TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/17 92/01/0849

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Veröffentlicht am 17.02.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AsylG 1968 §16 Abs1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des D in J, geb. am 10.2.1970, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1992, Zl. 4.332.866/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im vorliegenden Beschwerdefall steht auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren fest, daß der Beschwerdeführer - nachdem er vorher zwei Wochen lang als Tourist in Italien gewesen war - sich vom 4. Dezember 1988 bis 1990 legal in Österreich aufgehalten hat, während dieser Zeit sein Reisepaß vom türkischen Generalkonsulat in Salzburg verlängert wurde, er wieder in sein Heimatland zurückgekehrt, jedoch 10 Tage danach am 22. März 1990 neuerlich nach Österreich eingereist ist und hier einen Asylantrag erst am 7. Februar 1992 gestellt hat.

Die belangte Behörde hat auf Grund dieses Sachverhaltes dem "gesamten Vorbringen" des Beschwerdeführers - das sich aus seinem schriftlichen Asylantrag vom 7. Februar 1992, seinen niederschriftlichen Angaben am 19. Februar 1992 vor der Bezirkshauptmannschaft Schwaz und am 9. März 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol sowie aus seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der zuletzt genannten Behörde vom 12. März 1992 ergibt - die Glaubwürdigkeit versagt. Ob die von der belangten Behörde hiefür gegebene Argumentation auch insofern schlüssig ist, als sie sich auf den kurzfristigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Italien und die Verlängerung seines Reisepasses bezieht, kann auf sich beruhen. Den Umständen, daß sich der Beschwerdeführer bereits seit 1988 über ein Jahr lang in Österreich befunden hat, ohne Asyl zu beantragen, und er nach seiner neuerlichen Einreise erst nach fast zwei Jahren einen derartigen Antrag gestellt hat, hat sie aber jedenfalls bei Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) anzusehen ist, maßgebliche Bedeutung beigemessen. Auch wenn eine spätere Antragstellung - abgesehen davon, daß sie auf Umstände gestützt werden kann, die erst nach der Einreise eingetreten sind - nicht zwangsläufig bedeutet, daß sich der Asylwerber nicht aus wohlbegründeter Furcht, aus einem der Konventionsgründe verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befinde, so muß nämlich doch grundsätzlich erwartet werden, daß bei tatsächlichem Vorliegen eines derartigen Grundes ehebaldigst eine entsprechende Antragstellung erfolgt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1992, Zl. 92/01/0012). Geschieht dies nicht, so liegt es am betreffenden Asylwerber, die Gründe, warum nicht eine frühere Antragstellung durch ihn erfolgt ist, näher darzulegen. Dies hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht getan; er ist allerdings diesbezüglich auch nicht befragt worden. Es handelt sich hiebei um eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, die insoweit seine Ergänzung gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 erforderlich gemacht hätte, weil schon die Behörde erster Instanz auf dem Boden des Asylgesetzes (1968) gemäß § 37 AVG - wie dies nun der geltenden lex specials des § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 entspricht - von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre, durch Fragestellung an den Beschwerdeführer darauf hinzuwirken, daß auch dieser zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinende Aufschluß gegeben wird. Den Beschwerdeausführungen ist aber eine Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels nicht zu entnehmen.

In Erwiderung auf die Begründung des angefochtenen Bescheides, es sei im Hinblick darauf, daß er während seines ersten Aufenthaltes in Österreich keinen Asylantrag gestellt habe, sondern vielmehr 1990 in sein Heimatland zurückgekehrt sei, nicht davon auszugehen, daß er die Türkei auf Grund wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe, macht der Beschwerdeführer das Vorliegen seiner Meinung nach "triftiger Gründe" geltend. Diese seien zusammenfassend darin gelegen gewesen, daß er auf eine Besserung der Lage der Kurden in der Türkei, denen er angehöre, gehofft habe, um dort seine begonnene Ausbildung als Lehrer beenden zu können, er auf Grund von Medienberichten angenommen habe, daß nun diese Möglichkeit für ihn bestehe, weshalb er in die Türkei zurückgekehrt sei, sich jedoch diese als unrichtig herausgestellt hätten, weil die Kurden in seinem Heimatland weiterhin allein auf Grund ihrer Nationalität "der Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt" seien, worauf er wieder nach Österreich gekommen sei und hier einen Asylantrag gestellt habe. Dem ist aber - ohne auf dieses Vorbringen weiter einzugehen - entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer den Asylantrag auch nicht unmittelbar im Anschluß an seine neuerliche Rückkehr nach Österreich gestellt, sondern damit fast weitere zwei Jahre zugewartet hat. Die belangte Behörde hat diesen Umstand ebenfalls im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zu Lasten des Beschwerdeführers verwertet, ohne daß in der Beschwerde dazu Stellung genommen worden wäre. Fehlt aber eine hinreichende Erklärung des Beschwerdeführers für die Verzögerung seiner Antragstellung auch noch nach seiner neuerlichen Einreise nach Österreich, so ist die daraus gezogene Schlußfolgerung der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer behauptete Furcht vor Verfolgung sei nicht glaubhaft, nicht als unschlüssig zu erkennen. Der Beschwerdeführer hat auch gegen die Ansicht der belangten Behörde, er habe den Asylantrag im Hinblick darauf, daß er mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 5. Februar 1992 gemäß § 5 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz in Schubhaft genommen worden war, nur deshalb eingebracht, um fremdenpolizeiliche Maßnahmen hintanzuhalten, nichts vorgebracht.

Schon aus diesem Grunde ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen, sodaß eine Auseinandersetzung mit den von ihm ins Treffen geführten Gründen, die ihn zum Verlassen seines Heimatlandes bewogen hätten, entbehrlich ist. Der Vollständigkeit halber sei aber doch bemerkt, daß auch diese Gründe nicht geeignet wären, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Hauptsächlich handelt es sich hiebei um die Schilderung der allgemeinen Lage der Kurden in der Türkei, sowie um die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, als Mitglied der PKK einer Verfolgung in seinem Heimatland ausgesetzt zu sein. Als einzige konkrete, individuell gegen ihn gerichtete und staatlichen Behörden seines Heimatlandes zuzurechnende Maßnahme wurde vom Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren seine 24 Stunden dauernde Inhaftierung nach der 1. Mai-Kundgebung im Jahre 1988 angeführt, die aber - abgesehen von der zwischenzeitigen Rückkehr des Beschwerdeführers in sein Heimatland und dem fehlenden zeitlichen Zusammenhang zu seiner neuerlichen Einreise - für sich allein nicht als relevante Verfolgungshandlung angesehen werden kann (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0774, mit weiteren Judikaturhinweisen). Der Beschwerdeführer hat insbesondere nicht dargetan, daß während seines Aufenthaltes in seinem Heimatland im Jahre 1990 solche, auf Konventionsgründe zurückzuführende Handlungen gegen ihn gesetzt worden und daher maßgebliche Umstände hinzugekommen seien, die aus objektiver Sicht einen weiteren Verbleib dort für ihn unerträglich gemacht hätten. Auch die "Flucht" des Beschwerdeführers vor dem ihm drohenden Militärdienst stellt keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling dar (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0243, und vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0394). Schließlich müssen familiäre Gründe, auf die sich der Beschwerdeführer ebenfalls zu seinen Gunsten beruft, insbesondere der Umstand, daß er mit einer Österreicherin verheiratet ist, bei Beurteilung seiner Flüchtlingseigenschaft außer Betracht bleiben.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010849.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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