TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/17 92/01/0549

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Veröffentlicht am 17.02.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/01/0550

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerden 1. der FL und 2. des PL, beide in T, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 6. November 1991, Zl. 4.305.189/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar albanischer Staatsangehörigkeit, reisten (mit ihren vier minderjährigen Kindern) am 5. November 1990 in das Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag einen Asylantrag.

Die Erstbeschwerdeführerin gab bei der niederschriftlichen Befragung an, sie habe ihre Heimat aus politischen Gründen verlassen. Sie wolle, daß ihre Kinder in einem freien Land aufwüchsen und nicht unter einem stalinistischen Regime. Ihr Ehemann habe an Demonstrationen teilgenommen, sei von der Polizei festgenommen und drei Tage lang festgehalten worden. Bei diesen Demonstrationen habe es Tote und Verletzte gegeben.

Der Zweitbeschwerdeführer gab an, er habe seine Heimat aus politischen Gründen verlassen. Das stalinistische Regime in Albanien habe ihm nicht gefallen. Man könne seine freie Meinung nicht äußern. Am 2. Juli 1990 habe er an einer Demonstration in Tirana teilgenommen. Es habe sich um eine Demonstration für Demokratie und Menschenrechte in Albanien mit ca. 5000 Teilnehmern gehandelt. Die Polizei habe Tränengas und Schußwaffen eingesetzt; es habe Verletzte und Tote gegeben. Er sei (mit anderen Demonstranten) festgenommen, drei Tage lang festgehalten und geprügelt worden; er habe keine erkennbaren Verletzungen davongetragen. Es sei kein Verfahren eingeleitet worden.

Mit Bescheiden vom 3. Jänner 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß die Beschwerdeführer nicht Flüchtlinge im Sinne des Asylgesetzes seien.

In ihren gegen diesen Bescheid erhobenen Berufungen brachten die Beschwerdeführer übereinstimmend vor, die kommunistische Partei und ihre Mitglieder kommandierten das ganze Leben in Albanien in den letzten fünfzig Jahren ohne Neuerung. Das albanische Volk habe keine demokratische Zukunft. Der albanische Staat sei kein Staat mit Rechten und Gesetzen. Er sei der einzige Staat, der die Helsinki-Urkunde nicht unterschrieben habe. Die Beschwerdeführer hätten keine Zukunft in Albanien und keine Sicherheit für ihr Leben.

Die Erstbeschwerdeführerin brachte darüber hinaus vor, ihre Familie sei antikommunistisch. Vor 1948 sei ein Onkel nach Jugoslawien emigriert; seither habe sie keinen Frieden mehr gehabt.

Der Zweitbeschwerdeführer brachte weiters vor, am 1. Oktober 1986 sei "seiner Tochter Sohn" im Alter von 28 Jahren emigriert. Damit seien für die ganze Familie viele Probleme gekommen. Sie seien wochenlang gefangen gewesen und geschlagen worden. Am 2. Juli habe er mit vielen Leuten demonstriert. Man habe ihn festgenommen; von dieser Zeit an sei sein Leben in Albanien unmöglich gewesen.

Mit Bescheiden vom 6. November 1991 wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Jeweils nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte sie betreffend die Erstbeschwerdeführerin aus, es scheine nicht glaubwürdig, daß diese gravierenden Eingriffen in ihre Grundrechte ausgesetzt gewesen sei. Sie habe konkret gegen ihre Person gerichtete Verfolgungshandlungen nicht behauptet. Subjektiv empfundene Furcht sei nicht als Fluchtgrund im Sinne der Konvention anzusehen.

Den Zweitbeschwerdeführer betreffend führte die belangte Behörde aus, seine Berufungsangaben erschienen nicht glaubwürdig; wenn er tatsächlich vor seiner Ausreise irgendeiner Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre, hätte er dies bereits bei seiner erstinstanzlichen Befragung vorgebracht. Mit Beschränkungen des Versammlungsrechtes oder der Abhaltung von Demonstrationen im Zusammenhang stehende polizeiliche Maßnahmen, wie die Festnahme und Anhaltung von Teilnehmern an verbotenen Demonstrationen, stellten keine Verfolgungshandlung im Sinne der Konvention dar. Es bestehe auch kein unmittelbarer zeitlicher Konnex zu den vom Zweitbeschwerdeführer geschilderten Vorkommnissen und seiner Ausreise. Es wäre ihm möglich gewesen, bereits in Jugoslawien Asyl zu beantragen; da er dies nicht getan habe, scheine es nicht glaubwürdig, daß er gravierenden Eingriffen in seine Grundrechte ausgesetzt gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat das Verfahren über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und über die Beschwerden erwogen:

Die Erstbeschwerdeführerin hat ihre Flucht im Verwaltungsverfahren erster Instanz damit begründet, sie wolle, daß ihre Kinder in einem freien Land aufwüchsen und nicht unter einem kommunistischen Regime. Ihr Gatte habe an Demonstrationen teilgenommen, bei denen es Tote und Verletzte gegeben habe. Er sei von der Miliz drei Tage lang festgehalten worden.

Damit hat die Erstbeschwerdeführerin keinen asylrechtlich relevanten Sachverhalt vorgetragen; denn weder die im Heimatland des Asylwerbers herrschenden allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse noch Nachteile, die nicht den Asylwerber selbst, sondern dessen Angehörige betreffen, stellen zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Konventionsgründen geeignete Umstände dar (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht S. 28 zitierte Rechtsprechung). Ebensowenig lassen sich dem Berufungsvorbringen der Erstbeschwerdeführerin konkrete, im zeitlichen Konnex zur Ausreise stehende, individuell gegen sie gerichtete und die Intensität einer Verfolgung im Sinne der asylrechtlichen Vorschriften erreichende Maßnahmen entnehmen, die mit Konventionsgründen im Zusammenhang gestanden wären. Selbst bei Zugrundelegung des von der Erstbeschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren behaupteten Sachverhaltes hätte somit ihr Asylantrag nicht erfolgreich sein können.

Die Rechtsrüge der Beschwerde beschränkt sich im wesentlichen auf die nicht näher ausgeführte Behauptung, die Erstbeschwerdeführerin habe (zeitnahe) konkrete Verfolgungshandlungen behauptet und somit wohlbegründete Furcht dargetan; damit wird keine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Auch die geltend gemachten Feststellungsmängel können der Beschwerde mangels Relevanz ebensowenig zum Erfolg verhelfen, wie die behaupteten Mängel der Beweiswürdigung, weil das Begehren der Erstbeschwerdeführerin auch unter Zugrundelegung des von ihr im Verwaltungsverfahren behaupteten Sachverhaltes nicht hätte erfolgreich sein können.

Als weitere Verfahrensmängel macht die Beschwerde Verstöße der belangten Behörde gegen deren Verpflichtungen, die Erstbeschwerdeführerin anzuleiten, einen geeigneten Dolmetsch beizuziehen und die Erstbeschwerdeführerin im Berufungsverfahren neuerlich zu vernehmen, geltend. Auch diese Darlegungen können der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel nicht hinreichend dargetan wird. Die Erstbeschwerdeführerin beschränkt sich nämlich auf die nicht weiter konkretisierte Behauptung von "nach der Demonstration gegen uns als Familie erfolgten konkreten Verfolgungshandlungen" und "weiteren Repressionen durch die albanischen Behörden" sowie die Behauptung, daß der Zweitbeschwerdeführer seinen Arbeitsplatz verloren habe. Selbst bei Zugrundelegung eines solchen Vorbringens hätte der Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin nicht erfolgreich sein können, weil die nicht weiter konkretisierten Behauptungen von Verfolgungshandlungen bzw. Repressionen eine Beurteilung von Art und Intensität des jeweiligen Eingriffes nicht zulassen und der Arbeitsplatzverlust des Ehegatten für sich allein ebenfalls keinen Fluchtgrund darstellt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1992, Zlen. 91/01/0207, 0208).

Die weiteren Behauptungen der Beschwerde über die Schwierigkeit der Fluchtvorbereitungen betrifft offenbar die Frage der Zeitnähe der behaupteten Verfolgung zur Ausreise; Gründe für die Annahme wohlbegründeter Furcht stellen jedoch auch diese Umstände nicht dar.

Nur der Vollständigkeit halber ist daher darauf zu verweisen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Asylwerber alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen hat. Es ist nicht Aufgabe der Behörde, dem Asylwerber Unterweisungen dahin zu erteilen, wie er sein Vorbringen auszuführen habe, damit seinem Antrag stattgegeben werden könne (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 1992, Zl. 92/01/0236, und die dort zitierte Rechtsprechung). Im Beschwerdefall liegt daher auch kein Verstoß gegen Anleitungspflichten vor, wobei anzumerken ist, daß die Beschwerde nicht darlegt, welche Anleitungen die Behörde der Erstbeschwerdeführerin hätte erteilen können.

Auch ein Verfahrensmangel im Zusammenhang mit der Übersetzung der Angaben der Beschwerdeführerin ist nicht ersichtlich. Nach dem Inhalt der Niederschrift vom 10. November 1990 erklärte die Erstbeschwerdeführerin (handschriftlich in ihrer Muttersprache), daß ihr der Inhalt der Niederschrift in ihrer Muttersprache vorgelesen worden sei und sie diesen verstanden habe. Auch in der Berufung wird nicht behauptet, daß dem bekämpften Bescheid ein nicht ordnungsgemäß oder unvollständig erhobener Sachverhalt zugrunde liege; nicht einmal in der Beschwerde wird konkret behauptet, daß Angaben der Erstbeschwerdeführerin unrichtig oder unvollständig übersetzt worden wären. Der nicht weiter konkretisierte Vorwurf, der Dolmetsch sei "nicht besonders sprachkundig" gewesen, erweist sich somit auch aus den zuletzt dargelegten Gründen nicht als geeignet, einen Verfahrensmangel zu erweisen.

Zur ergänzenden Vernehmung der Erstbeschwerdeführerin zwecks Darlegung der ohnedies bereits schriftlich geltend gemachten Berufungsgründe bestand ebenfalls kein Anlaß (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 1. Juli 1992, Zl. 92/01/0140).

Die geltend gemachten Rechtsverletzungen liegen somit nicht vor; die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zweitbeschwerdeführer hat seine Flucht im Verwaltungsverfahren erster Instanz mit polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an einer Massendemonstration begründet. Er sei drei Tage in Haft gehalten und geprügelt worden; erkennbare Verletzungen habe er nicht davongetragen. Ein Verfahren sei nicht eingeleitet worden.

Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, der Zweitbeschwerdeführer habe objektiv begründete Furcht vor Verfolgung aus Konventionsgründen nicht glaubhaft gemacht, als nicht rechtswidrig.

Die Anhaltung und Festnahme von Demonstrationsteilnehmern ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als Indiz für drohende Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 1. Juli 1992, Zl. 92/01/0459, und vom 25. November 1992, Zlen. 92/01/0585, 0586). Allein auf der Grundlage der in keiner Weise konkretisierten Behauptung des Zweitbeschwerdeführers, er sei "geprügelt" worden (auf die er im Berufungsverfahren nicht mehr zurückkam), und im Hinblick auf sein weiteres Vorbringen, es sei kein Verfahren eingeleitet worden, kann auch nicht gesagt werden, daß hier besondere Umstände vorlägen, die aus objektiver Sicht eine künftige Verfolgung wegen der Teilnahme an einer Demonstration als hinreichend wahrscheinlich erscheinen ließen. Auf der Grundlage des behaupteten Sachverhaltes war die belangte Behörde auch nicht zu weiteren Ermittlungen verhalten.

Der behauptete Sachverhalt war somit nicht geeignet, die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft zu begründen; schon aus diesem Grund konnte das Begehren des Zweitbeschwerdeführers nicht erfolgreich sein.

Soweit dieser - im wesentlichen wortgleich mit den Ausführungen der Erstbeschwerdeführerin - Verfahrensmängel geltend macht, ist er auf die Darlegungen im Rahmen der Behandlung der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin zu verweisen.

Die geltend gemachten Rechtsverletzungen liegen nicht vor; die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Parteiengehör Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010549.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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