Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §115;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des F M und der I M, beide in I, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat) vom 1. März 1988, Zl. 30.155-3/88, betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO sowie Gewerbesteuer für die Jahre 1984 und 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind Ehegatten; sie betrieben in den Streitjahren ein Hotel in der Rechtsform einer OHG. Die Gewinnermittlung erfolgte nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (Bilanzstichtag: 30. April). Ende 1986 wurde die OHG aufgelöst.
Mit Kaufvertrag vom 27. Dezember 1976 war ein an die Betriebsliegenschaft angrenzendes unbebautes Grundstück von beiden Beschwerdeführern je zur Hälfte erworben und als Betriebsvermögen in den Bilanzen für die Wirtschaftsjahre 1976/77 bis 1982/83 ausgewiesen worden. (Die Beschwerdeführer bezeichnen - offensichtlich unrichtig - bereits das Wirtschaftsjahr 1975/76 als erstes Jahr, in dem das Grundstück in die Bilanz aufgenommen wurde; diese Differenz in der Sachverhaltsdarstellung ist jedoch für das Beschwerdeverfahren unerheblich.)
Im Zusammenhang mit der Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 1984 (Wirtschaftsjahr 1983/84) teilte der Steuerberater der OHG mit Schreiben vom 2. September 1985 dem Finanzamt mit, daß die seinerzeitige Aufnahme des unbebauten Grundstückes in das Betriebsvermögen der OHG zu Unrecht erfolgt sei, weil es sich dabei um notwendiges Privatvermögen gehandelt habe. Wörtlich wurde ausgeführt:
"Anläßlich der Bilanzerstellung für das Wirtschaftsjahr 1983/84 wurde die notwendige Bilanzberichtigung durchgeführt und das Grundstück Nr. 757/1 aus dem Bilanzansatz "Grund und Boden" ausgeschieden. Durch den Umstand, daß im Zusammenhang mit dem privaten Grundstück keine Abschreibungen möglich sind und auch nicht vorgenommen wurden, ändern sich die ausgewiesenen Ergebnisse der Wirtschaftsjahre 1975/76 bis 1982/83 nicht."
Die Bilanzberichtigung wurde vom Finanzamt bei Erlassung der folgenden Feststellungs- und Abgabenbescheide berücksichtigt.
Im Zuge einer im Jahr 1987 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß das Grundstück nicht als notwendiges Privatvermögen anzusehen sei und daher zu Recht als gewillkürtes Betriebsvermögen in den Bilanzen für die Wirtschaftsjahre 1976/77 bis 1982/83 ausgewiesen werden konnte. Die im Zusammenhang mit dem Grundstück stehenden Aufwendungen (Zinsen und Grundsteuer) seien in der Vergangenheit als Betriebsausgaben abgesetzt worden. Die Ausbuchung im Wirtschaftsjahr 1983/84 sei als Entnahme zu behandeln.
Durch Ansatz eines Teilwertes von S 1,581.000,-- gelangte der Prüfer zu einer Gewinnerhöhung von S 549.850,--. Außerdem wurde die auf die ausgebuchte Liegenschaft entfallende Grundsteuer im Wirtschaftsjahr 1984/85 nicht mehr als Betriebsausgabe anerkannt.
Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Feststellungs- und Abgabenbescheide.
Der Steuerberater der Beschwerdeführer erhob Berufung. Das Grundstück sei in Durchführung einer Bilanzberichtigung ausgebucht worden. Wenn die Abgabenbehörde der Auffassung sei, daß die Voraussetzungen für eine Bilanzberichtigung nicht vorlägen, weil das Grundstück zu Recht (als gewillkürtes Betriebsvermögen) in der Bilanz ausgewiesen worden sei - dieser Auffassung werde zugestimmt -, so sei die Bilanzberichtigung eben nicht vorzunehmen, sondern der ursprüngliche Zustand aufrecht zu erhalten. Eine Entnahme liege jedenfalls nicht vor.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragten die Beschwerdeführer die Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Ergänzend wurde in der Folge vorgebracht, daß der vom Betriebsprüfer angesetzte Teilwert von S 1,581.000,-- nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Das Grundstück befinde sich unmittelbar neben einem Hotelgebäude, sei an drei Seiten durch Servitutswege eingeengt, habe eine äußerst schlechte Aussicht und überdurchschnittlich viel Grundwasser, was eine Verbauung sehr kompliziert mache. Unter Berücksichtigung dieser wertmindernden Faktoren sei ein Teilwert von S 1,104.000,-- gerechtfertigt.
Weiters wurde über Befragen der belangten Behörde mitgeteilt, daß in den Wirtschaftsjahren 1976/77 bis 1984/85 Fremdmittelzinsen im Ausmaß von ca. insgesamt S 640.000,-- als Betriebsausgaben geltend gemacht worden seien. Diese Zinsen seien für ein Darlehen bezahlt worden, das der Finanzierung des Grundstückserwerbes gedient habe.
Die belangte Behörde teilte den Beschwerdeführern mit, daß sie den Teilwert des Grundstückes zum 30. April 1984 mit S 1,824.185,-- ermittelt habe. Sie sei dabei von einer durchschnittlichen Preissteigerung von 1977 bis 1984 von 99,67 % ausgegangen und stütze sich diesbezüglich auf eine Auskunft des Statistischen Zentralamtes in Wien. Der so ermittelte Quadratmeterpreis von S 1.466,40 entspreche auch der von der belangten Behörde geführten Kaufpreissammlung, in der Quadratmeterpreise von S 1.500,-- bis S 1.820,-- aufschienen. Da das Grundstück bereits zum Zeitpunkt seines Erwerbes mit den genannten Servituten belastet gewesen sei, finde diese wertmindernde Komponente in der Hochrechnung des seinerzeitigen Kaufpreises bereits Berücksichtigung.
Die Beschwerdeführer bestritten, daß die Ermittlung des Teilwertes unter Zugrundelegung allgemeiner Preissteigerungen zu einem richtigen Ergebnis führe. Die besonderen Verhältnisse blieben dabei nämlich unberücksichtigt. Den von der belangten Behörde erwähnten Quadratmeterpreisen seien solche von S 1.159,-- (1981) und S 1.000,-- (1985) entgegenzuhalten, die den Beschwerdeführern aus Verkäufen bekannt seien. Es werde ersucht, diese Kaufpreise mitzuberücksichtigen.
Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und änderte die erstinstanzlichen Bescheide insoweit zum Nachteil der Beschwerdeführer ab, als sie den Teilwert des Grundstückes mit S 1,820.000,-- ansetzte.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der die "Rechtsansicht" der belangten Behörde sowie "die Berechnung des Teilwertes" als gesetzwidrig bekämpft werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer vertreten zunächst sinngemäß die Auffassung, daß eine ausdrücklich als Bilanzberichtigung bezeichnete Ausbuchung eines Grundstückes nicht in eine freiwillige Entnahme umgedeutet werden dürfe. Der Gerichtshof teilt diese Rechtsansicht aus folgenden Erwägungen:
Sowohl die Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde gehen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren davon aus, daß das Grundstück, dessen Entnahme aus dem Betriebsvermögen der OHG in Streit steht, stets als gewillkürtes Betriebsvermögen anzusehen war. Der Steuerberater der zwischenzeitig beendeten OHG hat allerdings seinerzeit im Zuge der Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 1984 die Auffassung vertreten, daß das Grundstück als notwendiges Privatvermögen anzusehen sei, und aus diesem Grund eine Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs. 2 EStG 1972 vorgenommen.
Nach der zitierten Bestimmung hat der Steuerpflichtige die Vermögensübersicht (Bilanz) zu berichtigen, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1972 nicht entspricht. Es besteht demnach eine gesetzliche Verpflichtung zur Berichtigung einer unrichtigen Bilanz.
Die OHG ermittelte ihren Gewinn gemäß § 5 EStG 1972. Sie war daher berechtigt, sogenanntes gewillkürtes Betriebsvermögen in ihren Bilanzen auszuweisen. Als gewillkürtes Betriebsvermögen sind Wirtschaftsgüter anzusehen, die weder zum notwendigen Betriebsvermögen noch zum notwendigen Privatvermögen gehören. Notwendiges Privatvermögen stellen jene Wirtschaftsgüter dar, die der privaten Bedürfnisbefriedigung des Abgabepflichtigen dienen; sie sind ausnahmslos der privaten Sphäre zuzurechnen. Ob ein Wirtschaftsgut als notwendiges Privatvermögen anzusehen ist und daher in der Bilanz eines Steuerpflichtigen auch dann nicht ausgewiesen werden darf, wenn der Gewinn gemäß § 5 EStG 1972 ermittelt wird, kann strittig sein. Kommt ein Steuerpflichtiger zu der Erkenntnis, daß ein bisher von ihm als gewillkürtes Betriebsvermögen angesehenes Wirtschaftsgut in Wahrheit notwendiges Privatvermögen darstellt, so hat er seine Bilanz(en) entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungspflicht betrifft grundsätzlich alle Bilanzen, die sich als unrichtig erweisen. Selbst wenn Feststellungs- oder Abgabenbescheide, die auf einer unrichtigen Bilanz beruhen, in Rechtskraft erwachsen sind und eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO nicht (mehr) in Betracht kommt (etwa wegen bereits eingetretener Verjährung des Abgabenanspruches), sind unrichtige Bilanzen zu berichtigen. Dies deshalb, weil das Gesetz keine zeitliche Begrenzung bezüglich der Pflicht zur Bilanzberichtigung vorsieht und jene Beschränkungen, die sich aus der Rechtskraft eines Bescheides oder aus der Verjährung des Abgabenanspruches ergeben, deswegen nicht zum Tragen kommen, weil Bilanzen weder Gegenstand bescheidmäßiger Feststellung sind noch der Verjährung unterliegende Ansprüche darstellen. Eine Bilanzberichtigung ist daher auch dann vorzunehmen, wenn sie sich auf die Abgabenfestsetzung selbst nicht mehr auszuwirken vermag. Allerdings wird es in solchen Fällen aus der Sicht abgabenrechtlicher Vorschriften genügen, wenn die zurückliegenden Bilanzen nur soweit berichtigt werden, als es erforderlich ist, um zu verhindern, daß die Berichtigung periodenfremde Auswirkungen auf den steuerlich maßgebenden Gewinn oder Verlust des betreffenden Betriebes hat. Eine Bilanzberichtigung kann nur dann zu einer Änderung des Betriebsergebnisses in seiner Eigenschaft als Teil der Einkommensteuerbemessungsgrundlage führen, wenn sie eine Periode betrifft, für die eine (geänderte) Einkommensteuerfestsetzung verfahrensrechtlich in Betracht kommt.
Im Beschwerdefall wurde eine Änderung der Nutzungsart des Grundstückes, die allenfalls zur Folge gehabt hätte, daß aus einem gewillkürten Betriebsvermögen notwendiges Privatvermögen geworden wäre - diesfalls wäre das Grundstück zum Zeitpunkt der Änderung der Nutzungsart erfolgswirksam zu entnehmen gewesen - von der belangten Behörde nicht festgestellt. Wäre die Annahme des Steuerberaters der OHG zutreffend gewesen, daß das Grundstück zum notwendigen Privatvermögen gehörte, so hätte bereits die Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1976/77, in der das Grundstück erstmals ausgewiesen worden war, richtiggestellt werden müssen. Die vom Steuerberater vorgenommene Berichtigung der Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1983/84 hätte sich auf die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1984 nur mehr insoweit auswirken können, als der in dieser Periode verbuchte, das Grundstück betreffende Aufwand an Grundsteuer und Fremdkapitalzinsen steuerlich nicht anzuerkennen gewesen wäre. Eine erfolgswirksame Entnahme des Grundstückes selbst wäre aber ausgeschlossen gewesen, da das notwendiges Privatvermögen bildende Grundstück schon in den Vorperioden nicht zum Betriebsvermögen gehört hätte. Erst dadurch, daß die belangte Behörde das Grundstück als gewillkürtes Betriebsvermögen anerkannt hat, glaubte sie sich berechtigt, die ausdrücklich als Bilanzberichtigung bezeichnete und als solche begründete Ausbuchung des Grundstückes in eine (freiwillige) Entnahme umzudeuten. Sie begründet dies im wesentlichen damit, daß die OHG durch die "Verbuchung des Ausscheidens des Grundstückes in den Büchern und der Bilanz des Wirtschaftsjahres 1983/84 und das Fehlen des streitgegenständlichen Grundstückes in der Bilanz 1984/85 unmißverständlich zum Ausdruck brachte, daß sie (die Abgabepflichtige) dieses nicht nur in dem von der behaupteten Bilanzberichtigung umfaßten Zeitraum als Privatvermögen behandelt wissen wollte, sondern auch künftighin".
Die belangte Behörde übersieht dabei, daß der Steuerberater der OHG die Ausbuchung des Grundstückes nicht nur als Bilanzberichtigung bezeichnet, sondern diese auch begründet hat, wobei er von einer später als unrichtig erkannten Sachverhaltsannahme ausgegangen ist. Ein Anhaltspunkt für eine beabsichtigte Umwidmung des Grundstückes von gewillkürtem Betriebsvermögen in Privatvermögen kann aus diesem Verhalten nicht gewonnen werden. Außerdem ist folgendes zu beachten:
Aus der im § 115 BAO normierten Verpflichtung der Abgabenbehörde zur amtswegigen Ermittlung des für die Abgabenerhebung maßgeblichen Sachverhaltes ergibt sich, daß allfällige Gründe für eine Bilanzberichtigung nicht nur vom Abgabepflichtigen, sondern gleichermaßen von der Abgabenbehörde wahrzunehmen sind. Stellt sich nachträglich - etwa im Zuge eines Rechtsmittelverfahrens - heraus, daß eine amtswegige Bilanzberichtigung zu Unrecht vorgenommen wurde, so ist diese rückgängig zu machen. Es versteht sich von selbst, daß die Abgabenbehörde in einem solchen Fall nicht berechtigt wäre, eine Umdeutung jener Buchungsvorgänge vorzunehmen, die sie selbst im Zuge der unrechtmäßigen Bilanzberichtigung herbeigeführt hat. Gleiches muß für eine Bilanzberichtigung gelten, die der Abgabepflichtige vornimmt, in der irrigen Annahme, seine Bilanz sei unrichtig. Solange sich kein Hinweis dafür findet, daß eine durch die unrechtmäßige Bilanzberichtigung bedingte Buchung auch dann auf einen Willensakt des Abgabepflichtigen zurückgeführt werden kann, wenn der Bilanzberichtigungsgrund wegfällt, ist die Abgabenbehörde nicht berechtigt, einen derartigen Willensakt zu unterstellen. Genau das hat aber die belangte Behörde getan, indem sie die Ausbuchung des Grundstückes als Umwidmung von gewillkürtem Betriebsvermögen in notwendiges Privatvermögen und damit als Entnahme beurteilt hat, obwohl der Steuerberater der OHG deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, nichts dergleichen beabsichtigt zu haben.
Da die belangte Behörde zu Unrecht von einer Entnahme des Grundstückes ausgegangen ist - vielmehr gehörte das strittige Grundstück nach wie vor zum gewillkürten Betriebsvermögen -, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es erforderlich war, auf den zweiten Beschwerdepunkt betreffend die Höhe des Teilwertes des Grundstückes einzugehen. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1988140097.X00Im RIS seit
11.07.2001