Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ArbIG 1974 §2 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des H in Deutschland, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 23. März 1992, Zl. 5-212 Ha 34/8-91, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Strafausspruches und des Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft
Bruck a.d. Mur vom 4. Jänner 1991 war der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, "als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B GmbH mit Standort N und Arbeitgeber der in der beiliegenden Aufstellung angeführten Arbeitnehmer dafür verantwortlich (zu sein), daß, wie bei einer am 12. Dezember 1989 auf dem genannten Standort durchgeführten Arbeitszeiterhebung durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Leoben festgestellt wurde: 1) in 26 Fällen die täglich erlaubte Arbeitszeit von 10 Stunden, 2) in 13 Fällen die wöchentlich erlaubte Arbeitszeit von 50 Stunden überschritten wurde, 3) in 4 Fällen laut beiliegender Aufstellung die Wochenendruhe nicht eingehalten wurde".
Der Beschwerdeführer habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1) bis 26) § 9 erster Halbsatz des Arbeitszeitgesetzes, 27) bis 39) § 9 zweiter Halbsatz des Arbeitszeitgesetzes, 40) bis
43) § 3 Abs. 1 des Arbeitsruhegesetzes.
Über den Beschwerdeführer waren deshalb zu 1) bis 43) Geldstrafen in der Höhe von je S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je einer Woche) verhängt worden (zu 1) bis 39) gemäß § 28 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes; zu 40) bis 43) gemäß § 27 Abs. 1 des Arbeitsruhegesetzes).
2. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers vom 28. Jänner 1991 gab der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 23. März 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG teilweise Folge und änderte das Straferkenntnis dahingehend ab, daß die zu 1) bis 39) verhängten Geldstrafen neu mit je S 2.000,-- bemessen wurden; im übrigen wurde das Straferkenntnis "mit der Ergänzung bestätigt, daß der Berufungswerber gegenüber den auf der dem angefochtenen Straferkenntnis beiliegenden Aufstellung angeführten Arbeitnehmern zu den dort angeführten Zeiten die zu Punkt 1) bis 3) des Straferkenntnisses näher beschriebenen Übertretungen begangen hat".
3. Gegen diesen Bescheid, soweit der Berufung nicht Folge gegeben wurde, richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Ausgehend von der Annahme, daß sich aufgrund der Verweisung in Punkt 3) des Spruches des Straferkenntnisses auf die beiliegende Aufstellung, datiert mit November 1989, die ihm zur Last gelegten Übertretungen "auf den November 1989 beziehen sollten", vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, daß diese bereits verjährt seien, da die Behörde mit dem Ladungsbescheid vom 5. Juni 1990 erstmals gegen ihn eine nach außen in Erscheinung getretene Verfolgungshandlung gesetzt habe.
1.2. Dieser Vorwurf steht mit der Aktenlage nicht in Einklang, da dieser zufolge die erste von der Behörde dem Beschwerdeführer gegenüber gesetzte, nach außen in Erscheinung getretene Verfolgungshandlung der Beschuldigten-Ladungsbescheid vom 22. März 1990 (abgefertigt am 29. März 1990) ist. Daß dieser Ladungsbescheid den Beschwerdeführer allenfalls nicht erreichte, hinderte die die Verfolgungsverjährung ausschließende Wirkung dieses Behördenaktes nicht (vgl. dazu die bei RINGHOFER, Verwaltungsverfahrensgesetze II, S. 307 f unter E 64., 68., 71. und 73. angeführte hg. Rechtsprechung).
2.1. Nach Meinung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem bekämpften Bescheid sowohl gegen § 44a Z. 1 VStG als auch gegen § 59 Abs. 1 AVG verstoßen. Die Erstbehörde habe im Spruch des Straferkenntnisses jene Arbeitnehmer, hinsichtlich deren die zitierten Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes nicht eingehalten worden seien, nicht aufgelistet; sie habe es unterlassen, im Spruch jene Zeiträume darzustellen, innerhalb welcher die Übertretungen erfolgt seien. Die Umschreibung der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen sei im Bescheidspruch nicht in einer der Vollziehung zugänglichen Weise enthalten, zumal der Verweis auf eine "beiliegende Aufstellung" gesetzwidrig sei (Hinweis auf das zu einer "analogen Rechtsfrage" ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 1984, Slg. Nr. 111313/A). Im übrigen sei nur in vier Fällen, in denen die Wochenendruhe nicht eingehalten worden sei, auf die "beiliegende Aufstellung", in der aber 30 Arbeitnehmer aufgezählt seien, verwiesen worden. Die von § 59 Abs. 1 AVG geforderte Deutlichkeit i.S. von Bestimmtheit (nicht bloß Bestimmbarkeit) sei hiemit nicht gegeben.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Der Schuldspruch des Straferkenntnisses in der Fassung des bekämpften Bescheides läßt im Wege der Verweisung auf die "beiliegende Aufstellung" und die hinsichtlich der dort genannten Arbeitnehmer zu den dort im einzelnen angeführten Zeiten begangenen in den Punkten 1) bis 3) des Spruches des Straferkenntnisses näher umschriebenen Übertretungen mit hinlänglicher Deutlichkeit erkennen, welche konkreten Taten dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden sind; dies mit der Folge, daß der Beschwerdeführer weder in seinen Rechtsverfolgungsmöglichkeiten beschnitten ist noch für ihn die Gefahr besteht, wegen derselben Verhalten nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11894/A).
Was die von der Behörde gewählte Technik der Verweisung auf eine "beiliegende Aufstellung" anlangt, so sei dazu, daß diese Vorgangsweise jedenfalls im Beschwerdefall keinen rechtlichen Bedenken begegnet, zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die sich auf einen im wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalt beziehenden Ausführungen unter II.2.2. des am heutigen Tag beschlossenen (denselben Beschwerdeführer betreffenden) Erkenntnisses Zl. 92/18/0157 verwiesen (§ 43 Abs. 2 VwGG).
3.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, daß die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer nicht 43, sondern lediglich drei Übertretungen zur Last gelegt habe. Die durch den angefochtenen Bescheid vorgenommene Ergänzung des Spruches des Straferkenntnisses z.B. zu dessen Punkt 1), daß der Beschwerdeführer in 26 Fällen die täglich erlaubte Arbeitszeit von zehn Stunden überschritten habe, zu dem nunmehrigen Ausspruch der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die in Punkt 1) näher beschriebenen Übertretungen begangen, stelle einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius dar. Es könne daher der belangten Behörde nicht gefolgt werden, wenn sie zu den unter 1) bis 39) angeführten Übertretungen Geldstrafen verhänge; es seien nämlich nirgendwo unter Punkt 1) bis 39) Übertretungen angeführt. Aus den dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen sei nicht die Rechtsfolge von 43 Strafen zu ziehen. Es seien daher über den Beschwerdeführer gemäß § 44a Z. 3 VStG Strafen verhängt worden, ohne daß gemäß § 44a Z. 1 leg. cit. entsprechende Taten zugrunde zu legen seien.
3.2. Im Gegensatz zum Beschwerdeführer hegt der Gerichtshof keinen Zweifel daran, daß die Erstbehörde mit ihrem Straferkenntnis insgesamt 43 Übertretungen des Beschwerdeführers als erwiesen angenommen hat. Die Formulierung, der Beschwerdeführer sei verantwortlich dafür, daß in "26 Fällen" die erlaubte Arbeitszeit von zehn Stunden überschritten und damit "1) bis 26)" der § 9 erster Halbsatz des Arbeitszeitgesetzes verletzt worden sei, in "13 Fällen" die wöchentlich erlaubte Arbeitszeit von 50 Stunden überschritten und damit "27) bis 39)" der § 9 zweiter Halbsatz des Arbeitszeitgesetzes verletzt worden sei, und in "4 Fällen" die Wochenendruhe nicht eingehalten und damit "40) bis 43)" der § 3 Abs. 1 des Arbeitsruhegesetzes verletzt worden sei, weshalb "1) bis 43)" jeweils Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) in bestimmter Höhe (Dauer) verhängt worden seien, bringt dies in aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Die im Kostenausspruch des angefochtenen Bescheides enthaltene Wendung "hinsichtlich der unter 1) bis 39) angeführten Übertretungen" steht demnach mit dem Spruch des Straferkenntnisses voll in Einklang. Dazu steht die gleichfalls im Spruch des bekämpften Bescheides gebrauchte Wortfolge "zu Punkt 1) bis 3) des Straferkenntnisses näher beschriebenen Übertretungen" nicht in Widerspruch, wird doch damit auf die in diesen drei Punkten nach der jeweils übertretenen Norm (§ 44a Z. 2 VStG) zusammengefaßten Übertretungen (ihrer Zahl nach: 26, 13, 4) Bezug genommen.
Es liegt somit weder ein Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius vor noch eine Inkongruenz zwischen der Zahl der angelasteten Übertretungen und der Zahl der verhängten Strafen.
4.1. Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe "als unzuständige Behörde" zu der ihm von der Erstbehörde "spruchgemäß zur Last gelegten Übertretung - nach eingetretener Verfolgungsverjährung - Ergänzungen" vorgenommen.
4.2. Abgesehen davon, daß Verfolgungsverjährung nicht eingetreten ist (vgl. oben II.1.2.), versagt der Beschwerdeeinwand deshalb, weil die von der belangten Behörde vorgenommene "Ergänzung" des Spruches des Straferkenntnisses lediglich eine Präzisierung darstellt, die als solche über den Inhalt des erstinstanzlichen Schuldspruches nicht hinausgeht.
5.1. Die Beschwerde hält das Verfahren für mangelhaft, weil sich die belangte Behörde nur auf die Anzeige des Arbeitsinspektorates gestützt habe, hinsichtlich deren Feststellungen sie keine Zweifel habe. Die "Feststellungen" des Arbeitsinspektorates in der Anzeige seien allerdings keine Darstellung des Sachverhaltes, sondern eine rechtliche Beurteilung, die nicht dem Arbeitsinspektorat obliege. Die Verpflichtung zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes treffe die erkennende Behörde. Dazu habe der Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, daß für mehrere Arbeitnehmer Rufbereitschaft bestanden habe, die Einvernahme der betroffenen Arbeitnehmer beantragt; des weiteren habe er die Beiziehung der gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitgeber begehrt. Beiden Beweisanträgen habe die belangte Behörde nicht entsprochen. Schließlich habe sie dem Beschwerdeführer gegenüber das Parteiengehör nicht gewahrt, da sie ihm hinsichtlich der Schichtbücher der Arbeitnehmer - die darin enthaltenen Arbeitszeitangaben seien im angefochtenen Bescheid als richtig gewertet worden - keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt habe.
5.2. Zunächst ist die Ansicht des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe in der Anzeige des Arbeitsinspektorates enthaltene rechtliche Beurteilungen als Feststellungen übernommen, verfehlt. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (Seite 5) ausgeführt, sie habe an der Richtigkeit der vom Arbeitsinspektorat in der Anzeige getroffenen Feststellungen keine Zweifel, so hat sie damit auf die anhand der "Schichtbücher" festgestellten und in der dieser Anzeige (vom 20. Dezember 1989) beigeschlossenen Aufstellung detailliert festgehaltenen Überschreitungen der täglich und wöchentlich zulässigen Arbeitszeit sowie Nichteinhaltung der Wochenendruhe Bezug genommen und diese von ihr als unbedenklich erachteten Feststellungen zu ihren eigenen gemacht. Gegen diese Vorgangsweise bestehen solange keine Bedenken, als dem nicht konkretes, widersprechendes Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers entgegengehalten wurde. Letzteres war indes nicht der Fall.
Die zur Feststellung des "wahren Sachverhaltes" unter Hinweis auf § 2 Abs. 5 ArbIG 1974 beantragte Beiziehung der gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitgeber wäre nicht geeignet gewesen, Aufschluß über die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit der besagten Tatsachenfeststellungen zu geben. Schon aus diesem Grund kann der belangten Behörde in dieser Hinsicht nicht mit Erfolg ein Versäumnis vorgeworfen werden. Im übrigen irrt die Beschwerde, wenn sie aus § 2 Abs. 5 ArbIG 1974 eine Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde abzuleiten können glaubt.
Auch der im Verfahren erhobene Einwand des Beschwerdeführers, daß für "mehrere" der im Straferkenntnis angeführten Arbeitnehmer eine Rufbereitschaft, die nicht zur Arbeitszeit zähle, bestanden habe, verbunden mit dem Antrag, "alle" im Straferkenntnis genannten Arbeitnehmer zu laden und darüber zu befragen, "ob die Arbeitszeiten wirklich überschritten wurden", erweist sich - anders als die Beschwerde meint - nicht als den objektiven Tatbestand in tauglicher Weise bestreitendes Vorbringen. Mit der belangten Behörde ist vielmehr davon auszugehen, daß es der Beschwerdeführer solcherart unterlassen habe, zur angeblichen Rufbereitschaft "konkrete Angaben zu machen, die von der Berufungsbehörde überprüft werden könnten". Um dies der Behörde zu ermöglichen und bei ihr allenfalls die Pflicht zu ergänzenden Ermittlungen auszulösen, war der Beschwerdeführer gehalten - den hinsichtlich aller 43 Tatanlastungen konkreten Feststellungen der belangten Behörde korrespondierend -, in bezug auf alle von ihm angezweifelten, Arbeitszeitüberschreitungen und Nichteinhaltung der Wochenendruhe detailliert ausweisenden Feststellungen ein diese konkret bestreitendes Vorbringen entgegenzusetzen, also nicht - wie geschehen - ganz pauschal in Ansehung "mehrerer" Arbeitnehmer Rufbereitschaft zu behaupten, sondern in jedem einzelnen Fall darzutun, in welchem Ausmaß bei welchem Arbeitnehmer in der festgestellten (das zulässige Ausmaß überschritten habenden) Arbeitszeit Rufbereitschaft enthalten gewesen sei, und diese konkreten Angaben durch entsprechende Beweisanbote zu untermauern. Hiezu sei ergänzend angemerkt, daß im gegebenen Zusammenhang ein Beweisantrag, "alle" im Straferkenntnis genannten Arbeitnehmer zu befragen, "ob die Arbeitszeiten wirklich überschritten wurden" - abgesehen davon, daß nicht verständlich ist, weshalb "alle" befragt werden sollten, wenn nur in bezug auf "mehrere" Rufbereitschaft behauptet wurde -, da auf einen Erkundungsbeweis gerichtet, jedenfalls unzulässig ist.
Was die Rüge anlangt, dem Beschwerdeführer sei keine Gelegenheit eingeräumt worden, zu dem Beweismittel der Schichtbücher der Arbeitnehmer Stellung zu nehmen, so läßt die Beschwerde außer acht, daß dem Beschwerdeführer bzw. dem für ihn aufgetretenen Vertreter von der Erstbehörde wiederholt der Akteninhalt bzw. das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden ist. Da hievon die Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 20. Dezember 1989, in der die dort getroffenen Feststellungen auf die "Durchsicht der Schichtbücher" gestützt worden waren, umfaßt war, hatte der Beschwerdeführer davon Kenntnis, daß diese Aufzeichnungen die Grundlage für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch die belangte Behörde bildeten. Wenn er zu den Eintragungen in den - im Unternehmen aufliegenden - Schichtbüchern dennoch keine Äußerung abgab bzw. deren Richtigkeit bestritt, so kann dies nicht der Behörde angelastet werden.
6.1. Der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde habe sich ohne Begründung über seine Einwendungen, daß die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes bzw. des § 11 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes erfüllt seien, hinweggesetzt.
6.2. Dieser Vorwurf ist nicht gerechtfertigt, denn im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde auf den Seiten 7 und 8 in einer der Begründungspflicht (§§ 58 Abs. 2, 60 AVG iVm § 24 VStG) genügenden Weise dargelegt, weshalb sie vorliegend die zitierten gesetzlichen Ausnahmeregelungen für nicht anwendbar erachte. Sie hat im besonderen auch hier festgehalten, daß der Beschwerdeführer im Verfahren für das Vorliegen von außergewöhnlichen Fällen i.S. dieser Ausnahmeregelungen "nur allgemeine, nicht aber konkrete, überprüfbare Behauptungen" aufgestellt habe.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung die Gründe dargelegt, die zur Abwendung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschadens vom Unternehmen (vgl. § 20 Abs. 1 lit. b des Arbeitszeitgesetzes; § 11 Abs. 1 Z. 2 des Arbeitsruhegesetzes) die Überschreitung der zulässigen Arbeitszeit bzw. die Arbeit während der Wochenendruhe erforderlich gemacht hätten: Das Unternehmen sei im Jahr 1989 gerade erst dabei gewesen, eine existenzbedrohende Situation zu überwinden, weshalb es im Interesse der gesamten Belegschaft, ja der gesamten Bevölkerung des Staates gewesen sei, "daß das Unternehmen alle Aufträge, die zu bekommen waren, best- und schnellstmöglich ausführte". Die Nichtnützung von Gewinnmöglichkeiten wäre eine grobe Vergeudung volkswirtschaftlichen Vermögens gewesen. Dies hätten die Mitarbeiter des Unternehmens erkannt und freiwillig - finanziell abgegoltene - Mehrleistungen erbracht. Dazu sei noch gekommen, daß im November 1989 durch krankheitsbedingte Fehlzeiten die "Belegschaftszahl" um ca. 9 % vermindert gewesen sei. Dies habe eine extreme Ausnahmesituation dargestellt, die nicht vorauszusehen gewesen sei und der auch nicht habe Rechnung getragen werden können. Diese ganz allgemein auf die wirtschaftliche Gesamtsituation des Unternehmens abstellende Argumentation läßt in der Tat in keiner Weise erkennen, welche konkreten Umstände die inkriminierte Mehr- bzw. Sonntagsarbeit notwendig machten. Folglich war es für die Behörde auch unüberprüfbar, ob Umstände vorlagen, die weder regelmäßig auftreten noch vorhersehbar sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0136), und weiters, ob die Mehr- bzw. Sonntagsarbeit die einzige Möglichkeit zur Abwendung eines drohenden unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Schadens war. Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte krankheitsbedingte Ausfall von 9 % der "Belegschaft" im November 1989 ist viel zu unbestimmt, um damit nachvollziehbar darzutun, daß deswegen gerade die in Rede stehende Mehr- bzw. Sonntagsarbeit unvermeidlich wurde. Von da her gesehen kann die Verneinung des Vorliegens der Ausnahmetatbestände des § 20 Abs. 1 lit. b des Arbeitsgesetzes bzw. des § 11 Abs. 1 Z. 2 des Arbeitsruhegesetzes durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden.
7.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie habe zu Unrecht die vom Beschwerdeführer im Verfahren geltend gemachte Notstandssituation (§ 6 VStG) nicht als gegeben angenommen. Diese sei - dem Berufungsvorbringen zufolge - darin zu erblicken gewesen, daß dem Beschwerdeführer vom Eigentümer des Unternehmens, der Republik Österreich, der Auftrag erteilt worden sei, Gewinn zu erzielen. Dies sei aber nur dann möglich, wenn die Personalkosten nach wirtschaftlichen Kriterien kalkuliert würden. Daher sei dem Beschwerdeführer - so die Beschwerde - ein anderes Verhalten im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer, des Unternehmenseigentümers und sämtlicher Steuerzahler nicht zumutbar gewesen.
7.2. Notstand i.S. des § 6 VStG (vgl. auch § 20 Abs. 1 lit. b des Arbeitszeitgesetzes und § 11 Abs. 1 Z. 1 des Arbeitsruhegesetzes) ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls dann zu verneinen, wenn die betreffende strafbare Handlung lediglich dazu dient, die Gefahr einer wirtschaftlichen Schädigung abzuwenden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0084, m.w.N.). Allein eine solche aber hat der Beschwerdeführer im Verfahren vor der Verwaltungsstrafbehörde ins Treffen geführt, weshalb im angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer zutreffenderweise Notstand nicht zugebilligt wurde.
8.1. Der Beschwerdeführer bestreitet, daß ihn an den inkriminierten Übertretungen ein Verschulden treffe (§ 5 VStG).
8.2. Da zum Tatbestand der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei diesen Übertretungen um Ungehorsamsdelikte i.S. des § 5 Abs. 1 VStG. Diese rechtliche Qualifizierung hat zur Folge, daß die Schuld (in Form der Fahrlässigkeit) des Täters bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteils präsumiert wird.
Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet der belangten Behörde darin bei, daß dem Beschwerdeführer eine derartige Glaubhaftmachung nicht gelungen ist, hat er doch keinerlei in diese Richtung zielendes Vorbringen erstattet, insbesondere auch nicht das Existieren eines wirksamen Kontrollsystems zur Gewährleistung der Einhaltung der Arbeitszeit und der Wochenendruhe behauptet.
9.1. Den Strafausspruch erachtet die Beschwerde aus mehreren Gründen für rechtswidrig: Die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die Übertretungen vorsätzlich veranlaßt, sei durch das Ermittlungsverfahren nicht gedeckt und auch nicht entsprechend begründet. Wenn die belangte Behörde die Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes grundsätzlich als schwere Verstöße werte, "so macht sie von ihrer Ermessensentscheidung rechtswidrig Gebrauch, da sie diesen Umstand bei der Strafbemessung neuerlich berücksichtigt". Da der Beschwerdeführer nach dem Tatzeitraum in den Ruhestand getreten sei, hätte sich die belangte Behörde "zur Beurteilung der Spezialprävention mit den gesetzlichen Bestimmungen in der Bundesrepublik Deutschland als Land meines Wohnsitzes auseinandersetzen müssen"; dabei wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, daß der dem Beschwerdeführer angelastete Sachverhalt am Ort seines Wohnsitzes kein strafbares Verhalten darstelle. Die belangte Behörde habe zwar die Geldstrafen herabgesetzt, nicht jedoch auch die Ersatzfreiheitsstrafen; sie habe damit "von der Ermessensentscheidung willkürlich und nicht nachvollziehbar Gebrauch gemacht". Gemäß § 16 Abs. 2 VStG sei eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen nicht zulässig; dies habe auch im Fall der Kumulation nach § 22 VStG zu gelten.
9.2.1. Die belangte Behörde hat zwar ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe die Übertretungen vorsätzlich veranlaßt, nicht begründet. Gleichwohl handelt es sich hiebei um keinen wesentlichen Verfahrensmangel, da diese Beurteilung durch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gedeckt ist; so läßt insbesondere das Vorbringen des Beschwerdeführers selbst, das er im Verfahren zum behaupteten Vorliegen der Ausnahmeregelungen des § 20 Abs. 1 lit. b des Arbeitszeitgesetzes und des § 11 Abs. 1 Z. 2 des Arbeitsruhegesetzes wie auch zum angeblichen Vorliegen einer Notstandssituation erstattet hat, keinen Zweifel darüber aufkommen, daß der Beschwerdeführer mit Vorsatz (zumindest in Form des dolus eventualis) gehandelt hat.
9.2.2. Der Einwand, die belangte Behörde habe ihre Wertung, daß es sich bei den inkriminierten Übertretungen um grundsätzlich schwere Verstöße handle, bei der "Strafbemessung neuerlich berücksichtigt", ist nicht verständlich, da im angefochtenen Bescheid nur einmal, und zwar bei der Strafzumessung - unter dem Gesichtspunkt des objektiven Kriteriums des Unrechtsgehaltes (§ 19 Abs. 1 VStG) - darauf abgestellt wurde, daß es sich bei den inkriminierten Übertretungen "keineswegs um geringfügige Übertretungen (handelt)".
9.2.3. Im Ergebnis zu Recht rügt die Beschwerde allerdings, daß vorliegend bei der Bemessung der Strafe für die Übertretungen des § 3 Abs. 1 des Arbeitsruhegesetzes (Punkte 40) bis 43) des insoweit unverändert aufrechterhaltenen Straferkenntnisses) der Gedanke der Spezialprävention nicht hätte zum Tragen kommen dürfen. (Hinsichtlich der Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes hat die belangte Behörde die Spezialprävention nicht in ihre Erwägungen zur Strafbemessung miteinbezogen.) Maßgebend dafür, daß dieses Strafzumessungskriterium hier nicht herangezogen werden durfte, ist zwar nicht - wie die Beschwerde fälschlich meint -, daß aufgrund des nunmehrigen Wohnsitzes des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland die dort geltenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen hätten angewendet werden müssen, sondern vielmehr die von der belangten Behörde selbst getroffene Feststellung, daß der Beschwerdeführer "inzwischen pensioniert" sei. Dieser Umstand hat zur Folge, daß der Gedanke, der Beschwerdeführer müsse durch Festsetzung eines entsprechenden Strafausmaßes von weiteren gleichartigen Gesetzesverstößen abgehalten werden, hier keinen Platz hat.
9.2.4. Die Ansicht, es sei auch im Fall der Strafbemessung beim Zusammentreffen mehrerer Delikte (§ 22 VStG) die Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen unzulässig, findet im Gesetz keine Deckung. Der Beschwerdeführer wurde schuldig erkannt, 43 selbständige Übertretungen begangen zu haben. Jede von ihnen unterlag einer getrennten Beurteilung und für jede war eine gesonderte Strafe (Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe) zu verhängen. Die Obergrenze für die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe im Grunde des § 16 Abs. 2 zweiter Satz VStG hatte hiebei für jede einzelne als erwiesen angenommene Übertretung Geltung. Abweichendes hätte einer ausdrücklichen Normierung im Gesetz bedurft; dies ist nicht geschehen.
9.2.5. Mit Recht rügt der Beschwerdeführer hingegen, daß die belangte Behörde zwar die Geldstrafen für die 39 Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (jeweils auf die Hälfte) herabgesetzt, die hiefür im Straferkenntnis festgesetzten jeweiligen Ersatzfreiheitsstrafen jedoch unverändert gelassen habe. Die in Rede stehenden Geldstrafen wurden von der belangten Behörde ausdrücklich unter Hinweis auf die gesetzliche Strafdrohung (S 300,-- bis S 6.000,--) "als zu hoch bemessen" angesehen und aus diesem Grund herabgesetzt. Wird aber eine Geldstrafe von der Berufungsbehörde nicht nur aufgrund der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten herabgesetzt, so hat sie auch die Ersatzfreiheitsstrafe herabzusetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 1989, Zl. 87/08/0026). Da die belangte Behörde dies im Beschwerdefall unterließ, belastete sie den Strafausspruch auch in Ansehung der Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes mit Rechtswidrigkeit.
10. Zusammenfassend erweist sich somit der angefochtene Bescheid im Umfang des Strafausspruches und des - eine untrennbare Einheit mit diesem bildenden - Kostenausspruches als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
11. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
12. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Geldstrafe und ArreststrafePersönliche Verhältnisse des BeschuldigtenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitUmfang der Abänderungsbefugnis Reformatio in peiusBeweismittel BeschuldigtenverantwortungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992180168.X00Im RIS seit
23.03.2001Zuletzt aktualisiert am
05.07.2017