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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des H in B, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 9. November 1992, Zl. FrB-4250/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. November 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie Abs. 3 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes (im folgenden: FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.
In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Bregenz vom 12. Juni 1991 wegen Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und mit einer weiteren Strafverfügung desselben Gerichtes vom 16. Juli 1991 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 30. Juni 1992 sei der Beschwerdeführer für schuldig befunden worden, am 29. April 1992 seine Lebensgefährtin dadurch am Körper verletzt zu haben, daß er ihr wiederholt Schläge gegen das Gesicht versetzt und sie am Hals gewürgt habe, was eine Schwellung des Gesichts sowie Abschürfungen am Halse zufolge gehabt habe, wodurch der Beschwerdeführer das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB begangen habe; auch hiefür sei er zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Beschwerdeführer hätte somit binnen eines kurzen Zeitraumes insgesamt dreimal rechtskräftig verurteilt werden müssen. Zwei Verurteilungen lägen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen zugrunde. Diese einschlägigen Delikte richteten sich jeweils gegen die körperliche Unversehrtheit von Mitbürgern. Daß der Beschwerdeführer zu solchen Handlungen neige, sei auch daraus ersichtlich, daß er im Jahre 1983 vom Landesgericht München zu 3 1/2 Jahren Haft wegen versuchten Totschlags verurteilt worden sei. Hiezu habe der Beschwerdeführer angegeben, daß ihm ein Landsmann ein Auto gestohlen habe, weshalb sie in Streit geraten seien. Es sei zwischen ihnen zu einer Schlägerei gekommen. Von der Haftstrafe habe er fast 2 1/2 Jahre verbüßt, die restliche Strafe sei ihm wegen guter Führung erlassen worden. Der Beschwerdeführer sei somit - so die belangte Behörde weiter - von einem Gericht der Bundesrepublik Deutschland einer Straftat schuldig gesprochen worden, die auch nach österreichischem Recht strafbar sei. Da die Prozeßordnung und die Strafrechtsanwendung dieses Staates die selben rechtsstaatlichen Garantien aufweisen würden wie in Österreich, seien die Voraussetzungen des § 73 StGB gegeben. Angesichts der vorliegenden Verurteilungen stelle ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zweifelsohne eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Die einschlägigen Verurteilungen und die daraus ersichtliche Sinnesart des Beschwerdeführers ließen die Annahme eines künftigen Wohlverhaltens als unrealistisch erscheinen. An persönlichen und familiären Verhältnissen sei zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer seit Oktober 1988 im Bundesgebiet aufhältig sei, er habe in Österreich eine Lebensgefährtin und sei Vater eines 10 Monate alten Kindes. Seine Gattin lebe in Deutschland, die Ehe stehe kurz vor der Scheidung. Auf Grund des vierjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie der Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen sei ein gewisser Grad der Integration im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Angesichts der Körperverletzung, begangen an seiner Lebensgefährtin, die schließlich auch zu einer Verurteilung geführt habe, könne diese Bindung "nicht allzu eng" sein. Bei der vom Beschwerdeführer ausgeübten beruflichen Tätigkeit (Kaufmann) handle es sich um keine qualifizierte, sodaß er diese auch im Ausland ausüben könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 sowie des Abs. 3 FPG lauten:
§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.
(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2.
die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
3.
die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, daß die beiden in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnten Verurteilungen des Beschwerdeführers nach § 83 Abs. 1 StGB im Grunde des § 71 StGB als auf der gleichen schädlichen Neigung beruhend zu werten waren. Daß diese Wertung mit einem "Ermessen" nichts zu tun hat, bedarf keiner näheren Erörterung, sodaß auch der vom Beschwerdeführer behauptete Ermessensmißbrauch nicht möglich ist. Schon auf Grund dieser beiden gerichtlichen Verurteilungen war davon auszugehen, daß die Annahme gerechtfertigt ist, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0191).
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß es der belangten Behörde - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - keineswegs verwehrt war, abweichend von der Behörde erster Instanz (welche die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Z. 6 und 7 FPG als gegeben erachtet hat), das vorliegende Aufenthaltsverbot auf § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG zu stützen. "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG war nämlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer. Der Hinweis in der Beschwerde auf das hg. Erkenntnis vom 18. April 1967, Zl. 1713/76, geht - weil einen nicht vergleichbaren Fall betreffend - fehl.
Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde bei der Vornahme der nach § 3 Abs. 3 FPG gebotenen Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt hätte. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers konnte die belangte Behörde auch die erwähnte gerichtliche Verurteilung durch das deutsche Gericht in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Der nicht näher begründeten Ansicht in der Beschwerde, eine ausländische Verurteilung könne entsprechend der Vorschrift des § 3 Abs. 2 Z. 1 zweiter Halbsatz nur dann herangezogen werden, wenn eine Person von einem ausländischen Gericht zu einem Zeitpunkt verurteilt worden sei, als sie ihren Aufenthalt bereits im Inland gehabt habe, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.
Selbst wenn der Beschwerdeführer entsprechend seinem Vorbringen ein "enges" Verhältnis zu seiner Lebensgefährtin pflegen sollte, so fällt dies ebensowenig entscheidend ins Gewicht wie die behauptete Einschränkung der "monetären als auch sonstigen Beweglichkeit" der Lebensgefährtin durch das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot. Weshalb der Beschwerdeführer gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes vorbringt, es sei notorisch, daß Unterhaltstitel in der Türkei gar nicht bzw. nur schwerlich exekutiert werden könnten, ist nicht verständlich, ist der Beschwerdeführer doch nicht gehindert, seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinem Kind freiwillig nachzukommen.
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992180536.X00Im RIS seit
11.07.2001