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60/02 Arbeitnehmerschutz;Norm
AAV §13 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Gritsch, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Juli 1992, Zl. MA 63-G 29/91/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung-AAV, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes 1) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 13. Juli 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Arbeitgeber zu verantworten, daß am 7. Dezember 1989 in dem in der dem Standort nach bezeichneten Betriebsanlage befindlichen Arbeitsraum, nämlich dem Verkaufsraum
"1) die Summe der ins Freie führenden Lichteintrittsflächen nicht mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche betrug, weil bei einer Fußbodenfläche von 30 m2 nur eine Lichteintrittsfläche von 2,535m2 (Glastüre, Oberlichte und teilweise verlagertes Fenster) vorhanden war
und 2) die für die Lüftung verwendete Oberlichte keinen wirksamen Lüftungsquerschnitt von mindestens einem Fünfzigstel der Fußbodenfläche des Raumes aufgewiesen hat, weil bei einer Fußbodenfläche von 30 m2 nur eine Lüftungsöffnung im Ausmaß von 82 x 31 cm (d.h. 0,254 m2) vorhanden war".
Der Beschwerdeführer habe dadurch zu 1) § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes iVm § 8 Abs. 1 AAV, und zu
2) § 31 Abs. 2 lit. p leg. cit. iVm § 13 Abs. 2 AAV verletzt.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen jeweils in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils in der Dauer von drei Tagen) verhängt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen "Rechtswidrigkeit des Inhaltes resp. Verletzung von Verfahrensvorschriften" kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 8 Abs. 1 erster Halbsatz AAV müssen Arbeitsräume, soweit die Art der Arbeitsvorgänge oder die Zweckbestimmung des Raumes dem nicht entgegenstehen, ins Freie führende Lichteintrittsflächen, wie Fenster, Oberlichten oder Lichtkuppeln, besitzen, deren Summe mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche des Raumes betragen muß.
1.2. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß anläßlich einer Erhebung an Ort und Stelle am 22. Mai 1992 festgestellt worden sei, daß im besagten Arbeitsraum Sichtverbindungen ins Freie im Ausmaß von 4,60 m2 vorhanden seien, die jedoch zum Teil durch Dekorationen im Schaufensterbereich verstellt seien. Da die belangte Behörde keine Feststellungen über die Art und das Ausmaß der "Beeinträchtigung" getroffen habe, sei das Verfahren mangelhaft geblieben, mit der Folge, daß eine richtige rechtliche Beurteilung gar nicht möglich gewesen sei.
1.3. Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß der von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Tatzeitpunkt der 7. Dezember 1989 ist. Daher kam für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes und die darauf aufbauende rechtliche Beurteilung, ob der Tatbestand des § 8 Abs. 1 erster Halbsatz AAV verwirklicht sei, dem Umstand, daß einer am 22. Mai 1992 durchgeführten Erhebung in dem in Rede stehenden Arbeitsraum zufolge "Sichtverbindungen mit dem Freien" im Ausmaß von 4,60 m2 "zur Verfügung (stehen) (die jedoch zum Teil durch Dekorationen beeinträchtigt sind)", keine Relevanz zu. Entscheidungswesentlich war vielmehr allein, wie sich der im Hinblick auf § 8 Abs. 1 erster Halbsatz AAV erhebliche Sachverhalt am 7. Dezember 1989 darstellte.
In dieser Hinsicht stützte sich die belangte Behörde auf die Angaben in der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 16. Jänner 1990. Danach seien am 7. Dezember 1989 Belichtungsflächen im Gesamtausmaß von 2,535 m2 (Glastüre:
1,04 m2, Oberlichte: 0,195 m2, "im teilweise verlagerten Fenster": 1,3 m2) zur Verfügung gestanden. Aus dieser Anzeige (iVm der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates vom 8. Mai 1990) ergibt sich, daß (neben Glastüre und Oberlichte) EIN Fenster, soweit es nicht "verlagert", d.h. mit Werbematerial verklebt war, als Lichteintrittsfläche berücksichtigt wurde. Eben dies war auch der Inhalt des Punktes 1) der an den Beschwerdeführer gerichteten Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2. April 1990. Demgegenüber führte der Beschwerdeführer in seiner schriftlichen Rechtfertigung vom 9. Mai 1990 aus, daß sich im gegenständlichen Verkaufslokal "eine Auslage im Ausmaß von 150 x 143 cm und eine zweite Auslage im Ausmaß von 110 x 150 cm (befinden)", wobei sämtliche Flächen "aus Glas" seien. Diese Angaben des Beschwerdeführers finden in einem im Akt befindlichen, der Erstbehörde vom Arbeitsinspektorat übermittelten Grundrißplan (1 : 100) Deckung.
Ungeachtet dieser Diskrepanz würdigte die belangte Behörde die von der Anzeige des Arbeitsinspektorates und der Aufforderung zur Rechtfertigung deutlich abweichenden Angaben des Beschwerdeführers nicht; sie legte ihrer Entscheidung in sachverhaltsmäßiger Hinsicht vielmehr ausschließlich die Anzeige-Angaben zugrunde, ohne darzutun, weshalb sie sich dazu trotz der diese Angaben in einem wesentlichen Punkt bestreitenden Darstellung des Beschwerdeführers in der Lage sah. Dieser Begründungsmangel ist relevant, da keineswegs auszuschließen ist, daß die belangte Behörde, wäre ihr dieses Versäumnis nicht unterlaufen, auch dann zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre, wenn - gegebenenfalls - zwei Schaufenster teilweise durch Werbematerial (Dekorationen) verklebt (verstellt) gewesen sein sollten. (Zur Frage, wann ein Fenster nicht mehr als Lichteintrittsfläche gewertet werden kann, vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 92/18/0427.)
2.1. § 13 Abs. 2 AAV lautet:
"Die natürliche Lüftung von Arbeitsräumen hat nach Möglichkeit durch Fenster zu erfolgen; bei einer Raumtiefe von mehr als 10 m muß eine Querlüftung durch Fenster, Ventilatoren oder sonstige Lüftungsöffnungen, wie Lüftungsschächte oder Lüftungsklappen, möglich sein. Fenster und sonstige Lüftungsöffnungen müssen einen wirksamen Lüftungsquerschnitt von mindestens einem Fünfzigstel der Fußbodenfläche des Raumes aufweisen und sich von einem festen Standplatz aus öffnen oder verstellen lassen; sie müssen so angeordnet sein, daß Arbeitnehmer an Arbeitsplätzen vor schädlicher Zugluft geschützt sind. In eingeschossigen Gebäuden müssen Arbeitsräume mit mehr als 500 m2 Bodenfläche zusätzlich durch Lüftungsaufsätze auf dem Dach lüftbar sein."
2.2. Die Beschwerde hält Spruchpunkt 2) des bekämpften Bescheides für inhaltlich rechtswidrig, weil nach der vorzitierten Rechtsvorschrift die natürliche Lüftung nur "nach Möglichkeit" durch Fenster zu erfolgen habe. Daraus sei zu schließen, daß auch die Möglichkeit bestehe, den Raum "über die Türe zu belüften". Das von der belangten Behörde zur Stützung ihres gegenteiligen Standpunktes zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juni 1989, Zl. 88/08/0275, treffe auf den gegenständlichen Fall nicht zu, da es sich bei der Türe, durch welche die Entlüftung erfolge, um eine solche handle, die direkt ins Freie führe.
2.3. Diese Rüge ist nicht zielführend. Anders als der Beschwerdeführer zu erkennen glaubt, bezieht sich der Hinweis auf das vorzitierte hg. Erkenntnis im angefochtenen Bescheid (Seite 5) nicht bloß auf den unmittelbar vorangehenden Satzteil, sondern auf den gesamten zweiten Absatz dieser Seite des Bescheides. Darin wird die zur hier relevanten Rechtsfrage vertretene Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend wiedergegeben. Dieser Rechtsanschauung zufolge sind Türen nicht als "sonstige Lüftungsöffnungen" bei der Berechnung des wirksamen Lüftungsquerschnittes gemäß § 13 Abs. 2 zweiter Satz AAV zu berücksichtigen. Davon abzugehen, geben die Bechwerdeausführungen keinen Anlaß. Die zu Spruchpunkt 2) des bekämpften Bescheides behauptete Rechtswidrigkeit liegt demnach nicht vor.
3. Nach dem Gesagten war der in Beschwerde gezogene Bescheid im Umfang seines Spruchpunktes 1) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im übrigen, d.h. in Ansehung des Spruchpunktes 2) des angefochtenen Bescheides, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 50 iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Türen - "sonstige Lüftungsöffnungen"European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992180380.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
31.07.2009