verantworten, daß am 23. Oktober 1990 auf einer näher angeführten Baustelle ein namentlich genannter Arbeiter mit Verputzarbeiten auf einem Metallrohrgerüst beschäftigt gewesen sei, obwohl der Gerüstbelag, auf dem er gestanden sei, sich in einer Höhe von ca. 4 m über dem Erdboden befunden habe und am Gerüst a) die Mittelwehr und b) die Fußwehr gefehlt habe, obwohl Gerüstbeläge, von denen Arbeitnehmer mehr als 2 m abstürzen könnten, mit Brust-, Mittel- und Fußwehr gesichert sein müßten. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen, und zwar zu a) nach § 46 Abs. 6 AAV und b) nach § 19 Abs. 4 BV in Verbindung mit § 33 Abs. 1 lit. a Z. 12 und Abs. 7 Arbeitnehmerschutzgesetz begangen. Es wurden zwei Geldstrafen in der Höhe von je S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je zwei Tage) verhängt. Weiters wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG 1950 Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Gemäß § 19 Abs. 4 erster Satz BV sind Gerüstlagen in Höhen von mehr als 2 m über dem Erd- oder Geschoßboden dort, wo Absturzgefahr besteht, mit Brustwehren und, mit Ausnahme der einfach gestellten Leitergerüste, mit Fußwehren zu versehen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem Spruch des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 durch den Hinweis auf Gerüstbeläge, von denen Arbeitnehmer "mehr als 2 m abstürzen können" hinreichend die bestandene "Absturzgefahr" zum Ausdruck gebracht.
Auch der vom Beschwerdeführer behauptete Verstoß gegen § 44a lit. b VStG 1950 liegt nicht vor: Der Beschwerdeführer erkennt zunächst offenbar selbst, daß sich aus der Formulierung des angefochtenen Bescheides unschwer entnehmen läßt, daß dem Beschwerdeführer durch die insoweit aufrechterhaltene Zitierung zu a) ein Verstoß gegen § 46 Abs. 6 AAV vorgeworfen werden sollte. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bedurfte es aber weder der zusätzlichen Zitierung des § 100 AAV (wonach Übertretungen dieser Verordnung nach Maßgabe des § 31 Arbeitnehmerschutzgesetz zu ahnden sind) noch des § 94 AAV (welcher die besonderen Pflichten der Arbeitgeber regelt), fehlt doch für die Notwendigkeit der (zusätzlichen) Zitierung dieser Vorschriften jede Rechtsgrundlage (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 2. August 1991, Zl. 91/19/0156). Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer vermißte Zitierung des § 3 BV (der die "Aufsicht" bei Bauarbeiten regelt) bezüglich der ihm zu b) vorgeworfenen Verwaltungsübertretung.
Auch die subjektive Tatseite wurde von der belangten Behörde richtig gelöst. Was zunächst die Verwaltungsübertretung nach § 46 Abs. 6 AAV anlangt, so entspricht es der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0019), daß bloß stichprobenartige Überprüfungen der Baustellen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems nicht ausreichen. Dies selbst dann, wenn - so die Behauptung des Beschwerdeführers - es sich bei den Arbeitnehmern um "langjährige, zuverlässige" Mitarbeiter handelt. Ob und nach welchen Vorschriften auch der Arbeitnehmer der Strafbarkeit unterliegt, war nicht näher zu erörtern, weil es darauf für die Strafbarkeit des Arbeitgebers nicht ankommt. In Hinsicht auf die zu b) angelastete Verwaltungsübertretung genügt der Hinweis, daß der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet, eine geeignete Aufsichtsperson im Sinne des § 3 Abs. 1 BV zur Kontrolle der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen auf der Baustelle "bestellt" zu haben, sodaß sein Vorbringen von vornherein zur Glaubhaftmachung des mangelnden Verschuldens nicht geeignet ist (vgl. das denselben Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0135). Ob der vom Beschwerdeführer angeführte Arbeitnehmer F. auf Grund seiner langjährigen Erfahrung als Aufsichtsperson im Sinne des § 3 Abs. 1 BV "gilt", ist rechtlich unerheblich. Im Hinblick darauf bedurfte es in Ansehung der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nicht der zeugenschaftlichen Einvernahme des erwähnten Arbeitnehmers. Die Schuldsprüche sind daher frei von Rechtsirrtum.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde hätte vor Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides Feststellungen in Hinsicht auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse treffen müssen, weil sich seit Erlassung des im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheides vom 4. März 1992 "viel ändern kann", so vermag er damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht darzutun, weil er selbst nicht behauptet, daß sich diese Verhältnisse zu seinen Ungunsten verändert hätten.
Aber auch die Vorschreibung von Kosten des Berufungsverfahrens ist nicht als rechtswidrig zu erkennen:
Gemäß § 65 VStG 1950 sind die Kosten des Berufungsverfahrens dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben oder die Strafe gemäß § 51 Abs. 4 abgeändert worden ist. Es entspricht der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 27. März 1956, Slg. Nr. 4028/A), daß die Bestimmung des § 65 VStG 1950 nur dann Platz greift, wenn von der Berufungsbehörde eine Änderung des erstinstanzlichen Strafbescheides "zugunsten" des Bestraften vorgenommen worden ist, also entweder die Strafe herabgesetzt (in eine mildere umgewandelt) oder ganz nachgesehen oder wenigstens der von der Strafbehörde erster Instanz angenommene strafbare Tatbestand eingeschränkt worden ist. Nach dieser Rechtsprechung - von der abzugehen kein Anlaß besteht - wird sohin unter dem Begriff "Folge gegeben" nicht jede Änderung des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses durch den Berufungsbescheid verstanden.
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180028.X00Im RIS seit
01.06.2001