TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/11 92/06/0225

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Veröffentlicht am 11.02.1993
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Index

L10017 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Tirol;
L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 1966 §112 Abs5;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des W in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 11. März 1992, Zl. Ve1-550-1870/5, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) H in X,

2) Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen der Beschwerde in Verbindung mit dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Juni 1991 wurde dem Erstmitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung zur Wohnhauserweiterung und zum Garagenanbau auf Bauparzelle nn, KG X, erteilt. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 9. September 1991 als unbegründet ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung betreffend den Wohnhauszubau (Wohnhauserweiterung) als unbegründet ab, hingegen gab sie der Vorstellung betreffend den Garagenneubau Folge, behob den Bescheid des Gemeindevorstandes in diesem Punkt infolge Verletzung von Rechten des Einschreiters und verwies die Angelegenheit insoweit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde. Dabei stellte die belangte Behörde nach Ergänzung der Ermittlungen durch die Gemeindebehörde auf Grund eines neuerlichen Amtssachverständigengutachtens, zu welchem dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt wurde, fest, daß ein kleiner Teil des geplanten Garagenneubaues im Bauland, der Rest im Freiland liege. Die geplanten Um-/Zubauten am Haus lägen hingegen im Bauland und seien somit zulässig. Damit seien die Einwendungen betreffend Widmung hinsichtlich des Um-/Zubaues als unbegründet abzuweisen. Hinsichtlich des Garagenneubaues sei hinzuweisen, daß § 15 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 nur dahin ausgelegt werden könne, daß ein BESTEHENDES GEBÄUDE im Freiland durch Um- bzw. Zubauten, deren Umfang zum ursprünglichen Gebäude gering seien, verändert werden dürfe. Das Wohnhaus des Bauwerbers liege jedoch im Bauland, sodaß die Bestimmung nicht zum Tragen kommen könne. Insoweit sei der Beschwerdeführer in seinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden.

Im übrigen wies die belangte Behörde auf die Beschränkung von Einwendungen des Nachbarn auf subjektiv-öffentliche Einwendungen nach § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung (TBO) hin, weiters darauf, daß durch eine Verletzung der Vorschriften des § 30 Abs. 3 TBO über den Einigungsversuch subjektiv-öffentliche Rechte des Nachbarn nicht verletzt würden. Bei den Einwendungen hinsichtlich der Verletzung des Ausfahrtsrechtes, der Sichtbehinderung an der Kreuzung Gp. nn/1/Gp. nn/2, KG X, und der Herstellung des Wegenetzes als Zufahrt zur Grundparzelle nn/3 handle es sich um privatrechtliche und nicht um subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen, die im Bauverfahren daher nicht mit Erfolg geltend gemacht werden könnten. Hiezu sei auf § 30 Abs. 4 TBO verwiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, wobei er ausdrücklich den Bescheid seinem GESAMTEN INHALT nach bekämpfte. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 5. Oktober 1992, B 601/92, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der aufgetragenen Ergänzung beantragte der Beschwerdeführer (neuerlich), den angefochtenen Bescheid (zur Gänze) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

I. Zum aufhebenden Teil des angefochtenen Bescheides:

Wohl kann eine Partei auch durch einen solchen Bescheid der Vorstellungsbehörde verletzt sein, in welchem nach dem Spruch des Bescheides ihrem Standpunkt Rechnung getragen worden ist, da die Gemeindebehörden im fortgesetzten Verfahren nach § 112 Abs. 5 der Tiroler Gemeindeordnung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden sind. Die die Aufhebung tragende Rechtsansicht der Gemeindeaufsichtsbehörde kann aber nur auf Grund der Begründung des aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheides im Zusammenhang mit dem Spruch dieses Bescheides erkannt werden (vgl. zuletzt das hg. Erkenntis vom 20. Oktober 1988, Zl 88/06/0112, BauSlg. Nr. 1204). Im vorliegenden Fall hat die Gemeindeaufsichtsbehörde die Aufhebung damit begründet, daß die Gemeindebehörden übersehen haben, daß § 15 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 (TROG) für die Zulässigkeit des Garagenneubaues des Erstmitbeteiligten nicht herangezogen werden dürfe. Da dies (auch) dem geltend gemachten Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers entspricht, wurde er dadurch in seinen Rechten nicht verletzt.

II. Zum abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides:

Gegenstand dieses Teiles des angefochtenen Bescheides ist ausschließlich die Frage, ob der vom Erstmitbeteiligten beabsichtigte Zu- und Umbau zu dem bestehenden Gebäude auf Bauparzelle nn, KG X, zulässig ist oder nicht. Die Ausführungen der Beschwerde beschäftigen sich jedoch ausschließlich mit der Vorgeschichte. So bekämpft der Beschwerdeführer, daß der Erstmitbeteiligte die von ihm zu bebauenden Grundflächen durch Tauschvertrag von der mitbeteiligten Gemeinde erworben habe, was erst durch Auflassung eines Teilstücks des Weges den Bereich der Kirchstraße aus den Grundstücken nn/2 und nn/1, KG X, durch Beschluß des Gemeinderates vom 12. November 1987 ermöglicht worden sei. Dazu hat bereits der Verfassungsgerichtshof im Ablehnungsbeschluß vom 5. Oktober 1992 darauf hingewiesen, daß es sich bei diesem Beschluß nicht um eine Verordnung, sondern um einen Akt der Privatwirtschaftsverwaltung, nämlich Veräußerung und Erwerb von Liegenschaften, handle.

Weiters meint der Beschwerdeführer, es sei durch die Veränderung der Straßenverkehrsverbindungen das Tiroler Straßengesetz verletzt worden. Auch im ergänzenden Schriftsatz wird darauf hingewiesen, daß einerseits § 38 Abs. 1 des Tiroler Straßengesetzes, andererseits § 16 TBO über die Erschließungspflicht verletzt worden seien, und zwar durch Auflassung der Teilfläche aus dem öffentlichen Gut und Überlassung im Tauschweg an den Erstmitbeteiligten.

Damit bekämpft der Beschwerdeführer Vorgänge, die zwar in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der zu beurteilenden Baumaßnahme stehen, jedoch nicht Gegenstand der ausschließlich zu beurteilenden Rechtmäßigkeit der Baubewilligung sind. Schon deshalb gehen alle diesbezüglichen Ausführungen - sowohl in der Beschwerde als auch im Ergänzungsschriftsatz - ins Leere. Soweit jedoch die Ausführungen auch dahin verstanden werden können, daß durch den bewilligten Bau die Sicht bei Benützung der bestehenden Wegverbindung verschlechtert wird, übersieht der Beschwerdeführer, daß er damit kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im Sinn des § 30 Abs. 4 TBO, LGBl. Nr. 33/1989, geltend macht. Seit dem Erkenntnis des verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, ist die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde der Gemeindeaufsichtsbehörde und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Fall des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf den Nachbarn nach § 30 TBO zutrifft, auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich deren dieses Mitspracherecht als ein subjektiv-öffentliches Recht besteht. Daß dieses subjektiv-öffentliche Recht nicht Fragen des Grunderwerbs des Bauwerbers betreffen kann, liegt auf der Hand. Aber auch eine allfällige Einschränkung der Sicht auf einen Zufahrtsweg kann nicht unter die in § 30 Abs. 4 TBO wenn auch nur demonstrativ aufgezählten Vorschriften subsumiert werden, die subjektiv-öffentliche Einwendungen des Nachbarn begründen. Dabei handelt es sich nämlich um Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere die §§ 12 bis 16b TROG, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz. Unter keine dieser Bestimmungen können die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ansprüche auch nur annähernd eingeordnet werden.

Da sich sohin bereits aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, daß die belangte Behörde mit ihrem Bescheid baurechtlich geschützte Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt hat, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992060225.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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